Neue Chancen für die Blechbearbeitung

Die Gründe für das Wachstum der Medizintechnik-Industrie liegen auf der Hand: das steigende Durchschnittsalter der Weltbevölkerung und der damit verbundene erhöhte Bedarf an entsprechender Technik, um die Versorgung im Krankheitsfall realisieren zu können. Da die Medizintechnik nach wie vor mit stabilem Zuwachs rechnet, ist sie für Firmen, die Know-how-intensive Blech- und Metallprodukte herstellen, von zunehmendem Interesse, beispielsweise für die Micrometal GmbH aus Müllheim (Baden).

Inline-Ätzen für Präzision und große Stückzahlen

Basierend auf dem photochemischen Ätzen fertigt das Unternehmen in sehr hohe Stückzahlen metallische Präzisionskomponenten mit höchster Genauigkeit. Der angewandte Inline-Ätz-Prozess ist dabei insbesondere für die Bearbeitung dünner Bleche mit sehr feinen Strukturen geeignet, welche enge Toleranzen erfordern. Die Lieferung der Ätzteile kann auf Endlosspulen erfolgen.

„Das Ätzverfahren von Micrometal ist gegenüber Lasertechniken gerade bei großen Stückzahlen wesentlich produktiver und wirtschaftlicher. Die Einzelteile lassen sich quasi endlos im Band fertigen, was wiederum enorme Vorteile für eine automatisierte Weiterverarbeitung bringt“, unterstreicht Geschäftsführer Marzellinus Zipfel die Vorteile des Verfahrens. Im Gegensatz zu anderen formgebenden Fertigungstechniken entstünden beim Ätzen im Material keine Spannungen oder Veränderungen der Materialstruktur durch Energieeintrag, wie beispielsweise beim Lasern oder beim Verformen durch Stanzen und Prägen.

„Als spezielle Herausforderung der Medizintechnik an uns sehen wir die Ausrichtung unserer Qualitätssysteme an die Richtlinien und Erwartungen nach ‚Good Manufacturing Practice’ – kurz GMP – sowie nach nationalen und internationalen Zulassungsbehörden“, hebt er hervor. Geschäftsführer Zipfel hält die im Frühjahr 2010 stattfindende Medizintechnikmesse Medtec Europe deshalb auch für eine gute Gelegenheit, das Ätzverfahren mit Blick auf die Großserie dem Fachpublikum vorzustellen.

Er betont: „Wir erwarten, dass sich der Einsatz von Komponenten aus der Mikrosystemtechnik in Diagnostik und Therapie beschleunigt.“ Die Produkte von Micrometal werden heute bereits bei der Invitrodiagnostik, der Dentalorthopädie und als Teil von Drug-Delivery Patches eingesetzt.

Metallspezialist ist Global Player in der Stentherstellung

Das Unternehmen Meko mit Sitz in Sarstedt bei Hannover hat bereits vor 15 Jahren den Medizintechnik-Markt für sich entdeckt und ist inzwischen ein Global Player in Sachen Stentherstellung durch den Einsatz von Laserbearbeitungstechnik geworden. Ausgangsprodukt für die Fertigung von Stents, die in der Kardiologie und Herzchirurgie angewandt werden, sind dünnwandige Rohre aus hochwertigen Metallen mit einem Durchmesser von 1,2 bis 2 mm.

Die ebenso komplexen wie filigranen Gitterstrukturen werden mittels hochpräziser Laserschneidtechnologie erzeugt. Aufgrund der hohen Anforderungen werden medizinische Edelstähle und Nickel-Titanium im Herstellungsprozess verwendet.

Toleranzen im Mikrometerbereich einhalten und nachweisen

Eine besondere Herausforderung für die Metallbearbeitung stellen hierbei die Einhaltung der Toleranzen im Mikrometerbereich sowie deren Nachweis per Protokoll, eine einwandfreie Schneidqualität, die Einhaltung von weltweit geforderten Qualitätsnormen und die möglichst geringe thermische Belastung der Bauteile dar. „Hierzu sind entsprechendes Prozess-Know-how und qualifizierte Mitarbeiter erforderlich“, sagt Martin Kundrus, Projektingenieur bei Meko. Auch er beobachtet, dass die Medizintechnikbranche noch nicht von der weltweiten Krise betroffen ist.

Für Kundrus kommen die zum Laserbohren alternativen Herstellungsverfahren mechanisches Bohren und chemisches Ätzen kaum in Frage: „Unser Schwerpunkt liegt auf dem Laserbohren, da sich damit Fertigungstoleranzen besser kontrollieren lassen“. Meko bietet die verschiedenen Prozessschritte der Stent-Fertigung an, angefangen bei der Herstellung von Prototypen bis zur Serienfertigung mit Tausenden von Teilen.

Aufträge für die Medizintechnik bedeuten Verantwortung für Menschenleben

Auch andere Maschinenbauunternehmen und Blechbearbeiter haben in der Medizintechnik mit ihren Produkten Fuß gefasst. Einer der Marktführer für pharmazeutische Drug-Delivery-Systeme (Arzeneimittel-Applikationssysteme, wie beispielsweise Astma-Spray-Dosen) ist beispielsweise Presspart Manufacturing Ltd., ein Unternehmen der Heitkamp & Thumann Group.

Presspart stellt für die pharmazeutische Industrie zahlreiche Spezialteile aus Metall und Kunststoff her sowie hoch komplexe Spezialkomponenten, die höchste Präzision und Qualität erfordern. Drei Viertel aller weltweit benutzten Inhalatoren enthalten Komponenten von Presspart.

Neu im Potfolio des Unternehmens ist eine speziell eloxierte Aluminiumdose und ein Messventils aus rostfreiem Stahl zur Verwendung in neuen Insulin-Inhalatoren. Diese Vorrichtung ersetzt die sonst erforderlichen Injektionen und könnte das Leben vieler Diabetiker revolutionieren.

Medizintechnik verlangt Qualität von Anfang an

Fortschrittliche Produktionsmethoden sind bei Presspart nicht der einzige wichtige Faktor. Auch die Qualität muss von Anfang an stimmen. Schließlich trägt das Unternehmen eine große Verantwortung, da die Produkte von Millionen Patienten mit Asthma und anderen Atemwegserkrankungen genutzt werden.

Reinräume reduzieren deshalb im Unternehmen soweit wie möglich die Gefahr einer Kontaminierung der kritischen Komponenten. Mehrstufige Kontrollprozesse, abschließende automatisierte 100-Prozent-Prüfungen und Analyselabore machen eine anschließende Qualitätsüberprüfung durch den Kunden überflüssig.

BVS Blechtechnik setzt ebenfalls auf Medizintechnik

Auch die BVS Blechtechnik GmbH ist seit dem Bestehen des Unternehmens im Jahr 1989 im Bereich Medizintechnik aktiv. Die Gründe für das Engagement in dieser Sparte fasst Geschäftsführer Harald Steiner wie folgt zusammen: „Die Produkte sind ‚stabiler‘ als in anderen Bereichen. Das heißt, es gibt weniger Änderungen, wenn die Produkte erst einmal in Serie sind. Außerdem ist die Produktlebenszeit in der Regel länger“.

Die Böblinger produzieren verschiedene Blechteile, Gehäuseteile und Gehäuse zum Beispiel für Wehenschreiber, Patientenintensiv-Überwachungsmonitore, Blutanalysesysteme, Dentaltechnik und Dialysegeräte. Dass sich der Herstellprozess bei Medizintechnik-Teilen vom Herstellprozess für ‚herkömmliche‘ Blechteile unterscheidet, darüber ist man sich auch in Böblingen bewusst. „Die Anforderungen sind andere, höhere – schließlich hängt an dem fertigen Produkt ein Menschenleben. Die Qualitätsansprüche an die Oberfläche und Vorgaben zur Grat-Freiheit sind entsprechend hoch. Zum Teil ist auch der Dokumentationsaufwand höher“.

Präzisionsbearbeiter haben im Bereich Medizintechnik sehr anspruchsvolle Kunden

Doch die Ansprüche der Kunden steigen weiter: Die Lieferzeiten verkürzen sich, der Qualitätsanspruch nimmt zu und die Toleranzen werden enger. Erwartet werden zudem eine umfangreiche Materialhaltung, unkomplizierte Bemusterung sowie Added-Values wie erweiterte Analysemöglichkeiten oder Kontrollen. Zudem sollen die Hersteller als Partner in Entwicklungsfragen für ihre Kunden fungieren.

So attraktiv der Markt der Medizintechnik ist, wer dort Fuß fassen möchte, muss einige Besonderheiten der Branche beachten. Das bekräftigt auch Gregor Bischkopf, Messemanager der Medtec Europe des Veranstalters Canon Communications LLC: „Unternehmen aus artverwandten Märkten, in denen Präzisionsbearbeitung gefordert ist, stellen immer wieder fest, dass die Eintrittsbarrieren in den Markt für Medizintechnik relativ niedrig und mit einem überraschend geringen Aufwand zu meistern sind. Interessierte Firmen müssen sich allerdings bewusst sein, dass die Aufträge aus der Medizintechnik oftmals vergleichsweise kleine Stückzahlen betreffen, die einen hohen Präzisionsgrad erfordern. Der Preisdruck in der Medizintechnik ist hingegen im Vergleich mit anderen Märkten gering, so dass ein niedriges Auftragsvolumen nicht unbedingt mit kleinem Auftragsumsatz gleichzusetzen ist.“

Auf die Medtec angesprochen, sagt der Messemanager: „Die Messe ist für Blechbearbeiter bestens geeignet, um den Eintritt in den Markt für Medizintechnik zu nutzen. Interessant ist, dass die Besucher mehrheitlich mit konkreten Projektplänen zur Messe kommen.“

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