Hybrider Träger und Schlepper

In einem sehr engen Zeitfenster bauten der Logistikdienstleister LMS im Saarland und der FTS-Lieferant DS Automotion den Bereich der Montage von Motoren für Ford um.

DS Automotion erhielt von LMS Logistik-Magazin Saarlouis den Auftrag über die Installation eines neuen Fahrerlosen Transportsystems, das eine Altanlage ersetzen sollte. Die zur Ferrostaal Automotive gehörende LMS ist ein Dienstleister mit etwa 420 Mitarbeitern. Werksleiter Helmut Karpinski:

„Im Auftrag von Automobilherstellern – in diesem Fall vor allem vom Saarlouiser Ford-Werk – und auch Zuliefer-Unternehmen übernehmen wir Teile der Montage, komplettieren von außerhalb angelieferte Komponenten und liefern komplette Module, die wir aus Einzelteilen zusammenbauen, just-in-time respektive just-in-sequence in den Prozess der Fahrzeugendmontage. Zu diesen Modulen zählen beispielsweise Motoren, Mittelkonsolen, Vorderachsen-Module, Kühler und Türverkleidungen.“

LMS ist im so genannten Ford-Suppplier-Park in unmittelbarer Nähe des Automobilwerks angesiedelt. An diesem Standort von Ford werden alle „Focus“-Modelle für Westeuropa produziert. Dank des Zuliefererparks kann die Firma Ford ihre Energie auf Entwicklung, Endmontage und Vertrieb der Fertigprodukte und Komponenten konzentrieren. Die Aufteilung der Verantwortung ermöglicht es dem Unternehmen, höhere Stückzahlen sowie eine größere Varianten- und Typenvielfalt zu geringeren Kosten zu produzieren.

Es versteht sich von selbst, dass alle Zulieferer eng mit den Band-Laufzeiten vertaktet sind. So zum Beispiel bei der Motorenendaufrüstung durch LMS: Alle 32 Sekunden muss ein Motor an den Endmontagebändern im Ford-Werk zur Verfügung stehen. Karpinski macht deutlich: „In der Regel beträgt der Vorlauf eine Stunde. Manchmal ist es aber auch nur eine halbe Stunde. “

Enge Kurve – wenig Fläche

Hilfreich ist dabei das neue Fahrerlose Transportsystem von DS Automotion. „Bei unseren Investitionen wie dem FTS setzen wir vor allem auf standardisierte und somit auf erprobte Technik,“ betont Helmut Karpinski. So war es nur folgerichtig, in Saarlouis 43 fahrerlose Fahrzeuge (FTF) des überarbeiteten Typs CleverMax einzusetzen. Es ist ein einfaches Fahrzeug mit bewährter Technik und einem standardisierten, modulartigen Aufbau.

Der Fahrkurs lässt sich durch den Betreiber individuell gestalten. Das Gerät ist als Tragfahrzeug oder als Schlepper lieferbar. Es dient zur Warenkommissionierung und Verteilung ebenso wie zur Materialversorgung von Montagelinien und Produktionsmaschinen oder – wie im vorliegenden Fall – als mobile Montageplattform. „Um den Werkern einen ergonomischen Arbeitsplatz zu bieten, erhielt jedes der neuen Fahrzeuge einen Scherenhubtisch mit 500 Millimeter Hub, um an den Motoren bequemer arbeiten zu können“, verdeutlicht der Werkleiter. „Zudem sprach für den CleverMax, dass er eine 90-Grad-Kurve mit einem Radius von 1.000 Millimetern durchfahren kann. Das spart uns wertvolle Flächen.“

Die FTF, die bei LMS 500 Kilogramm tragen können, fahren mit einer Geschwindigkeit von maximal einem Meter pro Sekunde auf einem rund 250 Meter langen Rundkurs, an dessen Beginn die von extern angelieferten Motoren per Kran auf die Fahrzeuge gesetzt werden. Dann gelangen die Geräte, zur Hinderniserkennung mit einem Sick-Scanner ausgestattet, wie ein Taxi von Montagestation zu Montagestation entsprechend dem von Ford und damit auch von LMS vorgegebenen Takt und bleiben dort stehen.

An welchen der 42 Stationen welche Motoren mit welchen Komponenten auszustatten sind, wurde zu Beginn der Rundtour anhand von Barcode-Informationen in die FTS-Steuerung von DS Automotion eingelesen. Üblicherweise ist diese Steuerung, die ihre Befehle per Funk an die Fahrzeuge weiterleitet, an den LMS-Leitrechner gekoppelt. „Aber“, so Wolfgang Hillinger, Leiter des technischen Vertriebs des österreichischen Unternehmens, „das FTS kann auch ohne Kopplung an den Leitrechner arbeiten, da die Grundparameter im Fahrzeug hinterlegt sind.“ Zudem lieferte DS Automotion aus Sicherheitsgründen einen Cold-Stand-by-Rechner als Teil der FTS-Steuerung.

Die Energieversorgung der FTF
Etwas Besonderes ist die hybride Energieversorgung der FTF, bei der zwei Techniken miteinander kombiniert werden. Dabei erhalten die Fahrzeuge zum einen die Energie auf induktivem Weg über den im Boden verlegten Leitdraht, zum anderen lassen sich die Fahrzeuge abseits der eigentlichen Fahrspur mit einem Joystick vorwärts und rückwärts verfahren, denn sie haben eine Batterie an Bord. Diese sehr bequeme und flexible Handhabung – etwa um ein Fahrzeug aus unterschiedlichen Gründen aus- und wieder einzuschleusen – gab es in der Altanlage mit ihren Kupferschienen nicht.

Die Haupttätigkeit in den Stationen sind Schraubvorgänge mit elektronisch gesteuerten Schraubern, die nach vorgegebenen Programmen arbeiten. Das FTF wird erst dann zur Weiterfahrt freigegeben, wenn die Drehmomente geprüft und dokumentiert sind, denn alle Arbeitsgänge an einem Auto müssen für den Zeitraum von mehreren Jahren lückenlos zurückverfolgt werden können.

Zuordnung per Nummer
An einer Station prägt ein Roboter die Fahrgestellnummer in den Motorblock, um eine klare Zuordnung des Motors zum Wagen sicherzustellen. „Würde der Roboter ausfallen, könnten wir keinen einzigen Motor liefern“, erläutert Helmut Karpinski. Deshalb sind Mitarbeiter darauf geschult, diese Arbeit im Bedarfsfall zu übernehmen. Sind die Montagestationen durchlaufen, werden die fertigen Werkstücke in ein Transportgestell eingehängt, das drei Motoren aufnehmen kann. Die Gestelle gelangen zunächst auf eine Pufferstrecke, die eventuelle Anlieferschwankungen ausgleicht, und dann über einen durch Ford gesteuerten Lift zu einer langen Elektrohängebahn (EHB), die die Verbindung zum Ford-Werk herstellt. Alle 96 Sekunden verlässt auf diese Weise ein Gestell den Bereich von LMS. Und das – wie bei Ford – im Dreischichtbetrieb.

„Die größte Herausforderung bei der Installation der Anlage war die Zeit“, sind sich Helmut Karpinski und Wolfgang Hillinger einig. Gerade mal drei Wochen Werksferien von Ford im Juli 2010 standen zur Verfügung. In dieser Zeit war in Saarlouis die Altanlage zu entfernen, der Boden zu sanieren, alle Montagestationen umzubauen beziehungsweise zu erneuern und neu zu programmieren sowie das FTS zu installieren und in Betrieb zu nehmen. „Testmöglichkeiten zu realen Bedingungen hatten wir leider nicht, denn bei Ford stand der Betrieb ja auch still“, schildert der LMS-Manager die nicht ganz unkritische Situation. Wolfgang Degenhard/bw

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