Servoantrieb mit zweistufigem Getriebe sorgt für Flexibilität und Produktivität

Als der Maschinenhersteller Haulick + Roos die Entwicklung einer neuen Servopresse in Angriff nahm, war klar, dass dies eine Maschine mit Servotechnik sein sollte, weil sie im Vergleich zu konventionellen Exzenterpressen mit Schwungrad deutliche Vorteile aufweist. Der Servomotor (im Bild rechts oben) lässt sich steuern, so dass sich die Stößelbewegung im Bereich des unteren Totpunkts (UT) optimal für den Umformprozess gestalten lässt. Außerhalb des Bauteils sind schnellere Geschwindigkeiten möglich, so dass die durchschnittliche Hubzahl und damit die Gesamtproduktivität gesteigert wird.

Starke Servoantriebe sind verfügbar

Während in Japan schon seit über zehn Jahren solche Servopressen gebaut und eingesetzt werden, findet das Konzept in Europa erst seit gut zwei Jahren mehr und mehr Anhänger. Für Haulick + Roos war nicht zuletzt deshalb der Antriebsspezialist Fanuc als Partner für die Servotechnik erste Wahl. Schließlich kann er neben der theoretischen auch umfangreiche praktische Erfahrung mit dem Einsatz von Servomotoren in Pressen vorweisen.

Die gesamte Entwicklung dieses ersten FSD-Automaten dauerte ein gutes halbes Jahr. Durch den einfachen Umgang und die Zuverlässigkeit hat es sich bewährt, auf einen Standardmotor zu setzen und keine extra entwickelte Lösung zu wählen, wie sie andere Unternehmen anbieten. Inzwischen läuft die erste Maschine bei einem Schweizer Unternehmen seit einem Jahr völlig problemlos im 24-Stunden-Einsatz.

Bildschirmlose CNC übernimmt Steuerungsaufgaben

Als Antrieb dient im 160-t-Stanz- und-Umformautomaten der Fanuc-Servoantrieb Alpha IS 1000 HV mit einer Nennleistung von 100 kW und einer maximalen Umdrehungszahl von 2000 min-1. Gesteuert wird er von einer bildschirmlosen CNC der Serie Powermate i-H von Fanuc, die eine dynamische Geschwindigkeitsregelung hat. Das heißt, fehlerhafte Bedienereingaben und Prozessüberlastungen werden erkannt und automatisch angepasst. So können keine Produktionsausfälle entstehen.

Steuerung deckt alle Sicherheitsanforderungen mit ab

Die Steuerung kommuniziert über Profibus mit einem übergeordneten PC, der unter anderem die gesamte Sicherheitstechnik verwaltet. Die Entwickler des Pforzheimer Maschinenbauers haben nun entschieden, auf die 32er-Steuerungs-Serie von Fanuc zu wechseln, die über die integrierte Dual-Check-Safety-Funktion die gesamten Sicherheitsanforderungen mit abdecken kann.

Die Maschine hat zwei Getriebestufen zur Verfügung, welche für eine hohe Flexibilität sorgen, die sich im Namen wiederfindet: FSD – Flexible Servo Drive. Die erste Stufe ist dem Hauptspektrum vorbehalten, also komplexen Biege- und Tiefziehteilen, für die mehrstufige Operationen benötigt werden. Dazu erreicht die Presse maximal 160 Hübe pro Minute, kann aber die dosierbare Kraft des Servomotors ausspielen.

Umformvorgang erfolgt leise und mit viel Gefühl

Der Antrieb ermöglicht es, den Stößel im UT, wo der eigentliche Umformprozess stattfindet, langsam zu fahren. Er könnte im UT sogar stehen bleiben oder den Rückwärtsgang einlegen, wenn es nötig wäre.

Geht man davon aus, dass für einen optimalen Umformprozess eine Geschwindigkeit von 30 bis 40 Hüben pro Minute gefahren werden muss, kann die Servopresse im Bereich des OT richtig Gas geben und über 100 Hübe fahren, was mit einer konventionellen Exzenterpresse mit Schwungrad nicht möglich ist. Diese muss eine konstante Geschwindigkeit beibehalten, die sich am Umformprozess orientiert. Die Servopresse dagegen erreicht durch die höhere Geschwindigkeit im OT (oberen Totpunkt) eine durchschnittliche Hubzahl, die fast doppelt so hoch ist – bei keinerlei Qualitätseinbußen.

Auch Einrichtvorgänge, die eine langsame Geschwindigkeit voraussetzen, sind viel einfacher zu bewältigen. Es ist für die Servopresse kein Problem, mit ein oder zwei Hüben pro Minute durch den UT zu fahren. Außerdem kann man die Presskraft durch das Antriebsmoment winkelbezogen dosieren. Wogegen früher immer nur die volle Presskraft des Schwungrades zur Verfügung stand. Ein weiterer Vorteil des Servoantriebs: Weil er ohne mechanische Elemente beschleunigt und bremst, gibt es keinen Kupplungs- und Bremsenverschleiß.

Im zweiten Gang schnell wie eine Exzenterpresse

Mit der zweiten Getriebestufe erreicht die Maschine bis zu 300 Hübe pro Minute – allerdings nicht mehr im geregelten, sondern im reinen Exzenterbetrieb. Das kommt für Bearbeitungen in Frage, die ein langsames Fahren im UT nicht benötigen, zum Beispiel beim Stanzen.

Ein Vorteil ist, dass man mit der FSD-Technik die Möglichkeit hat, verschiedenste Umform- und Stanzprozesse wirtschaftlich zu vollziehen. Man kann das lineare Geschwindigkeitsprofil einer Hydraulikpresse programmieren und hat sogar die Möglichkeit, mit der Presse im unteren Totpunkt zu verweilen.

Betrieb als reine Exzenterpresse möglich

Andererseits wird man in die Lage versetzt, die Maschine – im Gegensatz zu anderen Servopressen – als reine Exzenterpresse zu betreiben, um hohe Hubzahlen zu erreichen. In Zahlen heißt das: Über höhere Teileausbringung wird eine Produktivitätssteigerung zwischen 30 und 50% im Vergleich zu einer konventionellen Exzenterpresse erreicht.

Aufgrund des Servomotors sind die FSD-Präzisions-Stanz-und-Umformautomaten teurer als ihre konventionellen Pendants. Hält man sich jedoch die Produktivität und daraus resultierende Ersparnisse vor Augen, amortisieren sich die Mehrkosten in kürzester Zeit.

Servogetriebene Presse bietet bedarfsabhängige Leistung

Auch in puncto Energieeffizienz schneidet die Maschine gut ab. Zwar ist der Spitzenbedarf einer servogetriebenen Presse höher als bei herkömmlicher Technik mit Schwungrad, aber dafür dreht das Schwungrad konstant mit voller Leistung und permanent gleichem Strombedarf. Dieser ist beim Servoantrieb bedarfsabhängig.

Bei dem ersten Anwender der Presse in der Schweiz wurde der Stromverbrauch über einen längeren Zeitraum gemessen. Er lag selbst beim direkten Vergleich des Leistungsbedarfs nur wenig höher als bei einer vergleichbaren konventionellen Maschine. Auf Stückkosten umgerechnet, ist die FSD-Maschine wegen ihrer höheren Ausbringung deutlich sparsamer. Durch den Einsatz neuer Kondensatormodule dürfte der Stromverbrauch weiter sinken.

So genannte Energy-Charge-Module, bieten den Anwendern die Möglichkeit, Energie effizient zwischenzuspeichern und Spannungseinbrüche in der Stromversorgung zu vermeiden. Solche drohen dann, wenn – im Sinne möglichst geringer Zykluszeiten – der Stößel während der pressfreien Zeit über den oberen Totpunkt hinaus schnell beschleunigt werden muss. Bei diesem Vorgang werden hohe Energiewerte benötigt. Das kann bei Unternehmen, die über keine großen Transformatorstationen verfügen, zu Spitzenbelastungen im Netz führen, die eine kurzfristige Mangelversorgung anderer Verbraucher bewirken.

Energiespeicher nimmt Bremsenergie auf

Um solche Zustände zu vermeiden, hat Fanuc einen Energiespeicher entwickelt, der die beim Bremsen freiwerdende Energie gezielt aufnimmt, anstatt sie direkt ins Netz zurückfließen zu lassen. Er stellt sie den Servomotoren für den nächsten Beschleunigungsvorgang wieder zur Verfügung. So werden Strombedarfsspitzen gekappt, und die Netzbelastung kann auf einen vorher definierten Wert limitiert werden.

Weil dieses Verfahren rein elektronisch arbeitet, wirkt dies bei jedem Presszyklus ohne zusätzlichen Einstellbedarf durch den Maschinenbediener. Durch die Fortschritte in der Servotechnik und der positiven Resonanz angetrieben hat sich Haulick + Roos entschlossen, die gesamte Produktpalette von 250 bis 4000 kN Presskraft auf FSD-Technik umzustellen.

Heinz Pilot ist Key Account Manager für den Bereich Servopressen bei der Fanuc GE CNC Deutschland GmbH in 73765 Neuhausen a. d. F.

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