Roboter schleifen Rotorblätter für Windkraftanlagen

Die Fertigung von Windkraftanlagen ist nach wie vor ein sehr personalintensiver Prozess. Ein Hauptgrund dafür ist, dass sich die Schleifbearbeitung der neuerdings bis zu 80 m langen Rotorblätter bislang nicht automatisieren ließ, weil die Dimensionen zu gewaltig sind und die Geometrie zu stark schwankt. Anders ausgedrückt: Die Form der Rotorblätter ließ sich im Fertigungsprozess nicht so genau bestimmen, dass eine Automatisierung möglich ist. Denn die Schleifbearbeitung muss mit Augenmaß und Gefühl erfolgen, und an beidem mangelt es einem konventionellen Roboter.

Spezielle Scanner erfassen die Geometriedaten des Rotorblatts

Der Automatisierungsspezialist GDC Consulting hat sich intensiv mit dieser Thematik befasst und ein Konzept entwickelt, das die automatisierte Fertigung dieser GFK-Komponenten erlaubt. Schlüsselelement dieses Konzeptes ist das intelligente Zusammenspiel des Roboters sowohl mit Sensorik als auch mit den CAD-Daten des Rotors.

Die realen Flügeldaten werden mittels spezieller Scanner erfasst und mit den virtuellen Daten verglichen. Das Resultat dieses Vergleichs erzeugt eine neue, den realen Umständen entsprechende Geometrie. Die Bearbeitungsroboter werden daraufhin mit den neuen Bahndaten aktualisiert.

Roboter berücksichtigt Topographie des Windkraftanlagen-Flügels

Zugleich – und das ist das Entscheidende an dem neuen Konzept – ist dieses Automatisierungskonzept darauf ausgelegt, die Topographie des Flügels zu berücksichtigen. Dem Roboter einfach nur einen kraft- und momentengekoppelten Schleifer in die „Hand“ zu geben, wäre kaum zielführend. Vielmehr erkennt das entwickelte System, wo im Schleifprozess welche Mengen abzutragen sind.

Durch die Steuerung des Roboters über diese Sensoren entsteht ein Regelkreis, der hilft, die individuellen Abmessungen des Rotors zu berücksichtigen sowie Position und Form des Flügels exakt zu erfassen. Und durch den produktionsbegleitenden Vergleich mit den CAD-Daten lassen sich Konstruktion und Realität abgleichen und Produktionsdatenbanken einrichten, die exakte Aufschlüsse über die Fertigungsparameter geben.

Flächen und Außenkonturen der Rotorblätter von Windkraftanlagen vom Roboter fast identisch geschliffen

Ohne Übertreibung kann man sagen, dass diese Fertigungstechnik einer Revolution in der Windkraftanlagen-Produktion gleichkommt. Bisher mussten Werker in Schutzkleidung bei einem einzelnen 40 m langen Flügel schätzungsweise 60 bis 100 Stunden manuelle Arbeit leisten, um eine glatte Oberfläche zu erzeugen.

Diese Aufgabe ist nicht angenehm und sie ist darüber hinaus gesundheitsschädlich, denn die verwendeten Kunststoffharze enthalten Styrol, das beim Schleifen wieder freigesetzt wird und die Schleimhäute reizt. Deshalb schleift man kleinere GFK-Komponenten grundsätzlich in speziellen Kabinen mit wirkungsvoller Absaugung.

Schleifen von Windkraftanlagen-Flügeln wird deutlich einfacher

Bei den großen Rotorflügeln wird direkt am Werkzeug abgesaugt, wobei der Werker immer gezwungen ist, mit Atemschutzmaske zu arbeiten. Auf diesen Aufwand beziehungsweise diese Gefährdung kann man bei dem neuen Fertigungskonzept verzichten.

Bei der Konzeption der Anlage, der Konfiguration der „Hardware“ und der Programmierung der Software konnte GDC Consulting auf umfassende Erfahrungen bei der Entwicklung von robotergestützten Automatisierungssystemen in unterschiedlichsten Branchen – von der Solartechnik bis zum Flugzeugbau – zurückgreifen.

Bei einem einzigen Flügel einer 2,5-MW-Windkraftanlage kann man nach Angaben von GDC auf diese Weise etwa 50 bis 70% der Produktionskosten einsparen und Rotoren mit nahezu identischen Flächen oder Außenkonturen herstellen. Ein Hersteller, der diese Technik nutzt, profitiert also von einer deutlich schnelleren Produktion und entsprechend höherem Durchsatz – und die Flügel weisen aufgrund des Abgleichs von CAD-Daten und realen Abmessungen eine reproduzierbare Qualität auf. Das erleichtert das „Matching“ von Rotorblättern, die exakt gleiche Konturen und Laufeigenschaften aufweisen müssen, wenn sie in einer Windkraftanlage arbeiten.

Roboter besäumen und lackieren auch Windkraftanlagen-Rotorblätter

Ein weiterer Vorteil der robotergestützten Automatisierung besteht darin, dass sich das gleiche Prinzip auch für das Besäumen (Kantenbeschneiden) und die Lackierung der Rotorblätter nutzen lässt – das macht die Investition nochmals wirtschaftlicher.

Das Interesse von Unternehmen der Windkraftbranche, denen GDC Consulting eine erste Versuchsanlage für Rotorsegmente vorgestellt hat, war sehr groß, weil tatsächlich erstmals eine unangenehme Wiederholarbeit automatisiert wurde und eine wirtschaftliche Amortisation der Anlage zu erwarten ist.

Eine Fertigungsstation für komplette Windkraft-Rotoren wird zurzeit geplant

Zurzeit wird eine größere Fertigungsstation für komplette Rotoren geplant, die bei einem Windkraftanlagen-Hersteller beziehungsweise einem Rotorblatthersteller installiert werden soll. Das aber ist nur der erste Schritt für die Komplettautomatisierung der Windkraftanlagen-Fertigung.

GDC Consulting hat gemeinsam mit zwei spanischen Unternehmen das Acolus-Konsortium gegründet, in dem verschiedene Fertigungs- und Automatisierungskompetenzen gebündelt sind. Einer der beiden Partner, die Reyma S.L., entwickelt und fertigt unter anderem CNC-Maschinen zur Fertigung von Lagerringen und Flanschen der Blattlager von Windkraftanlagen.

Die Innendurchmesser der Lagerringe können bis zu 8000 mm betragen. Diese Maschinen sind mit einer patentierten selbstzentrierenden Aufspannvorrichtung ausgestattet. Damit ist die Voraussetzung für ein automatisiertes Zuführen und Aufspannen der Lager gegeben.

Großbearbeitungszentren fertigen Naben mit einem Gewicht bis 25 t

Zusammen mit GDC und der Prova S.L., einem Spezialisten für die Fertigung von Automatisierungstechnik, hat Reyma ein Konzept entwickelt, wie sich auch die Bearbeitung der bis zu 25 t schweren Naben automatisieren lässt. Dazu nutzt man Großbearbeitungszentren, die Reyma speziell für diese Aufgabe entwickelt hat. Diese Anlagen sind imstande, alle notwendigen Bearbeitungsvorgänge in einer Aufspannung zu erledigen.

Sie werden über Großladungsträger, die der Acolus-Konsortialpartner Prova S.L. auf der Basis seiner Erfahrungen mit Automatisierungskonzepten in der metallverarbeitenden Industrie entwickelt hat, automatisiert beschickt. Das ist angesichts der Größe der Komponenten nicht nur eine anspruchsvolle fertigungs- und automatisierungstechnische Aufgabe, sondern auch eine logistische Herausforderung.

Windkraftanlagen-Produktion kann durchgängig automatisiert werden

Mit diesem Fertigungskonzept kann die Acolus-Gruppe den Herstellern von Windkraftanlagen erstmals die durchgängige und harmonisierte Automatisierung der Fertigung anbieten. Damit geht die Produktion von Turm, Nabe und Rotor endlich den Schritt von der Manufaktur zur automatisierten Fertigung.

Und die Konsortialpartner sind davon überzeugt, dass der erste Hersteller, der dieses Konzept für sich nutzt, einen ganz entscheidenden Vorteil im Wettbewerb erlangt, weil er zentrale Komponenten wie Nabe, Turm und Flügel sehr viel schneller, kostengünstiger und mit absolut reproduzierbarer Qualität fertigen kann. Dieser Schritt ist nach Ansicht von Acolus längst überfällig, denn schließlich haben die Stückzahlen der Windkraftanlagen-Hersteller Dimensionen erreicht, die eine weitestgehend automatisierte Fertigung mehr als rechtfertigen.

Gunnar Drenkelfort ist Geschäftsführer der GDC Consulting GmbH in 33334 Gütersloh.

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