Instrumentenfertigung – Symbiose aus Hightech und Handarbeit

Als Begründer der modernen Medizin gilt Hippokrates. Bereits damals, vor rund 2500 Jahren, waren über 200 verschiedene Instrumente bekannt. In den folgenden Jahrhunderten wurde die Weiterentwicklung der Instrumente von einzelnen Ärzten geprägt. Aufgrund ihrer Vorgaben stellten geschickte Handwerker kunstvoll verzierte Instrumente her. Im 19. und 20. Jahrhundert begann die Instrumentenherstellung im großen Stil. Die bis dahin verwendeten Schmuckelemente wie Elfenbein, Gold und Silber verschwanden. Schnörkellose, auf Hochglanz polierte Instrumente aus Stahl waren fortan das Handwerkszeug von Chirurgen.

Vielfalt des Instrumentariums hat enorm zugenommen

Zu Beginn der chirurgischen Medizin war die Vielfalt des Instrumentariums noch einigermaßen überschaubar. Das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Seit über 140 Jahren begleitet der weltweit größte Hersteller chirurgischer Instrumente, die Aesculap AG aus Tuttlingen, aktiv die Entwicklung der Chirurgie. Der Name Aesculap steht für hochwertige Produkte und innovative Lösungen für alle chirurgischen Disziplinen. Mit mehr als 20 000 Produkten bietet Aesculap ein breit gefächertes Portfolio, das kontinuierlich weiterentwickelt wird.

Warum es diese Vielfalt im Bereich der chirurgischen Instrumente gibt, erläutert Gerhard Frey, Bereichsleiter Marketing Surgical Technologies: „Das Portfolio ist deshalb so umfangreich und vielfältig, weil die menschliche Anatomie sehr unterschiedlich ist. Die von der jeweiligen Anatomie abhängigen Szenarien während einer Operation erfordern chirurgische Instrumente in unterschiedlichsten Formen und Abmessungen. Ebenso trägt die Verwendung teilweise landes- und krankenhausspezifischer Instrumentenmodelle zur Mannigfaltigkeit des Angebots bei. Und nicht zuletzt wird die Instrumentenwahl während der Ausbildung durch die Präferenzen des Chirurgen beeinflusst.“

Instrumente für Chirurgen aller Disziplinen

Als Instrumentenwerkstätte 1867 gegründet, hat sich Aesculap im Laufe der Zeit zu einem Komplettanbieter und Kooperationspartner für Chirurgen aller Disziplinen entwickelt. So bietet das Unternehmen, das als Sparte in den Konzern der B. Braun Melsungen AG integriert ist, heute alles, was der moderne Chirurg zum Operieren benötigt. Neben chirurgischen Instrumenten für die offene und endoskopische Chirurgie gehören zum Produktprogramm chirurgisches Nahtmaterial, Sterilcontainer, Lagerungs-, Motor- und Navigationssysteme, Produkte für die Kardiologie sowie Implantate für die Schwerpunkte Orthopädie, Neuro- und Wirbelsäulenchirurgie.

Regeln setzt das Medizinproduktegesetz

Wer nun meint, aufgrund dieser großen Anzahl und Vielfalt bedürfe es keiner weiteren Instrumente mehr, der irrt. „Kontinuierlich entwickeln wir unser Portfolio mit neuen und innovativen Produkten weiter“, betont Frey und ergänzt: „Dies geht nur im stetigen Dialog mit dem Anwender. Dadurch entstehen medizintechnische Systemlösungen, die neue oder veränderte Operationstechniken erst möglich machen. Dabei stellt der hohe Anspruch der Anwender für Aesculap stets die Herausforderung dar, die hohe Qualität immer weiter zu optimieren“.

Qualität und Präzision von Aesculap-Instrumenten kommen nicht von ungefähr. Bereits im Entwicklungsprozess werden sämtliche Anforderungen an das neue Instrument bis ins kleinste Detail definiert. Die Herstellung medizintechnischer Produkte ist bestimmten Regeln unterworfen. Die gesetzliche Basis hierfür bildet das Medizinproduktegesetz. Das Aesculap-Qualitäts- Managementsystem ist nach unterschiedlichen internationalen Standards wie der DIN EN ISO 13485:2008 und auch nach den gesetzlichen Anforderungen der MDD 93/42/EEC zertifiziert.

„Jedoch planen und fertigen wir nach einer eigenen, strengen Qualitätsnorm, welche die im DIN/ ISO-Standard erlaubten Toleranzen in vielerlei Hinsicht nochmals enger eingrenzt. Dieser eigene, höhere Aesculap-Qualitätsstandard sichert die exakte Reproduzierbarkeit von Instrumenten identischer Maße, Präzision und Qualität“, betont Frey.

Hohe Anforderungen an Teilefertigung

Auch an die Fertigung der Teile – ein Instrument kann aus bis zu 90 Einzelteilen bestehen – werden hohe Anforderungen gestellt. Eine Besonderheit bei medizintechnischen Produkten sind neben den nach Zeichnung auszuführenden Bauteilmaßen vor allem Sauberkeit, Gratfreiheit und Oberflächengüte. „Die Gratfreiheit ist bei Implantaten unabdingbar, da sich Grate unter Umständen im Gebrauch, also im implantierten Zustand, lösen und in das Körpergewebe eindringen oder wegen ihrer Scharfkantigkeit zu Beschädigungen von anderen Bauteilen, besonders Kunststoffkomponenten, führen können“, weiß Dr.-Ing. Wolf-Dieter Kiessling, Geschäftsführer der Beutter Präzisions-Komponenten GmbH & Co. KG in Rosenfeld.

Das Unternehmen fertigt Komponenten für chirurgische Geräte, beispielsweise fixierende Schraubendreherklingen, und sehr viele unterschiedliche Implantate wie Spezialschrauben, Komponenten für die Wirbelsäulenchirurgie, Teile für Herzschrittmacher und implantierbare Blutpumpen, Mittelohrimplantate und Portsysteme. „Bei letzteren führen wir auch selbstständig und in Verbindung mit unseren Kunden Entwicklungen durch“, so Kiessling.

Auch die Ästhetik spielt eine Rolle

Häufig spielt aber auch die „Ästhetik“ eine Rolle. Medizintechnische Teile müssen optisch hochwertig aussehen. „Deshalb sind Bearbeitungsspuren, Kratzer und Beschädigungen auch kleinster Art nicht zulässig“, so Kiessling. Selbst wenn diese für die Funktion des Bauteils nicht relevant sind, wird von einem Hersteller von medizintechnischen Geräten und insbesondere Implantaten erwartet, dass Erzeugnisse für diesen Einsatzfall optimal aussehen.

Außer mechanisierten und galvanischen Verfahren wie Gleitschleifen und Elektropolieren fällt besonders bei Kleinserien ein erheblicher Aufwand durch manuelles Entgraten und Polieren an. „Dazu werden besonders geschulte Fachkräfte eingesetzt, die entsprechende feinmotorische Fähigkeiten besitzen müssen, aber auch zuverlässig über einen längeren Zeitraum unter dem Mikroskop gleichmäßig und gewissenhaft arbeiten können“, erläutert Kiessling.

Die Gratfreiheit und Oberflächenbeschaffenheit wird durch optische Methoden, insbesondere mit visueller Prüfung unter Mikroskopen festgestellt und gewährleistet. Daneben kommen messtechnische Methoden der technischen Rauheitsmessung oder Glanzmessung zum Einsatz. „Wir verfügen über Messgeräte, mit denen wir Werte deutlich unter 1 µm erfassen und dokumentieren können.“

Edelstahl – für chirurgische Instrumente der Werkstoff der Wahl

Chirurgische Instrumente werden heute in der Regel vollständig aus Edelstahl hergestellt. Zunehmend kommen jedoch auch Werkstoffe wie Titan, Polymere oder Keramik, oft in Kombination mit Edelstahl, zum Einsatz. Ein gutes Beispiel dafür ist die bipolare Schere. Dieses Instrument besteht aus einem Metallkern, der mit einer Stahl-Keramik-Technologie am Scherenblatt bestückt ist.

Das gesamte Instrument ist mit einer hochisolierenden Kunststoffbeschichtung umspritzt. Damit kann der Chirurg nicht nur schneiden, sondern gleichzeitig präparieren und koagulieren, also Blutungen mit Hilfe von HF-Strom stillen. Alle diese Werkstoffe müssen den Anforderungen beim Aufbereitungsprozess in einer Klinik standhalten, sie müssen die Reinigung mit teilweise hochalkalischen chemischen Reinigungsmitteln und die Dampfsterilisation bei 134 °C oft über Jahre überstehen.

Um diesen Aufwand zu vermeiden, können steril verpackte Einmal-Instrumente, sogenannte Single Use Surgical Instruments, verwendet werden. Bei diesen Instrumenten ist es gelungen, die Eigenschaften von Qualitätsinstrumenten aus Metall auf ein Instrumentarium aus einem leichten Hochleistungspolymer zu übertragen. Um möglichst jeden Materialfehler im Vorfeld auszuschließen, wird jede Rohmaterialcharge zusätzlich zu den höchsten Qualitätsvorgaben aufwändigen Testverfahren im Aesculap-eigenen Labor unterzogen.

Herstellung der Instrumente ist aufwändig

Die Herstellung chirurgischer Instrumente ist ein aufwändiger Prozess. Schon für die Fertigung einer einfachen Arterienklemme werden über 60 Arbeitsgänge benötigt. „Das Betreiben einer eigenen Schmiede sowie eines eigenen Werkzeugbaus stellt für uns einen wichtigen Qualitätsaspekt dar“, erklärt Thomas Zeilfelder, Leiter Werksorganisation Instrumente bei Aesculap.

Die Rohteile werden auf modernen Bearbeitungszentren produktspezifisch weiterverarbeitet. „Ein besonders gutes Beispiel für Fräspräzision ist die Mikroschere. Das filigrane, detailreiche Griffstück und das Arbeitsende werden aus einem massiven Stück Stahl oder Titan herausgefräst und anschließend von unseren Chirurgiemechanikern zu einem hochpräzisen Instrument zusammengefügt. Das Know-how und die langjährige handwerkliche Erfahrung unserer Chirurgiemechaniker sind entscheidende Faktoren für das Erreichen der hohen Aesculap-Qualität. Das Bewusstsein, dass Präzision, Funktionalität und Handhabung der hergestellten chirurgischen Instrumente nicht selten einen lebensrettenden chirurgischen Eingriff beeinflussen können, ist bei jedem Mitarbeiter präsent“, stellt Zeilfelder klar.

Kompromissloses Zusammenspiel von Form, Abmessungen, Funktion und Oberflächengüte

Ein perfektes Instrument muss alle Anforderungen überzeugend erfüllen. Kompromisslos müssen Form und Abmessungen zusammen mit einer optimalen Funktion und bester Oberflächengüte in Einklang gebracht werden. Bevor die Instrumente beim Anwender ihren langjährigen Einsatz antreten können, müssen sie sich nach zahlreichen Zwischenkontrollen einer letzten Prüfung unterziehen. In der Endkontrolle wird nochmals jedes Detail sorgfältig bewertet.

„Nur ein Produkt, das den hohen Ansprüchen gerecht wird, erhält sein offizielles Qualitätssiegel, den Schlangenstab mit Krone, und findet seinen Weg zum Anwender“, betont Frey. Die Kombination aus wissenschaftlichem Austausch, kompetenter Forschungs- und Entwicklungsarbeit, zeitgemäßem Qualitätsmanagement und modernsten Fertigungsmethoden lassen heute medizintechnische Produkte entstehen, die den Fortschritt der Medizin aktiv begleiten und mitgestalten.

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Bernhard Kuttkat MM MaschinenMarkt

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