Digitalisierte Prozesskette für die dritten Zähne

Jahr für Jahr geben deutsche Patienten und Krankenkassen für Kronen, Brücken und Implantate weit über 5 Mrd. Euro aus. Egal ob Zahnkrone, Brücke, Inlay, Onlay oder Abutment – jedes dieser Zahnersatzteile ist komplex, jedes ist ein Unikat und erfordert viele Arbeitsschritte, die noch überwiegend handwerklich geprägt sind.

So setzt jeder Zahnersatz ein genaues Abformen des Patientengebisses voraus, das der Zahnarzt mit Materialien auf Silikon-, Polyäther- oder Alginatbasis durchführt. Durch Ausgießen mit Spezial-Hartgips erstellt der Zahntechniker ein Arbeitsmodell, damit er eine passende Metallkrone gießen kann, die in filigraner Handarbeit bearbeitet wird.

Mit Cerec-Gerät Grundstein für die Digitalisierung gelegt

Materialien zur Herstellung von Zahnersatz sind Amalgam, Gold, Silber, Palladium, Titan, Hochleistungskeramiken wie Zirkon, Zirkoniumdioxid, Aluminiumoxid sowie Kunststoffe/Acrylate. Edelmetalllegierungen werden wegen ihrer Bioverträglichkeit geschätzt. Übliche Werkstoffe sind auch Nichtedelmetalllegierungen, meist aus den Elementen Cobalt, Chrom und Molybdän.

Die handwerklich geprägte Dentaltechnik ist dabei, sich zu verändern. Bereits heute zeigt sich, dass Computer und automatische Produktion in Dentallabors einziehen und den Herstellungsprozess von Zahnersatz beschleunigen.

Zähne werden in einer Behandlungssitzung restauriert

Den Grundstein für die Digitalisierung und Industrialisierung der Zahnrestauration legte Prof. Dr. Werner Mörmann vom Zentrum für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Zürich Anfang der 80er Jahre mit einem sogenannten Cerec-Gerät. Cerec ist ein Verfahren zur computergestützten, direkten Herstellung von gefrästen Inlays, Onlays, Teilkronen, Veneers und Kronen aus Keramik. Cerec steht für Ceramic Reconstruction. Einzigartig an der Methode ist die Möglichkeit, maßangefertigte zahnärztliche Restaurierungen direkt am Patienten in einer Behandlungssitzung herzustellen und einzusetzen.

Ende der 80er Jahre brachte Siemens das erste Komplettsystem Cerec auf den Markt, das im Laufe der Jahre weiterentwickelt wurde. Im Jahr 1997 ging die Dentalsparte der Siemens AG durch einen Private-Equity- Buyout in die Sirona Dental Systems GmbH in Bensheim über. Mit der Markteinführung der neuen Aufnahmeeinheit Cerec AC im Januar 2009 und des Systems Cerec Connect Ende 2009 hat Sirona die Digitalisierung der Zahnersatzherstellung weiter vorangetrieben.

Die Cerec AC mit der Cerec-Bluecam digitalisiert einen Kiefer in weniger als einer Minute. Das blaue, kurzwellige Licht sorgt für höchste Präzision bei der digitalen Abformung. Das Cerec-System ist damit in der Lage, den klassischen Abdruck bei der Mehrzahl der Indikationen durch die digitale Abformung zu ersetzen.

Immer mehr Werkzeugmaschinenhersteller setzen auf die Zahntechnik

Zunehmend lockt das Geschäft mit der digitalen Dentaltechnik auch Hersteller von Bearbeitungszentren. „Denn die industrielle Fertigung von Zahnersatz ist ein schnell wachsender Markt“, konstatiert Roland Zaugg, Leiter Applikation der GF Agie Charmilles in Nidau/Schweiz. Ziel ist es, die Herstellungsprozesse von Zahnersatz zu vereinfachen, zu optimieren und zu automatisieren, wobei der spanabhebende Prozess eine sehr wichtige Rolle spielt.

Die Produktivität bei der Fertigung von Zahnersatz hängt nicht nur von der Leistungsfähigkeit der Fräsmaschine ab, sondern von der Effizienz der gesamten Prozesskette, angefangen vom Scanning/Digitalisieren des Zahnmodells über die Konstruktion (CAD) und Werkzeugbahnberechnung (CAM) bis hin zum Fräsprozess.

Zahntechnik benötigt hochdynamische CNC-Bearbeitungszentren

„Für das Fräsen sind hochdynamische Maschinen mit schneller Steuerung und einem Regelzyklus unter 1 ms erforderlich, um die hohen Vorschubgeschwindigkeiten und die Bahntreue auch bei komplexen Geometrieformen in allen fünf Achsen halten zu können“, erläutert Zaugg mit Blick auf das HSC-Bearbeitungszentrum HSM 400 U, das Agie Charmilles für die Fertigung von Zahnersatz empfiehlt.

Speziell für die Dentaltechnik hat die Gildemeister-Tochter Sauer GmbH in Stipshausen die Ultrasonic 10 konzipiert. Der Vorteil der Maschine ist die Ultraschallunterstützung. Damit ist auch eine effiziente Bearbeitung von sprödharten Werkstoffen wie Glaskeramiken und speziellen Kunststoffen ebenso möglich wie das Hochgeschwindigkeitsfräsen von Titan und Cobalt-Chrom.

CAD/CAM-System muss Zyklen der Fräsmaschine unterstützen

Innerhalb der Prozesskette ist auch das CAD/CAM-System ein wichtiges Glied, das die Zyklen und Eigenschaften der Fräsmaschine unterstützen sollte. Eine weitere wichtige Eigenschaft nennt Ralf Schleuning, Vertriebsleiter Hyperdent der Open Mind Technologies AG, Wessling: „Weil das Material der bestimmende Kostenfaktor ist, sollte das CAD/CAM-System weder bei der Wahl des Materials noch bei der des Anbieters Grenzen setzen.“ So unterstütze Hyperdent die Materialien Zirkonoxid, Cobalt-Chrom-Legierungen, Kunststoff (PMMA), Titan, Glaskeramik und Komposite mit entsprechenden Frässtrategien.

Auch hinsichtlich der Leistungsfähigkeit rückt Schleuning Hyperdent ins rechte Licht: „Mit wenigen Schritten kommt der Anwender zum fertigen NC-Programm, denn die automatische Bedienerführung mit dem Workflow-Manager, die übersichtliche Bedienoberfläche und automatisierte Funktionen sorgen für eine zuverlässige und einfache Bedienung. CAM- und Fräs-Know-how sind nicht erforderlich.“

Digitalisierte Zahnersatzherstellung reduziert Fertigungszeit um bis zu 95%

Welches Rationalisierungspotenzial mit einer optimalen Prozesskette erschlossen werden kann, zeigt sich am Beispiel des Dentallabors der Millhouse GmbH in Hofheim-Wallau. Vor zwei Jahren investierte das Unternehmen für die Zahnersatzfertigung in ein HSC-Bearbeitungszentrum HSM 400 U von Agie Charmilles.

„Die digitalisierte, automatische Herstellung des Zahnersatzes reduziert die Fertigungszeit im Vergleich zur herkömmlichen Herstellung durch Gießen um bis zu 95%“, freut sich Geschäftsführer Hohlbein. Freilich, für die Wirtschaftlichkeit müssen die Voraussetzungen für eine Auslastung der Maschinenkapazität gegeben sein. „Etwa 800 Einheiten pro Monat sollten es schon sein“, meint Hohlbein.

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Bernhard Kuttkat MM MaschinenMarkt

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