Weiche Schleifpasten geben harten Oberflächen den rechten Schliff

In der Industrie haben Bearbeitungsmaschinen die Handarbeit in vielen Bereichen ersetzt. Doch gerade bei komplexen Arbeiten zeigt sich, dass die automatischen Gesellen zehn linke Daumen haben können. Filigrane Werkzeuge, die etwa Aluminium- oder Kunststoffprofile umformen, werden daher oft noch von Meisterhand poliert. So können ein bis zwei Tage vergehen, bis ein Werkzeug fertig bearbeitet ist.

Polymeres Schleifwerkzeug für Apollo-Programm entscheidend weiterentwickelt

Mit einer „flüssigen Feile“ ist die gleiche Arbeit dagegen in einer halben Stunde getan. Gerade im Formen- und Werkzeugbau findet das Endbearbeitungsverfahren deshalb immer häufiger Einzug. Für das amerikanische Apollo-Programm ist das polymere Schleifwerkzeug Mitte der 1960er Jahre entscheidend weiterentwickelt worden, um schwer erreichbare Innenkonturen an Bauteilen der Luft- und Raumfahrttechnik zu bearbeiten. Oft müssen komplex geformte dreidimensionale Oberflächen mit Hinterschneidungen präzise entgratet und poliert werden. Konventionelle Verfahren stoßen dabei an ihre Grenzen.

Als Arbeitsmedium dient ein flüssiger Kunststoff, der Schleifkörner aus Aluminiumoxid, Siliziumkarbid, Borkarbid oder Diamant enthält. Je nach Werkstoff, Bauteilkomplexität und Anwendungsfall unterscheiden sich die Pasten in Zusammensetzung und Viskosität. Die Werkstücke werden, häufig in Mehrfachaufnahmen, in das geschlossene System der Maschine gebracht und bearbeitet.

Bei jeweils optimalem Druck wird die Suspension durch die zu bearbeitenden Bauteilöffnungen gepresst. Dank seiner Fließeigenschaften passt sich das Medium jeder beliebigen Kontur und Oberflächenform an und trennt dabei gezielt Material ab.

Bearbeitungsstrategien zusammen mit Micro-Technica Technologies stetig überarbeitet

Wissenschaftler am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb der TU Berlin nehmen die grundlegenden Zusammenhänge zwischen Werkstückeigenschaften, Maschinenparametern und Schleifmediumspezifikationen genau unter die Lupe. Gemeinsam mit dem Maschinenhersteller Micro-Technica Technologies, Kornwestheim, werden dabei Maschinenkonzepte, Schleifmedienrezepturen und Bearbeitungsstrategien stetig überarbeitet, um die Maßhaltigkeit im Bereich weniger Mikrometer sowie die Reproduzierbarkeit der Arbeitsergebnisse zu verbessern.

Die Wissenschaftler nutzen beispielsweise zur Verfahrensauslegung eine leistungsfähige Software zur Strömungssimulation mittels CFD (Computational Fluid Dynamics). Mit geringem Aufwand können so die Strömungsverhältnisse auch bei sehr komplexen Bauteilgeometrien berechnet werden. Darauf aufbauend lassen sich beispielsweise Aufnahmevorrichtungen strömungstechnisch optimieren und Bearbeitungsergebnisse vorhersagen.

Auch fluide Schleifwerkzeuge verschleißen im Einsatz

Bislang sind derartige Untersuchungen zur Prozessauslegung empirisch in langwierigen und kostenintensiven Vorversuchen vom Fachpersonal durchgeführt worden. Wie bei jedem Schleifverfahren unterliegt auch das fluide Schleifwerkzeug im Einsatz einem Verschleiß. Früher Austausch von Schleifmedium treibt Kosten unnötig in die Höhe, dagegen beeinträchtigt zu spätes Austauschen die Reproduzierbarkeit des Verfahrens. Eine dafür entwickelte Technologiedatenbank soll zukünftig dem Anwender in Abhängigkeit von der Bearbeitungsaufgabe und -strategie die noch verbleibende Standzeit des Mediums vorhersagen.

Betrachtet man die bearbeiteten Werkstücke, können sowohl Charakteristika einer geläppten Oberfläche als auch einer vorwiegend schleifenden Bearbeitung festgestellt werden. Aufgrund der mangelnden optischen Zugänglichkeit während des Bearbeitungsprozesses ist bis heute nur unzureichend geklärt, in welchem Maße unterschiedliche Mechanismen für das Abtrennen der Oberfläche verantwortlich sind.

Dieser Tatsache ist es zuzuschreiben, dass dieses Verfahren unter verschiedenen Bezeichnungen am Markt bekannt ist, zum Beispiel Strömungsschleifen, Druckfließläppen, Extrusionshonen oder Hubschleifen mit viskosen Medien. Auch diesbezüglich kann eine CFD-Simulation zur Klärung beitragen. Denn mit bekannten rheologischen Kenngrößen des Mediums lassen sich im mikroskopischen Bereich Randbedingungen testen, die einzelne Schleifkörner zu „ritzendem“ oder „rollendem“ Verhalten an Bauteiloberflächen anregen.

Kantenpräparation an Zerspanwerkzeugen im Fokus der Wissenschaft

Ein Forschungszweig mit zunehmendem wirtschaftlichen Interesse stellt die Kantenpräparation an Zerspanwerkzeugen in den Fokus wissenschaftlicher Untersuchungen. Es konnte gezeigt werden, dass die gezielte Verrundung von Werkzeugkanten eine vier- bis achtfache Erhöhung der Standzeit ermöglicht. Auch bei der Präparation von Schneidkanten bietet das Strömungsschleifen aufgrund des flexiblen Werkzeugs ein großes Anwendungspotenzial.

Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb stellt auf der Grindtec 2010 aus

In umfangreichen technischen Untersuchungen werden Mechanismen der Oberflächenentstehung und Kantenausprägung, Ausbildung der Topografie sowie die Änderung der chemischen Zusammensetzung an hochharten Werkstoffen wie Hartmetallen, Keramiken und Nickel-Basis-Legierungen erforscht.

Das Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin wird auf der Fachmesse Grindtec 2010 (Halle 5, Stand 548) Innovationen zur schleifenden Bearbeitung vorstellen. Zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK), Berlin, präsentiert es eine Reihe von Innovationen: zum Beispiel eine hochflexible, automatisierte Roboterzelle zum Entgraten komplexer Konturen sowie zur Reparatur von Turbinen- und Triebwerkskomponenten, Prozesse zur Schneidkantenpräparation, Anwendung und Herstellung vollkeramischer Fräswerkzeuge sowie innovativer Hochleistungsschleifbänder.

Außerdem werden Ergebnisse aus aktuellen Forschungsschwerpunkten zum HSG/HPG auf Plan-, Profil- und Rundschleifmaschinen vorgestellt.

Dipl.-Ing. Vanja Mihotovic ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der TU Berlin. Prof. Dr. Dr.-Ing. Eckart Uhlmann ist Leiter des Fachgebiets Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik am IWF sowie Leiter des Fraunhofer-Instituts für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik (IPK) in Berlin.

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