Laserschweißen von Kabelführungsrohren senkt die Kosten im Vergleich zum Löten

Man sieht sie nicht, aber man braucht sie doch. Spinnenartige Rohrgebilde sind auf engstem Raum in Autodächern verbaut und sorgen beim Öffnen und Schließen von Schiebedächern, Verdunkelungsrollos und Cabrioverdecken für genaue Führung der per Elektromotor angetriebenen Bowdenzüge. Statt die komplexen Rohrsysteme samt Anschlussblechen zu löten oder per Stauchverfahren zu verbinden, setzt der Mittelständler SD Hirsch seit gut zwei Jahren auf das Laserschweißen.

Zum Einsatz kommt das Laserschweißen am SD-Hirsch-Stammsitz in Utting am Ammersee in einer Fertigungszelle, die vom Augsburger Anlagenbauer Kuka Systems über Baukastenkomponenten genau für den Automobilzulieferer entwickelt wurde. Konkret besteht die schlüsselfertig gelieferte Zelle aus einem gepulsten 90-W-Nd:YAG-Laser, einem Sechs-Achs-Industrieroboter für das genaue Handling der Schweißoptik, einer Laserschutzkabine mit der notwendigen Sicherheitstechnik sowie einem Zwei-Stationen-Drehtisch mit passenden Spannvorrichtungen für die unterschiedlichen Führungsrohrsysteme.

Während der Werker vor der Zelle am freigegebenen Teil des Drehtisches, der sich wie ein Karussell in die Anlage dreht, das fertig verschweißte Assembly entnimmt und die Spannvorrichtung mit Rohren und Blechen für die nächste Runde bestückt, geht in der Zelle „die Post ab“. Nach einem genau vorgegebenen Fahrplan fährt die robotergeführte Laseroptik die Bauteile ab und setzt dabei mit sehr hoher Genauigkeit die Schweißpunkte, die für eine stabile Verbindung der Rohre mit den Befestigungsblechen sorgen.

Bei der Fertigung geht es darum, die Befestigungs- und Montageelemente so genau anzuschweißen, dass sich das komplette Rohrsystem später problemlos in die Führungsschienen der Schiebe- oder Cabriodächer montieren lässt. Jeder Zehntelmillimeter Verzug bedeutet Ärger, den es zu vermeiden gilt.

350000 Rohrführungssysteme werden pro Jahr geschweißt

Pro Jahr werden gut 350000 Rohrführungssysteme, von Insidern auch Spinnen genannt, in der Kuka-Laserzelle gefertigt. Jedes Cabrioverdeck oder Schiebedach hat seine eigene Spinne, immer passgenau auf Fahrzeugtyp und Modell zugeschnitten. SD Hirsch ist mit seinen Lösungen quer durch die OEM-Palette präsent: vom Mini-Cabrio über den Volkswagen Eos bis zu den Super-Luxus-Autos der Edelmarke Maybach.

Generell bestehen die Spinnen aus einem Motorträger, auf den später der Elektromotor für den Antrieb der Bowdenzüge montiert wird, sowie einer Vielzahl von zum Teil kunstvoll gebogenen Führungsrohren, die an den Enden mit passenden Befestigungs- oder Montageblechen versehen werden. Zur gezielten Entklapperung – und das ist buchstäblich gemeint – sind die oft verwinkelten Führungsrohrsysteme von außen mit einem Schaumstoffschlauch ummantelt. Dies verhindert gezielt lästige Klappergeräusche im Dach.

Das Gros der Führungsrohrsysteme für Cabrioverdecks und Schiebedächer besteht aus verzinktem Blech. Dabei sorgt die Außenverzinkung der Rohre für eine hohe Korrosionsbeständigkeit des Assemblys, womit ein wesentlicher Vorteil des Laserschweißens bei dieser Anwendung zum Tragen kommt.

Mit dem Laser, der punktgenau bei minimaler Einbringung von thermischer Energie operiert, wird die verzinkte Oberfläche der Rohre nur so geringfügig beschädigt, dass die eigentliche Schutzfunktion der Verzinkung vollständig erhalten bleibt.

Laserschweißen ermöglicht weniger Arbeitsschritte

Mit dem Laserschweißen ist SD Hirsch erstmalig in der Lage, verzinkte Blechrohre und Befestigungsbleche in einem einzigen Arbeitsschritt zu bearbeiten. Selbst die Schaumstoffmäntel für die Entklapperung können bereits auf das Assembly aufgezogen sein, bevor es in der Zelle verschweißt wird.

Der Laser arbeitet so genau und sanft, dass jegliche Verbrennungsgefahr ausgeschlossen ist. Was beim thermisch schwierigen Löten früher in drei Arbeitsschritten – Verfügen von Rohren und Montageblechen, Verzinken des fertigen Assemblys und Ummantelung mit dem Schaumstoffschlauch – absolviert werden musste, ist heute in einem Schritt zu schaffen.

Trotz der Kosten – der Invest für die Laserzelle lag im unteren sechsstelligen Euro-Bereich – rechnet sich die Technikumstellung für den Automobilzulieferer und seine Kunden. Fast aus dem Stand konnten die Herstellungskosten pro Spinne um 10% gesenkt werden.

Bessere Qualität dank Laserschweißen

Neben den Kosten gehört die verbesserte Qualität zu den Highlights des neuen Fertigungsverfahrens. Unter dem Strich hat das Lasern SD Hirsch den stabilsten Prozess beschert, der jemals im Hause gefahren wurde.Dies ist auch das Ergebnis intensiver Detailarbeit bei der Auslegung der bauteilspezifischen Spannvorrichtungen für den Drehtisch. Um eine hohe Fertigungsflexibilität zu garantieren, wurden insgesamt 30 unterschiedliche Vorrichtungen geschaffen, die sich in wenigen Minuten problemlos wechseln lassen.

Ausgefeilte Sensorik in den Spannvorrichtungen sorgt dafür, dass Rohre und Montagebleche mit engen Toleranzen verschweißt werden. Grundsätzlich geht man bei der Kuka-Systems-Anlage von einer Reproduzierbarkeit von ± 0,1 mm aus.

Eine weitere Besonderheit: Die Anlagensteuerung hat eine automatische Vorrichtungserkennung. Der Vorteil liegt darin, dass Roboter und Schweißoptik schon genau wissen, was sie zu tun haben, wenn das aufgespannte Bauteil über den Drehtisch in die Zelle gefahren wird.Genutzt wird diese Intelligenz bei der Mischfertigung. Dort werden abwechselnd Spinnen für unterschiedliche Fahrzeuge hintereinander verschweißt.

Dass sich das Fertigungskonzept bewährt hat, unterstreicht nicht zuletzt die jüngste Order von SD Hirsch. Die zweite Laserzelle soll noch im Herbst am Standort Neubrandenburg ans Netz gehen.

Siegfried Heißler ist Leiter Vertrieb und Projektierung Lasersysteme bei der Kuka Systems GmbH in 86165 Augsburg.

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Siegfried Heißler MM MaschinenMarkt

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