Profil im System

Wenn Sie heute ein Profil bei apt Hiller bestellen, dann erfolgt diese Bestellung in Form von Kilogramm ¿ Gewicht also. Geliefert wird aber in Meter ¿ wobei aufgrund von Toleranzen auch beim gleichen Profil nicht immer die gleiche Profillänge je Kilogramm Rohmaterial erzeugt wird. Bei eloxierten Profilen spielt außerdem die Oberfläche als Abrechnungseinheit eine Rolle.

Eine Herausforderung für jede Organisations- und IT-Plattform: Alle Kombinationen dieser Einheiten im Auftragsdurchlauf und bei der Preisfindung sind möglich und üblich. Sie müssen durch alle Fertigungsschritte im System ¿mitgezogen¿ und zu jeder Zeit beauskunftet werden, von der Preisfindung über die Disposition bis zur Verpackung und Faktura. Selbstverständlich müssen auch die Rundungen in allen Einheiten korrekt vollzogen werden.

Höchste logistische Anforderungen stellt die praktisch rein kundenauftragsbezogene Fertigung von rund 45.000 Tonnen Aluminiumprofilen an die Produktionsplanung des Strangpresswerkes apt Hiller. „Wir stoßen mit unserem Unternehmenswachstum sehr deutlich an unsere Grenzen“, erklärt Heinz Dickerboom, Leiter Informationstechnologie des Monheimer Unternehmens – und meint damit vor allem die Restriktionen des Betriebsgeländes. „Umso wichtiger ist es, die komplexe Produktions- und Materialsteuerung in einem leistungsfähigen System abzubilden, das ausreichende Transparenz und Sicherheit bietet und Zwischenlagerungen weitestgehend vermeidet.“Vier Strangpress-Anlagen unterschiedlicher Größe auf dem Betriebsgelände Monheim bilden den Kern des Unternehmens. Daneben produziert der Standort Roermond auf drei Pressen ein überwiegend komplementäres Produktspektrum im kleineren Querschnittbereich. Beide Werke arbeiten jedoch weitgehend selbständig, auch wenn Synergiepotenziale zunehmend genutzt werden. Bis auf wenige Lagerfertigungsaufträge, resultierend aus Rahmenvereinbarungen mit einigen Kunden, wird ausschließlich kundenauftragsbezogen produziert.

In Prozessen denken
Bereits im Jahr 2000 hatte man im Zuge des weiteren Wachstums ein selbstentwickeltes PPS-System mit einer Baan-Lösung ersetzt. Allerdings nur für kurze Zeit: „Wachsende Anforderungen und nicht zuletzt die wirtschaftliche Situation des Software-Herstellers haben sehr schnell dazu geführt, einen radikalen Schnitt zu vollziehen, und ein weiters Mal ein Standardsystem für den unternehmensweiten Einsatz und alle betrieblichen Funktionen auszuwählen und einzuführen“, begründet Heinz Dickerboom den zweiten Systemwechsel innerhalb von vier Jahren.Das bereits bestehende Key-User-Team prüfte vier Systeme ausführlich und entschied sich schließlich für Proalpha als künftige zentrale Organisations- und IT-Plattform. Die Gründe seien vielfältig gewesen erklärt Heinz Dickerboom. Zum einen habe es technische Argumente wie die komfortable Benutzeroberfläche und die abhängige Fenstertechnik gegeben. „Ebenso wichtig war aber die Erkenntnis, dass hier ein echter Mittelständler hinter der Software steht, der weiß und versteht, von was wir reden.“Aufgrund der komplexen Anforderungen war vor schon vor der endgültigen Auswahl klar, das keines der am Markt verfügbaren Standardsysteme ohne größere Anpassungen auskommen würde. Trotz des umfangreichen „Spezialitätenkatalogs“ orientierte sich die Projektgruppe an einem knappen Zeitplan: Nach dem Projektstart im März 2003 sollte das System bis auf die Personalabrechnung unternehmensweit zum Jahresanfang 2004 den Echtbetrieb aufnehmen. „Das hat zwar allen Beteiligten hohen Einsatz abgefordert, lief dann aber, anders als bei manchen vergleichbaren Projekten in anderen Unternehmen, erstaunlich glatt“, so Heinz Dickerboom. „Wir haben ohne Unterbrechung jeden Tag Aufträge erfasst, jeden Tag geliefert und auch jeden Tag Lieferscheine geschrieben und fakturiert. Während der Datenübernahme mit Hilfe einiger Tools wurde die Gelegenheit genutzt, den Datenbestand zu prüfen und zu bereinigen.Was in diesem Bereich weitgehend rein technisch und glatt ablief, ergab im Handling der Mitarbeiter zunächst einige unerwartete Hürden: „Das alte System wurde eher als Informationssystem genutzt, man konnte fast hineinschreiben wie in Word“, erklärt Heinz Dickerboom. Die neue Plattform dagegen durchdringt alle Prozesse sehr tief, es fängt beispielsweise mit einer Fülle von Plausibilitätskontrollen viele mögliche Fehler im Betrieb ab. Dazu müssen Daten natürlich diszipliniert eingegeben, und Aktivitäten sorgfältig abgearbeitet werden. „Plötzlich hatten die Mitarbeiter ihre gewohnten Excel-Listen nicht mehr, was einigen durchaus Probleme bereitet hat, zumal die Einsicht in bestimmte Anforderungen des Systems nicht immer da war. Aber recht schnell haben die Leute gelernt, in Prozessen zu denken und zu handeln.“Die sehr speziellen Abläufe im Unternehmen erforderten in einigen Funktionen tiefgreifende Anpassungen. Hier war es nicht mit Customizing getan, es musste teils programmiert werden. Während beispielsweise Finanz- und Anlagenbuchhaltung „glimpflich“ davonkamen, sprich weitestgehend im Standard laufen, mussten Vertrieb und Logistik intensiv überarbeitet werden, um die mehrstufigen Prozesse samt kompliziertem Materialfluss abzubilden. Der Vertrieb gibt die Aufträge direkt in die Disposition, die jede Nacht in einem Dispositionslauf Produktionsaufträge generiert und als Papier-Ausdruck bereitstellt. Die Arbeitsvorbereitung gibt die Belege in die Produktion, die sie in eine optimierte Reihenfolge bringt. Erster Produktionsschritt ist das Pressen.
Aus der Praxis
Auf den ersten Blick täuscht das Vorhandensein von Papier über den hohen Integrationsgrad und viele Automatismen hinweg: Proalpha ist an eine Vielzahl von Subsystemen angedockt, um den schnellen und fehlerfreien Datentransfer zu gewährleisten. „Darin liegt der größte Nutzen von, sonst bräuchten wir eine ganze Reihe von Mitarbeitern mehr, um die Durchsätze zu stemmen ¿ und das ginge zu Lasten der Wettbewerbsfähigkeit“, berichtet Heinz Dickerboom. Ist beispielsweise ein Prüfvorgang im Arbeitsplan vorgesehen, geht automatisch aus der Plattform eine Information zur Generierung eines Prüfauftrages an das QM-System (Hersteller Böhme & Weihs). Der Prüfauftrag steht nach wenigen Sekunden dem Mitarbeiter zur Verfügung. Kabellose Messgeräte wie Messschieber sind im Einsatz, die Daten werden bis zur Plattform durchgereicht und für die Dokumentation verwendet. Auch Prozessdaten der Pressen wie spezifische Gewichte der Profile und weitere wichtige Fertigungsparameter werden über die angepasste Rückmeldefunktion in Proalpha zurückgemeldet. Und diese Meldungen ziehen sich als Daten durch verschiedene Funktionen bis hin zur Faktura.Zweiter Schritt nach dem Pressen ist das Ablängen der Profile auf typischerweise sechs Meter und das Verbringen in Transportkörbe. Alle bei apt Hiller eingesetzten Körbe sind an beiden Enden mit einem eindeutigen Barcode gekennzeichnet. Mit dem Scannen der Codes von Auftragspapier und Korb werden Produkt und Korbnummer in der Plattform „verheiratet“ und zum Transport freigegeben. Das System erzeugt den Transportauftrag mit allen erforderlichen Informationen und sendet ihn an das Transportleitsystem der Automatikkrane. Das entscheidet auf Basis der Rückmeldedaten, welcher Korb als nächstes von wo nach wo zu transportieren ist. Augrund der sehr beschränkten Stellflächen und verschiedenster Prioritäten müssen komplexe Entscheidungen getroffen werden. Oberste Priorität hat üblicherweise der unterbrechungsfreie Betrieb der Pressen. Ob es dazu wichtiger ist, zunächst einen leeren Korb bereit zu stellen oder den vollen zu entnehmen ist von vielen Einflüssen wie Wegezeiten der Krane, Ziele und freien Stellplätzen abhängig. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass zwei Korbgrößen in Umlauf sind, die nicht miteinander stapelbar sind.Auch der dritte Produktionsschritt, die Behandlung im Ofen beeinflusst die Transporte: Wurde bei einer Kontrolle festgestellt, dass eine Charge Profile nachbearbeitet werden muss, geht per Terminal eine Rückmeldung an Proalpha, das den gesamten Materialfluss in einen Reparaturprozess umsteuert. Nach dem Ofen muss entschieden werden, ob das Material zwischengepuffert, in die Verpackung oder in die Oberflächenveredelung transportiert wird. Eine Einschienen-„U-Bahn“ (Shuttle), die in einem Tunnel auf einer Länge von circa 250 Meter unter einer öffentlichen Straße verkehrt, liefert die Körbe in der Eloxal-Anlage oder im Logistikzentrum auf dem erweiterten Firmenareal an. Auch diese Transporte sind einschließlich der Umladung initiiert und umfänglich in die automatische Logistik integriert.Die physische Weiche zum Eloxalwerk ist verbunden mit der automatischen Übergabe aller notwendigen Auftragsdaten. Die Automatikkrane sammeln alle zum Auftrag gehörenden Körbe aus den Pufferbereichen zusammen, das System übermittelt an das Steuerungssystem der Eloxalanlage die Auftragsdaten für Aufspannen, Eloxieren und Abspannen. Die Anlage meldet die Arbeitsschritte automatisch zurück.
Tiefe Integration mit einer Fülle von Subsystemen
Im vierten und letzten Schritt folgt das Verpacken, Verwiegen und automatische Rückmelden der Gewichte an das System. Die Identifikation der Ware findet auch in diesem Schritt durch Scannen der Korb-Barcodes statt. Das Scannen ist mit fest installierten Lesern oder drahtlosen Handhelds gleichermaßen möglich. Für jedes Packstück erzeugt Proalpha ein separates Etikett auf einem Arbeitsplatzdrucker. Die Etiketten sind kundenspezifisch gestaltet und mit unterschiedlichen Informationen versehen. Einige Kunden erhalten produktabhängig verschiedene Etikettentypen. Fertig verpackte – und gemeldete – Waren gelangen per Transportleitsystem (besagte „U-Bahn“) in das von einem externen Unternehmen betriebene Logistikzentrum. Die betriebswirtschaftlich korrekte Übergabe mit Werte- und Risikoübergang findet in einer Schleuse per Scan mit einem Handheld und Rückmeldung in Proalpha statt.Der Versand erhält den Auftragsvorrat mit einem entsprechenden Vorlauf. Den kann der Mitarbeiter sukzessive abarbeiten. Die Lieferscheinerstellung mit Zuordnung der Packstücke geschieht komfortabel im System, alle Packstücke eines Auftrags zeigt der Monitor an, auch Teillieferungen sind möglich und besonders gekennzeichnet. Die Daten aller Packstücke erhält der Spediteur automatisch per VPN-Zugang, er erzeugt daraus in seinem System Rollkarten mit einem Ladeplan für das eingeplante Fahrzeug und sendet die, ebenfalls per VPN, zurück auf einen Handheld im Logistikzentrum. Damit steht die genaue Reihenfolge der Beladung fest. Jedes Packstück der Ladung wird bei der Bereitstellung gescannt, eine Sicherheitsprüfung findet mit einem anschließenden Scan der gesamten Ladung und einer im Hintergrund laufenden Plausibilitätsprüfung statt. Per Knopfdruck werden für den Fahrer aus Proalpha alle Lieferscheine dieser Rollkarte gedruckt. Die Spedition liefert über VPN eine Transportquittung wenn der Lkw losfährt, diese gibt automatisch den Lieferschein für die Rechnungsschreibung frei. Da kein Transport mehr als einen Tag unterwegs ist, ist sichergestellt, dass die Rechnung nicht vor der Ware beim Kunden eintrifft.“Die extrem tiefe informationstechnische Verknüpfung der sehr unterschiedlichen Systeme, verhindert in hohem Maße Fehlbedienungen und Eingaben, beispielsweise Zahlendreher. Zudem ist nur so der schnelle Auftragsdurchlauf und die optimale Nutzung der knappen Stellflächen überhaupt möglich“, begründet Heinz Dickerboom die wohl einmalige Integrationsform einer so hohen Zahl verschiedener technischer Anlagen und Systeme. Und nur so ist auch der hohe Qualitätsstand zu halten und noch weiter auszubauen.

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