Wackeln gilt nicht

Ein Hochregallager für 800 Aluminiumcoils bildet das Herzstück im neuen Aluminiumwalzwerk von Xiashun in China. Zwei Regalbediengeräte, vollautomatische Coilmanipulatoren und ein Tunnel-Shuttle verbinden die unterschiedlichen Walzwerkbereiche. Statik, Stahlbau und Schwerlast-Intralogistik stammen von Vollert Anlagenbau aus Weinsberg bei Heilbronn.

Aluminiumfolie ist nicht gerade das Erste, an das man bei schweren Lasten denkt. Zumal der chinesische Hersteller Xiamen Xiashun Aluminium Foil hauchdünne Folien in einer Stärke von weniger als sechs Tausendstel Millimeter herstellt, die in der Medizin, bei der Produktion von Kondensatoren und im Nahrungsmittelbereich zum Einsatz kommen.

Ordentlich aufgerollt ergeben sie aber etwa zwei mal zwei Meter große Coils mit einem Gewicht von 17 Tonnen. 800 davon finden in einem 160 Meter langen, 27 Meter hohen und zehn Meter breiten Hochregallager Platz. „Die Anforderungen an die Statik des Hochregallagers sind enorm“, bestätigt Dieter Schäfer, zuständiger Projektleiter von Vollert Anlagenbau. „Zusammen mit dem Stahlbau und der Verkleidung wiegt der Bau bei voller Auslastung rund 15.000 Tonnen.“

Das neue Aluminiumwalzwerk in Xiamen, einer Hafenstadt an der chinesischen Küste, rund 500 Kilometer östlich von Hongkong, ist eines der modernsten Chinas und auf die Produktion höchster Qualität ausgelegt. Im Innern sorgen ein Automatikkran, ein Tunnel-Shuttle, zwei 30 Meter hohe Regalbediengeräte (RBG) und mehrere Coilmanipulatoren für einen reibungslosen Betrieb.

Bebenfest bis Stärke sechs
Das Gewicht allein wäre noch keine große Herausforderung für die Schwerlast-Experten aus Weinsberg – Vollert Anlagenbau ist spezialisiert auf das Heben und Fördern schwerer Güter bis 50 Tonnen. Das Besondere ist, dass sich das Hochregallager mitten in einer Erdbebenzone befindet und Erdstößen der Stärke fünf bis sechs auf der Richterskala unbeschadet standhalten muss. Und die gibt es in der Region relativ häufig. „In der Querachse verkraftet das Gebäude deshalb Bewegungen von fast zehn Zentimetern“, so Schäfer weiter, „und auch die Regalbediengeräte halten Schwankungen von 0,5 bis 0,7 Zentimeter stand.“ Bei der Fahrt und Verladung der Coils dürfen die RBG durch die Erschütterungen ebenfalls nicht gestört werden.
Um dies zu gewährleisten, entwickelte Vollert für Xiashun nicht nur das Intralogistikkonzept und die Fördertechnik, sondern übernahm in enger Abstimmung mit dem zuständigen chinesischen staatlichen Institut auch die Planung und Statik des Hochregallagers.

Frank Neu kennt das Gefühl bereits, wenn die Erde zittert. Als Maschinenmeister und verantwortlicher Bauleiter von Vollert war er während der gesamten Bauphase vor Ort. Zuletzt bebte die Erde Anfang März im 50 Kilometer entfernten Taiwan mit einer Stärke von 6,4. Da waren die meisten Aufbauarbeiten aber bereits abgeschlossen. „Unsere chinesischen Montagepartner haben sehr gute Arbeit geleistet“, bestätigt der Bauleiter, der schon Projekte in Indonesien und Thailand leitete. „Dasselbe Unternehmen hatte zuvor in Shanghai nach unseren Plänen den Stahlbau für das Hochregallager gefertigt und kannte die Konstruktion deshalb sehr gut.“ So wurden in kürzester Zeit die Fundamente betoniert, der Stahlbau errichtet und die Maschinen und Fördertechnik montiert.
Bis zu 2.000 Arbeiter standen dafür zeitweise auf der Baustelle zur Verfügung.
Wichtig für die chinesischen Auftraggeber war es, dass Planung und Fertigung der Anlagen in Deutschland erfolgen: „Wir haben uns für Vollert Anlagenbau aufgrund der großen Erfahrung im Bereich Intralogistik für Aluminiumcoils und aufgrund der eigenen Fertigung in Deutschland entschieden“, sagt Jiang Xiuxin, Vice President von Xiamen Xiashun Aluminium Foil. „Die garantierte Qualität made in Germany sichert uns beste Ergebnisse und einen technologischen Vorsprung.“ Auch die Steuerung und das Lagerverwaltungssystem stammen von Vollert und wurden speziell auf das chinesische Zentralsystem abgestimmt.

Gesicherter Materialfluss
Gleich zu Beginn des neuen Aluminiumwalzwerks übernimmt ein deckengeführter Ingot-Kran die bis zu fünf Meter langen und über zwei Meter breiten Walzbrammen (engl.: Ingots) und setzt diese auf die Förderstraße zum Heißwalzen. Gehalten werden die 18,5 Tonnen schweren und rund 560 Grad Celsius heißen Ingots auf der 90 Meter langen Fahrstrecke dabei von zwei wärmegeschützten Greifern. Ein Katzfahrwerk ermöglicht zudem eine Querfahrt von 15 Metern. Im Heißwalzbereich werden die Blöcke auf eine Dicke von drei Millimeter vorgewalzt. Aus einer Bramme entstehen so mehrere rund 17 Tonnen schwere und rund 150 Grad Celsius heiße Coils, die direkt im Anschluss durch ein Tunnel-Shuttle mit Ausfahrhubwagen unterirdisch zum Hochregallager transportiert werden.

Ab jetzt übernimmt die zentrale Steuerung vollautomatisch alle weiteren Abläufe. Zwei Regalbediengeräte mit einer Kapazität von 68 Coils pro Stunde stehen für das mehrfache Ein- und Auslagern zwischen den verschiedenen Walz- und Abkühlphasen zur Verfügung. Beide RBG nutzen eine gemeinsame Laufschiene, um den Lagerplatz optimal ausnutzen zu können. Ein Kollisionsschutzsystem verhindert Zusammenstöße der tonnenschweren Geräte.

Das Hochregallager dient gleichzeitig als Zwischen- und Versandlager und verbindet mit acht ober- und unterirdischen Produktionszugängen alle Teile des Werkes bis hin zur Endveredelung und Auslieferung. Die kontinuierliche Beschickung der beiden Kaltwalzen erfolgt durch unterirdische Transportwagen, die durch vier Coilmanipulatoren be- und entladen werden. So wird ein optimaler Produktionsfluss sichergestellt.

Dieter Schäfer zieht ein positives Fazit: „Durch die präzise Planung und Fertigung sowie gute Zusammenarbeit mit unseren chinesischen Partnern vor Ort ist es uns gelungen, trotz der statischen Herausforderungen eine robuste und sichere Intralogistik für das neue Werk in Xiamen zu schaffen.“

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