Flexibler im Vorschub

Das hat sich zwar bewährt, aber das Einstellen der Vorschubgeschwindigkeit und der definierten Wege für Eil- und Arbeitsgang ist aufwändig. Eine effiziente Lösung bietet der Dämpfungszylinder mit elektrorheologischer Flüssigkeit von Fludicon. Sie ermöglicht nicht nur die elektronische Regelung der Geschwindigkeit im Vor- und Rücklauf über den gesamten Hub des Zylinders sondern auch das Stoppen an beliebiger Position mit hoher Genauigkeit.

Präzises Zerspanen mit Hilfe eines pneumatischen Vorschubs ist nur möglich, wenn dessen Geschwindigkeit konstant ist. Um dies zu erreichen, wird als kostengünstige Lösung meist ein Ölbremszylinder integriert. Eine Kombination, die sich über Jahre bewährt hat, aber auch Nachteile mit sich bringt ¿ speziell was die Flexibilität der Maschine angeht. Denn über den gesamten Hub sind nur eine Eilgang- und Arbeitsgeschwindigkeit einstellbar. Außerdem erfolgen die Änderung der Geschwindigkeiten und die Verstellung der Anschläge für die entsprechenden Wege rein mechanisch.

Das ist mühsam, kostet Zeit und reduziert die Verfügbarkeit der Maschine. Die Lösung mit einem Ölbremszylinder ist daher nur sinnvoll bei identischen Bearbeitungen mit gleichen Wegen und Vorschubgeschwindigkeiten; aber nicht, wenn innerhalb kurzer Zeit unterschiedliche Zyklen hintereinander folgen, wie beispielsweise beim Bohren eines Rohres. Die einzige Alternative bei unterschiedlichen Arbeitszyklen war bislang eine CNC-gesteuerte Maschine.

Mit ihrem Servomotor und der elektronischen Regelung ist sie zwar universell einsetzbar und sehr präzise, aber auch deutlich teurer.Eine effiziente Zwischenlösung bietet jetzt die Otto Suhner GmbH an. Der Spezialist für Bohr-, Fräs- und Gewindeschneidoperationen hat eine seiner Bearbeitungsmaschinen mit einer Technologie der Firma Fludicon ausgestattet. „Der Hauptvorteil dieser Lösung“, erklärt Dieter Herzog, Leiter des Fachbereichs Automation Deutschland bei Suhner, „ist der konstante Vorschub und die Möglichkeit, die Geschwindigkeit im Vor- und Rücklauf über den gesamten Hub des Zylinders an jeder beliebigen Stelle zu verändern – und das ohne Programmierkenntnisse.

Dies eröffnet völlig neue Bearbeitungszyklen und Einsatzmöglichkeiten. Außerdem liegt die Investition deutlich unter der einer CNC-Maschine.“ Damit ist das System vor allem für die Kleinserienfertigung und beim häufigen Produktwechsel, aufgrund der damit verbunden Anpassung von Vorschubwegen und -geschwindigkeiten, die ideale Lösung. Wie funktioniert diese Technik und welche Bearbeitungszyklen sind möglich?

Anpassung in Millisekunden
Das Herzstück des neuen Vorschubsystems Erdrill von Suhner ist der Rhedamp-Dämpfungszylinder von Fludicon. Er ersetzt den bisherigen Ölbremszylinder in der Bohreinheit BEM 12, eine der klassischen pneumatischen Bearbeitungsmaschinen. Das Unternehmen Fludicon mit Sitz in Darmstadt entwickelt und produziert so genannte Smart PID Systeme auf Basis einer elektrorheologischen Flüssigkeit. Dieses als Rheoil bezeichnete Fluid ist eine Dispersion aus einer Trägerflüssigkeit und polarisierbaren Polyurethan-Partikeln. Sie haben einen Durchmesser von circa fünf Mikrometern und sind als Dipole ausgebildet. Wird ein elektrisches Feld angelegt, bilden sich Polymerketten, die zu einer Verengung des Strömungsquerschnitts führen und so den Strömungswiderstand im Dämpfungszylinder erhöhen.

Der Zustand des Fluids reicht von dünnflüssig bis nahezu fest. Eine Ermüdung des Effektes gibt es nicht. Die herausragende Eigenschaft dieser Technologie ist, dass die Anpassung an die jeweilige Situation innerhalb von Millisekunden erfolgt. Egal ob zum Dämpfen, zum Reduzieren von Schwingungen oder wie hier bei Suhner, zur elektronischen Regelung des Vorschubs. Darüber hinaus kann die Maschine schneller für andere Aufgaben umgerüstet werden. Die Bestimmung der jeweiligen Position während der Bearbeitung erfolgt über ein Wegmesssystem mit Linearpotentiometer. Es erreicht eine Positioniergenauigkeit von 0,1 mm. Zu dem Erdrill-System von Suhner wird eine einfach nachzurüstende elektronische Antriebs- und Vorschubsteuerung mitgeliefert. „Um diese Steuerung zu bedienen“, erläutert Dieter Herzog, „muss der Anwender am Display lediglich den Ablauf für die gewünschten Zyklen eingeben. Und das geht deutlich schneller als das Programmieren einer CNC-Lösung.“

Ein typisches Beispiel ist das Bohren mit Sprungfunktion, wie es für Rohre benötigt wird. Zunächst das Anfahren und das erste Bohren, dann das Überbrücken des Hohlraums und schließlich das Bohren durch die zweite Wandung. Hierzu werden nur die Wege in mm und die Vorschub-Geschwindigkeiten in mm/min eingegeben. Zusätzlich zum normalen Bohrzyklus mit Arbeitsgang sowie dem Eilgang im Vor- und Rücklauf, lassen sich mit der neuen Lösung sechs weitere Funktionen programmieren: Bohren mit Spanbruch, Sprung- und Entspänfunktion, sowie Stufenbohren und Rückwärts-Bohren/Senken.

Bei der neuen Bearbeitungsmaschine reichen die programmierbaren Vorschubgeschwindigkeiten von 80 bis hin zu 500 mm/min. Der Hub beträgt 80 mm und die maximale Bohrleistung liegt bei 12 mm in Stahl. Die sonst üblichen Endschalter sind aufgrund des Rhedamp-Dämpfungszylinders von Fludicon überflüssig, da die Grenzpositionen über das Wegmesssystem genau definiert sind. Die Zielgruppe dieser flexiblen Maschine sind Klein- und Mittelserien sowie Maschinen mit häufigem Produktwechsel. Auch der Drehstrommotor wird über die erwähnte elektronische Antriebs- und Vorschubsteuerung der neuen Bearbeitungseinheit angesteuert. Im Moment läuft er noch mit fester Drehzahl. Geplant ist bereits die Ergänzung mit einem Frequenzumrichter, um in dem jeweiligen Arbeitszyklus unterschiedliche Drehzahlen fahren zu können. Dies wäre zum Beispiel bei einer Stufenbohrung sinnvoll: Ein Absenken von der hohen Umdrehungszahl am Beginn auf einen niedrigeren Wert zum Aufbohren an der Stufe. Ein weiterer Einsatz der Rhedamp-Dämpfungszylinder bei kommenden Suhner Entwicklungen wird die Integration in pneumatisch doppelwirkenden Schlitteneinheiten sein.

Fazit
Der Rhedamp-Dämpfungszylinder der Firma Fludicon ermöglicht es dem Anwender, den Vorschub in pneumatischen Systemen zu kontrollieren und zu steuern. Er kann jetzt die Geschwindigkeit im Vor- und Rücklauf über den gesamten Hub des Zylinders und die Bohrtiefe ohne Programmierkenntnisse elektronisch verändern. Damit ist diese Lösung nicht nur ideal für kleine Serien und häufigen Produktwechsel. Sie ist auch deutlich flexibler und damit effizienter als der übliche Standard-Ölbremszylinder und eine preisgünstige Alternative zur CNC-Technik.

Dr. Peter Stipp

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