Wie Biogas in die Pipeline kommt

Mit der Einleitung in die Erdgasnetze könnte Biogas endgültig die „Energie-Provinz“ verlassen, wo es beim Bauern anfällt und meist auch verwertet wird. Wenn sich über die bestehenden Infrastrukturen nahezu jeder Haushalt oder Betrieb erreichen ließe, wäre das ein Riesenschritt „pro erneuerbare Energien“.

Weil es den Biogasen dafür noch an Reinheit mangelt, haben Ingenieure um Dr. Marcus Petermann, Juniorprofessor für Partikeltechnologie und Partikeldesign (Fakultät für Maschinenbau), jetzt eine hochgenaue Messtechnik für die Trennung von Gasgemischen entwickelt.

Wegbereiter in die Pipeline: einzigartige Messtechnik

Biogase und Erdgase bestehen vorwiegend aus dem Gas Methan, dem Energieträger, mit dem Heizungen, Gasturbinen und Motoren betrieben werden. Leider besitzt Biogas – wenn auch zu geringen Anteilen – auch weniger gefragte Komponenten wie Kohlendioxid, Ammoniak oder Schwefelgase. Vor einer gemeinsamen Verbrennung müssen diese Bestandteile aus dem Biogas entfernt werden, denn Erdgase unterliegen hohen Reinheits-Ansprüchen. Dafür muss zunächst genau bekannt sein, wie viel von diesen Schadstoffen sich unter welchen Druck- und Temperaturbedingungen in einer Flüssigkeit lösen (Absorption) oder an der Oberfläche eines Feststoffs binden/“herausfiltern“ (Adsorption) lassen. Mit einem inzwischen patentierten Verfahren haben die Bochumer Ingenieure nun eine bislang unerreichte Genauigkeit erzielt. Damit kann die neue Messtechnik zugleich „Wegbereiter“ für das Biogas in die Pipeline und neuer Standard für Sorptionsvorgänge werden.

Doppelter Clou: Ionische Flüssigkeiten und Wiegen durch Wände

Zwei Techniken stehen hinter der hohen Präzision, die das Verfahren besonders exklusiv machen: Die sog. Magnetschwebewaage und der Einsatz von ionischen Flüssigkeiten. Die in Bochum entwickelte Magnetschwebewaage ermöglicht das berührungslose Wiegen selbst durch Metallwände hindurch. Hier ist diese Waage Voraussetzung dafür, dass die stark korrosiven Schwefelgase das Messsystem und damit die Waage nicht zerstören können. Als Reinigungs-Medium setzen die Ingenieure ionische Flüssigkeiten ein – Salze, die bei Temperaturen unter 100 C° (auch bei Raumtemperatur) flüssig sind und nicht in die Umgebung verdunsten können. Diesen Stoffen wird etwa für die pharmazeutische Nutzung eine „große Karriere“ vorausgesagt. Ihr Vorteil bei dem neuen Messverfahren ist vor allem, dass sie in der Anlage in konstanter Menge erhalten bleiben, zudem wird das Biogas nicht verschmutzt.

Europäische Forschung für KMUs

Die Entwicklung der neuen Messtechnik wurde seit 2005 als „Cooperative research project“ durch die Europäische Union gefördert, die damit gezielt marktorientierte Forschung durch Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen (hier Ruhr-Universität) mit Kleinen und Mittelständischen Unternehmen (KMU), in diesem Fall der Firma Rubotherm Präzisionsmesstechnik GmbH (Technologiezentrum Ruhr, Bochum), unterstützt. Weil KMUs oft eigene Forschungskapazitäten fehlen, sind sie auf Forschungsdienstleister angewiesen. Dafür garantieren KMUs die Marktorientierung des Projekts. Inzwischen haben Gaslieferanten bei der Rubotherm GmbH ihr Interesse bekundet, um Verunreinigungen durch Schwefelverbindungen zu beseitigen.

Alle Themen auf einen Blick

Naturwissenschaften: Sicher auf die sanfte Tour (Plasmasterilisation für den medizinischen Einsatz), Geisteswissenschaften: Damit das Wissen nicht in Rente geht (Personalentwicklung für den Mittelstand), Medizin: Wo bleibt der HIV-Impfstoff? (Die Immunabwehr gegen HIV-Infektionen aktivieren), Ingenieurwissenschaften: Wie Biogas in die Pipeline kommt (EU-Forschung für kleine und mittelständige Unternehmen); Facetten: In den Gräbern der Etrusker (Forschung für ein virtuelles Museum), Wasserstoff aus eigenem Anbau (Mikroalgen als Wasserstofffabriken), Trennen und Umwandeln (Strahlungszeitraum von nuklearem Abfall verkürzen), Nur ein paar Zellen (Pankreaskrebs frühzeitig erkennen), Die Molekulare Zaubertafel (Chemiker schreiben und lesen im Nanobereich), Jahrmarkt der Religionen (Europas religiöse Vielfalt), Europa geht unter die Erde (Das größte Tunnelbauprojekt, das es je gab), Das Hirn des Torwarts beim Elfmeter (Wie das Gehirn Bewegungsabläufe steuert); RUBIN im Netz: http://www.rub.de/rubin.

Weitere Informationen

Dr.-Ing. Marcus Petermann, Juniorprofessor für Partikeltechnologie und Partikeldesign, Fakultät für Maschinenbau der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-26442, E-Mail: petermann@vtp.rub.de

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