Passgenaue Kabel sind Lebensadern von Tunnelbohrmaschinen

Zentimeter für Zentimeter kämpfen sich die riesigen Tunnelbohrmaschinen – auch TBM genannt – von Herrenknecht durch die Unterwelt. Mit größter Präzision schaffen sie Platz unter der Erde, um kilometerlange Straßen- oder Eisenbahntunnel „aufzufahren“. Die Vortriebsmaschinen sind bis zu 400 m lang. Die Antriebe und Steuerungen der Großformat-Bohrmaschinen werden mit genau spezifizierten Kabeln und Leitungen mit Energie, Steuersignalen und Daten versorgt.

Bohrmaschinen-Schneidrad hat Durchmesser bis 19 m

Kernstück einer TBM ist das mit Schälmessern und Schneiderollen – auch Disken genannt – dicht bestückte Schneidrad, das einen Durchmesser bis zu 19 m aufweisen kann. Mit über 300000 kN bei einem Druck von 400 bar pressen sich die größten Herrenknecht-Aggregate unaufhaltsam durch jeglichen Untergrund.

Im neuen Gotthard-Basistunnel, der 2017 mit einer Länge von 2 × 57 km als längster Eisenbahntunnel der Welt ans Netz geht, bohren sich gleich vier TBM durch den eidgenössischen Fels – und schaffen dabei Wochenbestleistungen über 120 m.

Kabel versorgen zehn Motoren mit insgesamt 3500 kW Leistung

Ohne robuste Kabel und Leitungen geht dort nichts. Sie bilden die Lebensadern und Nervenstränge der „Riesennager“. Die notwendige elektrische Energie wird über eine Vielzahl von dreiadrig ausgeführten Mittelspannungskabeln zugeführt und auf mehrere Motoren verteilt. So werden die jeweils 60 Schneiderollen der Vortriebsmaschinen mit den Namen „Gabi 1“ und „Gabi 2“, die am Gotthard im Einsatz sind, über insgesamt zehn Motoren mit einer Gesamtleistung von 3500 kW vorangetrieben.

Weitere Antriebe sind beispielsweise auch zur Abraumbeseitigung notwendig. Zusätzlich überzieht ein lückenloses Netz von Daten- und Sensorleitungen jede TBM – und das in ihrer ganzen Ausdehnung: Dort gibt es jede Menge zu messen, kontrollieren und dirigieren. Das Spektrum reicht von Temperaturen bis zu mechanischen Größen wie Drücken, Momenten oder Drehzahlen .

Im Einsatz sind auch Sensoren zum Aufspüren gefährlicher Gase, die unter Tage auftreten können. Weitere Sensorik hilft, das schwere Bohrgerät per Computer zentimetergenau zu dirigieren und mögliche geologische Problemzonen rechtzeitig zu erkennen.

1400 km Elektrokabel werden pro Jahr benötigt

Angesichts dieser Vielzahl von Aufgaben und Funktionen verwundert es kaum, dass Herrenknecht allein im letzten Jahr fast 1400 km Elektrokabel in seinen gigantischen Maschinen verbaut hat. Wichtigster Lieferant ist die TKD, die mit einem Sortiment von über 20000 standardnahen Spezialkabeln aufwartet und damit zu den größten Anbietern von katalogbasierten Kabeln in Deutschland gehört.

Im Schnitt stecken in jeder TBM fast 8 km Leitungen von TKD. Der überwiegende Teil wurde direkt aus dem gut 650 Seiten dicken Katalog ausgewählt. In erster Linie handelt es sich dabei um erprobte, schwere Gummischlauchleitungen, die auf Baustellen und unter Tage harten mechanischen Beanspruchungen ausgesetzt sind. Als Mantelmaterial bewährt sich dabei das unter dem Handelsnamen Neoprene bekannte Polychloropren, ein synthetischer Kautschuk.

Anschlussleitungen sind auch halogenfrei erhältlich

Wahlweise gibt es die standardisierten Anschlussleitungen auch in halogenfreier Spezial-Elastomer-Ausführung. Sie stammen ebenfalls aus dem Katalog und kommen immer dort zum Einsatz, wo lokale Vorschriften zur elektrischen Sicherheit oder in Sachen Brandschutz gelten. Über das skaliert aufgebaute TKD-Portfolio sind die Herrenknecht-Leitungen in verschiedensten Standard-Querschnitten verfügbar.

Geht es etwa um reine Leistungskabel für so genannte Hardrock-Gripper, die gegen härteste Felsen anbohren müssen, sind in kurzer Zeit Kabel mit entsprechend großen Leitungsquerschnitten verfügbar. Sollen leistungsärmere Antriebe versorgt werden, lassen sich schnell und sicher schlankere Powerleitungen aus dem Katalog auswählen. Zeit und Kosten sprechen – außer ihrer Zuverlässigkeit – für die Katalogware. Nur in Ausnahmefällen, etwa bei besonderen Hybridleitungen, setzt Herrenknecht auf maßgeschneiderte Kabellösungen.

Bei der Logistik wird ein System eingesetzt, bei dem die Herrenknecht-Fertigung in Südbaden nach dem Just-in-Time-Prinzip mit den passenden Leitungen versorgt wird. Sie werden auf besonders markierten Trommeln so angeliefert, dass es an den unterschiedlichsten Abladestellen keine Irrläufer gibt und der Zeitaufwand für die Installation minimiert wird.

Standardisierte Spezialkabel machen sich bezahlt

Auch an den Baustellen macht sich der Einkauf von standardisierten Spezialleitungen bezahlt. Die gängigsten Kabel werden in der Werkstatt vor Ort auf Trommeln oder in Ringen vorgehalten. Sie sind schnell und sicher verfügbar, wenn bei der vorbeugenden Instandhaltung der Tunnelbohrer auch die eine oder andere Leitung ausgetauscht wird. Je schneller die TBM instandgesetzt werden können, um so besser kann der Zeitplan der genau getakteten Bauarbeiten eingehalten werden. Auch dort kommt es aufs richtige Timing an.

Zeit ist auch bei Herrenknecht bares Geld. Zu den Sonderleitungen, die das Unternehmen regelmäßig ordert, gehört ein kompaktes Hybridkabel. Diese Leitung, die so in keinem Katalog gelistet ist, steht für einen multifunktionalen Mix: Sie enthält ein Profi-buskabel, eine Videoleitung, eine Telekommunikationsleitung sowie Kabel zur Spannungsversorgung für bis zu 520 V.

Hybridkabel ist keiner Zugbelastung ausgesetzt

Die Leitung wird bis zu einer Länge von 1000 m verwendet. Sie wird als Fernsteuerung der kompakteren und kleineren Micro-Maschinen genutzt (Bild 3). Das Hybridkabel ist zwar keiner Zugbelastung ausgesetzt, es muss sich aber ebenfalls im rauen Baustellenbetrieb bewähren.

Neben TBM für horizontale Tunneleinsätze bietet Herrenknecht seit einiger Zeit auch vertikales Bohrgerät an. Projektiert ist es unter anderem für die Geothermie, wo es bis zu 6000 m tief ins Erdreich geht. Um die Maschinen für diese Einsätze fit zu machen, werden aktuell besondere Mantelmischungen für deren Verkabelung festgelegt.

Ralf Domek ist Geschäftsführer der TKD Kabel GmbH in 41334 Nettetal.

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