Produktions- und Qualitätsdatenbank ermöglicht Datenrückverfolgung

Sie drehen sich bis zu 200 000 Mal in der Minute, beschleunigen Frischluft, sorgen auch bei niedrigen Drehzahlen für die optimale „Atemluft“. Genau genommen sind es Windräder. Immer auf Hochtouren, von heißen Abgasen beschleunigt, machen sie im Dauereinsatz Verbrennungsmotoren Beine. Turbolader sind die kleinen Kraftwerke, die den Siegeszug des Dieselmotors vor allem im Pkw-Bereich wie kaum eine andere Technologie vorangetrieben haben. Sie sind extremen Beanspruchungen wie Temperaturen von bis zu 1050 °C und Drücken bis 3 bar ausgesetzt.

Bei Borg Warner Turbo Systems in Kirchheimbolanden hat ein Entwicklerteam um Dipl.-Ing. Andreas Adlhoch die Qualitätskontrolle und Produktqualität von Turboladern in neue Bahnen gelenkt. Unterstützt durch die ID-Reader Data-Man 7500 und Data-Man 100 und das Vision-System Insight 5110 von Cognex ist ein lückenloser Prozess der Datenrückverfolgung entstanden, der Vorbildcharakter hat.

Von den ersten Schritten der Teilemontage bis zur Endkontrolle werden alle wichtigen Fertigungsparameter erfasst, geprüft und zur Weiterverarbeitung in der zentralen Produktions- und Qualitätsdatenbank von Borg Warner gespeichert. Auf diese Weise lassen sich nicht nur Fehler in der Herstellung minimieren. Auch bei nachträglich auftauchenden Defekten können mit der Datenbiografie des Turboladers dessen Herstellungsbedingungen rekonstruiert werden.

So lassen sich etwaige Forderungen von Automobilherstellern ausschließen oder im Zweifelsfall auf eine minimale Stückzahl begrenzen. Ebenso trägt die ständige Validierung der Prozessschritte anhand der bereits gesammelten Datensätze aus vorgelagerten Arbeitsgängen zur Fehlervermeidung bei. Das System der Datenrückverfolgung ist damit ein proaktives Werkzeug. Diese Umstände bedeuten für den Automobilzulieferer eine enorme Kostenersparnis.

Schnell und einfach codiert

Bei Borg Warner Turbo Systems verlassen rund 3,5 Mio. Turbolader im Jahr die Fertigungsanlagen. Mehr als 2000 Mitarbeiter kümmern sich um Produkte, Märkte und Entwicklung. Ein kleines Team aus drei Spezialisten hat mit seinen innovativen Ideen maßgeblich zum Erfolg des Unternehmens beigetragen. Andreas Adlhoch, Arno Radmacher und Benny Freund haben gezeigt, dass man mit intelligenten Lösungen und hochwertigsten Technologien Enormes leisten kann.

Ziel des Projekts „Datenrückverfolgung an ATL BV39 im Produktionscenter PSC7“, das Anfang 2006 startete, war die Datenrückverfolgung durch Rumpfgruppencodierung. Die Rumpfgruppe ist der erste komplexe Produktionszustand des Turboladers, auf dem alle weiteren Bauteile montiert werden.

Mit Hilfe von hochwertigen ID-Readern wie dem Data-Man 7500 und dem Data-Man 100 sollte die Identifizierung eines individuellen Codes möglich werden, der das Bauteil als eine Art „Herstellungsbiografie“ begleitet. Entschieden hat man sich nach einigen Testläufen als Code-Träger für ein Klebeetikett mit aufgedrucktem 2D-Matrix-Code. Dies bietet den Vorteil, dass sich die Bauteile schnell und einfach codieren lassen. Ein weiteres wichtiges Argument für die Wahl des zweidimensionalen Codes war dessen hohe Datensicherheit durch fehlerkorrigierende Terminologie. Selbst wenn der Code verschmutzt ist, ist er problemlos auszulesen.

An jedem relevanten Arbeitsplatz hat man einen kompakten Industrie-PC installiert, den eine RS232-, USB- oder Ethernet/WLAN-Schnittstelle mit der angeschlossenen Geräteperipherie verbindet. Ganz wichtig ist dabei die exakte Identifikation der Codes mittels Kamerasystemen. An jeder Arbeitsstation scannen die Monteure mit dem Data-Man 7500 den Code und zeigen dem System damit den nächsten Arbeitsvorgang an. Die in dem nun folgenden Prozessschritt anfallenden relevanten Daten können so genau der aktuell vorliegenden Rumpfgruppe zugeordnet werden.

Das Datensystem gibt Arbeitsschritte und Kontrollkriterien vor und entscheidet nach Abschluss der Arbeiten über die Freigabe des Bauteils. Beispielsweise legt man den Toleranzbereich von geregelten Turboladern händisch mittels gekonterter Einstellmuttern fest. Das System kontrolliert dabei, ob der eingestellte Bereich den Vorgaben entspricht, und gibt das Bauteil so lange nicht zur Weiterverarbeitung frei, bis dies absolut korrekt justiert ist. An anderer Stelle kontrolliert Borg Warner mit dem Data-Man 100 auch den Datenfluss beim Betriebsauswuchten und stellt so sicher, dass der Turbolader garantiert rund dreht.

Genadelt und geprüft

Basis der Datenrückverfolgung sind die Codes selbst. Generiert von der Borg-Warner-Datenbank, stehen sie auf Abruf dem Codedrucker zur Verfügung. Ein Klebeetikett, das ein Mitarbeiter von Hand am Arbeitsplatz der Rumpfgruppenmontage aufbringt, erhält einen Aufdruck mit Data-Matrix-Codebild und zusätzlicher Klarschrift. Erste Schritte für direkt markierte Rumpfgruppen wurden in der Praxis positiv getestet. Die Anforderungen sind hoch, denn es handelt sich um schwer zu lesende, direkt aufgedruckte Codes auf rauhen und unebenen Gussoberflächen.

Die mit den Cognex-Systemen gescannten Codes werden mit den Daten der verschiedenen Mess- und Montagestationen verknüpft und in die Datenbank von Borg Warner geschrieben. Zur erhöhten Sicherheit sind alle Daten für einen festgelegten Zeitraum auf dem Rechnersystem zwischengespeichert. Über WLAN mit dem Firmennetzwerk verbunden, tauscht der Rechner die Datensätze mit dem Datenbankserver aus. Dies ermöglicht auch die Fernwartung der Computer und der verbundenen Lese- und Druckeinrichtungen.

Abschließend erhalten die BV39-Typenschilder einen aufgenadelten Data-Matrix-Code nach Kundendefinition. Dabei wird ein 6 mm × 6 mm großer Data-Matrix-Code innerhalb eines Sekundenbruchteils mittels eines Cognex-Vision-Systems In-Sight 5110 auf seine Codegüte hin geprüft. So ist auch nach der späteren Zerstörung der Klebeetiketten durch thermische Einwirkung eine Verknüpfung der erfassten Einstell- und Montagewerte mit der Typenschildnummer über die Datenbank sichergestellt.

Frank Weigel ist European Technical Manager bei der Cognex Germany Inc. in 76131 Karlsruhe.

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Frank Weigel MM MaschinenMarkt

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