Geizen mit Gewinn dank Energieeffizienz

Der sparsame und intelligente Einsatz von Strom und Wärme senkt Kosten, führt zu einem Investitionsschub für den Mittelstand und steigert die Wettbewerbsfähigkeit. So oder so ähnlich hört man es derzeit auf vielen Tagungen oder Messen.

„Drastisch gestiegene Kosten, überforderte Leitungsnetze, mangelnde Kraftwerkskapazitäten und mögliche Versorgungsengpässe, das sind nur einige der Themen, die die Wirtschaft vor neue Herausforderungen stellen“, erklärte Prof. Ulrich Lehner, Präsident der IHK Düsseldorf, auf einer Tagung der Energieagentur Nordrhein/ Westfalen.

Karl Milz sieht das weit gelassener. „Es gibt eine ganze Reihe von Unternehmen in Deutschland, die seit Jahren daran arbeiten, ihre Energieeffizienz zu verbessern.“ Milz ist Maschinenbau-Ingenieur und in der Geschäftsleitung der IFM Electronic GmbH in Tettnang für Effizienzfragen zuständig.

„Energiekrisen gab es auch früher schon“, sagt er. Der wesentliche Unterschied: Dass die Preise für Öl, Gas und Strom innerhalb kurzer Zeit so explodieren, hat keiner vorausgesehen. „Außerdem redet heute jeder über Effizienz und glaubt, das Thema sei neu.“

Sensorhersteller setzt schon länger auf Energieeffizienz

Für die IFM, die in Tettnang jährlich rund 7 Mio. Sensoren für Kunden in aller Welt herstellt, gehört ein intelligenter und sparsamer Umgang mit Strom und Wärme schon länger zum Alltag. „Entsprechend unseren Unternehmensleitsätzen streben wir ein qualitatives Wachstum an, das heißt, Produktionssteigerungen von einer verstärkten Umweltnutzung zu entkoppeln“, schreibt die Firma in ihren „Umweltinformationen für die Kunden“.

Eine solche Entkopplung ist in der Praxis nicht einfach, denn Produktionssteigerungen bringen meist einen höheren Energiebedarf mit sich. Für die Fertigung von Sensoren und Steuerungstechnik bedeutet das mehr Lötprozesse, steigenden Bedarf an Druckluft, größere Fertigungsstätten und Büros, die beleuchtet werden müssen.

Dennoch gelang es bei IFM, zwischen 1998 und 2008 die spezifischen Energiekosten um rund 10% zu senken. Dafür allerdings reicht nicht ein einzelner großer Sprung. „Mehr Effizienz bedeutet immer viele kleine Schritte und niemals aufzuhören, nach Optimierungen zu suchen“, resümiert Milz seine Erfahrungen.

Kleine Schritte bringen Unternehmen bei Energieeffizienz voran

Eine ganze Reihe dieser kleinen Schritte hat IFM am Standort Tettnang gemacht: Bereits seit 1994 gibt es eine zentrale Gebäudeleittechnik für Licht, Lüftung, Druckluft und Heizung. Die Beleuchtung ist bedarfsgeregelt und orientiert sich an der natürlichen Sonneneinstrahlung. Die Wärme aus den Kompressoren wird zurückgewonnen, auch die Lüftungsanlage wurde mit einer Wärmerückgewinnungsanlage ausgerüstet.

2007 hat IFM in der Heizungsanlage die ungeregelten Pumpen durch frequenzgesteuerte Geräte ersetzt. Milz: „Wenn es gelingt, die Produktivität zu steigern und gleichzeitig die Energiekosten konstant zu halten, ist das heutzutage ein großer Erfolg.“

Die Energiefresser sind bestens bekannt

Viele Effizienzmaßnahmen im produzierenden Gewerbe ähneln sich. Zum einen, weil sich mittlerweile herumgesprochen hat, wo die großen Verbraucher sitzen: Antriebe, Pumpen, Kompressoren, thermische Prozesse, Beleuchtung. Zum anderen, weil Firmen nicht nur in Energieeffizienz investieren, sondern immer häufiger damit werben.

Dazu gehört auch die Aerzener Maschinenfabrik GmbH, ein weltweit führender Hersteller von Gebläsen und Verdichtern. Bei der Einweihung eines Produktionscenters im Frühjahr 2008 war viel von Energiesparen die Rede. Im neuen Center mit einer Fläche von über 11000 m² wurde durch umfassende Dämmung der Wärmeverlust des Gebäudes reduziert. Lackierung, Prüfstände und Maschinen sind mit Wärmerückgewinnungssystemen ausgestattet, die Beleuchtung ist tageslichtabhängig und das Lüftungssystem arbeitet mit Wärmerückgewinnung.

Die Aerzener Maschinenfabrik plant außerdem ein Holzkraftwerk, um das Werksgelände mit Wärme und Strom zu versorgen. Mit der Ausweitung der Fertigungskapazitäten durch das neue Produktionscenter stiegen die Energiekosten auf 1,5 Mio. Euro im Jahr. „Unser Ziel ist, 30% davon durch modernste Technik und das geplante Biomassekraftwerk einzusparen“, betont Marketingleiter Stephan Brand.

Vorbilder sind für Energieeffizienz wichtiger als Wirtschaftlichkeitsanalysen

Für Energieeffizienz gilt wie für viele andere Konzepte auch: Vorbilder aus der Branche sind weit überzeugender als alle Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Ein solches Vorzeigebeispiel will der Heiztechnik-Spezialist Viessmann werden. „Effizienz plus“ heißt das Konzept, das die Firma bis 2009 am Stammsitz im hessischen Allendorf realisiert.

Die Viessmann-Werke produzieren jährlich 150000 Heizkessel, 400000 Wandgeräte und 250000 Solarkollektoren. Das Energieeffizienz-Konzept soll die Fertigung klimaschonender und emissionsärmer machen. „Wir können keine Kessel und Geräte verkaufen, bei denen wir unseren Kunden gegenüber deren Effizienz und Umweltverträglichkeit loben, und dann in unserer eigenen Produktion nicht nach denselben Maßstäben vorgehen“, sagt Walter Bornscheuer, Leiter der Abteilung Product-Management.

Bereits seit 2005 hat das Traditions-Unternehmen den Einsatz von Strom und Wärme deutlich verringert und die Effizienz auf Verbraucher- und Erzeugerseite erhöht. Öl und Gas werden seither sukzessive durch regenerative Energieträger ersetzt. Die Ziele des Programms sind ehrgeizig: Viessmann will künftig 50% weniger Öl und Gas verbrauchen und die CO2-Emissionen des Standorts um 40% senken.

Heiztechnik-Hersteller will für Klimaschutz auch handeln

Den Anstoß dazu gab der Chef persönlich. „Auf einem Energiegipfel bei der Kanzlerin“, erinnert sich Dr. Martin Viessmann, „gewann ich den Eindruck, dass man über Klimaschutz nicht nur reden sollte, sondern vor allem handeln.“ Der Heiztechnik-Hersteller will am Stammsitz zeigen, dass man die politischen Ziele im Klimaschutz für das Jahr 2020 schon heute mit den verfügbaren Techniken erreichen kann.

Das Programm „Effizienz plus“ umfasst die ganze Palette des Machbaren: Die Anlagenhydraulik im gesamten Werk wurde durch drehzahlgeregelte Umwälzpumpen und Kompressoren modernisiert. Abwärme gewinnt das Unternehmen zurück, die Werkshallen wurden teilweise wärmegedämmt und isolierverglast. Blockheizkraftwerk und Brennwertkessel erzeugen effizient Strom und Wärme. Insgesamt werden diese Effizienzmaßnahmen nach Angaben des Unternehmens den Energieverbrauch um 21% senken.

Noch klimaschonender ist die Substitution fossiler Energien. Dazu gehört der Einsatz von Pellets und Holzhackschnitzeln zur Wärmeversorgung des Standorts, die eigene Fortbildungsakademie wird über Wärmepumpen versorgt, Photovoltaik-Module liefern einen Teil des benötigten Stroms.

2009 soll am Standort Allendorf außerdem eine Biogasanlage in Betrieb gehen, die unter anderem mit Hackschnitzeln aus schnell wachsenden Pappeln vom eigenen Acker beschickt wird. „Insgesamt“, sagt Bornscheuer, „wollen wir am Ende über 29% an Gas, Öl und Strom durch erneuerbare Energien ersetzen.“

Am Anfang steht eine Entscheidung

Ob Sensoren, Gebläse oder Heizkessel – die Regeln für eine energieeffizientere Fertigung bleiben die gleichen: Am Anfang steht die Entscheidung der Geschäftsführung. Dann wird ein Verantwortlicher benannt, der Maßnahmen erarbeitet. Dritter Schritt sind die eigentlichen Investitionen. Und nicht zuletzt Punkt vier: „Nie nachlassen und immer dranbleiben“, sagt Karl Milz.

Viessmann und IFM hoffen, dass die Beispiele energieeffizienter Produktionsstätten mehr Nachahmer finden. Allerdings sind nicht nur Privatverbraucher, sondern auch viele Unternehmer nicht ausreichend darüber informiert, wie viele Möglichkeiten es heute schon gibt. Milz glaubt, dass die Suche nach Einsparpotenzialen erst dann zu einer Massenbewegung wird, wenn die Energiepreise nochmals kräftig nach oben gehen. Die Chancen stehen nicht schlecht, dass dieser Wunsch in Erfüllung geht.

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Christa Friedl MM MaschinenMarkt

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