Alternativer Werkstoff Holz spart Werkzeugkosten für die Blechumformung

Um das strategische Ziel – die Erschließung neuer Marktsegmente – verwirklichen zu können, müssen seitens der OEMs und der Zulieferindustrie neue und innovative Fertigungskonzepte entwickelt werden. Speziell für die kleineren und mittleren Stückzahlen wurde in der Vergangenheit eine Vielzahl an alternativen Umformverfahren entwickelt.

Hierbei unterscheidet man zwischen den konventionellen Umformverfahren, wie dem klassischen Tiefziehen, und den wirkmedienbasierten Verfahren, bei denen nur eine formgebende Werkzeughälfte gefertigt werden muss. Bei den konventionellen Verfahren kann zum einen beim konstruktiven Aufbau der Werkzeuge und zum anderen bei den verwendeten Werkzeugwerkstoffen gespart werden.

Speziell im Prototypenbau wurde schon des Öfteren auf nicht alltägliche Werkzeugwerkstoffe zurückgegriffen. Werkstoffe wie beispielsweise Beton, verschiedenste Kunststoffe sowie auch Keramiken wurden auf deren Einsatztauglichkeit als Werkzeugwerkstoff untersucht.

Die Gesamtkostenreduktion von Umformwerkzeugen durch die Substitution der herkömmlichen Werkzeugwerkstoffe durch alternative Werkstoffe ist das Ziel der Forschungsarbeiten am Institut für Werkzeugtechnik & Spanlose Produktion der Technischen Universität Graz. Im Zuge dieses Vorhabens wurde in einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit dem Institut für Holzbau und Holztechnologie die Eignung des nachwachsenden und umweltfreundlichen Rohstoffes Holz als Alternative zu den herkömmlichen Werkzeugwerkstoffen untersucht.

Laubhölzer eignen sich sehr gut für die Blechumformung

In Mitteleuropa wird Holz – entgegen der oftmals geäußerten und publizierten Ansicht – nachhaltig genutzt. Das heißt: Es werden nur rund 60% des jährlichen Zuwachses einer wirtschaftlichen Verwertung zugeführt [1]. Dies trifft insbesondere auf Laubhölzer zu, welche sich für den Einsatz im angesprochenen Projekt sehr gut eignen.

So weist zum Beispiel die letzte österreichische Waldinventur einen Zuwachs dieser Holzarten von rund 15% aus. Insofern gilt es auch auf der Seite der Forst- und Holzwirtschaft als Aufgabe, diesen Holzarten neue Anwendungsgebiete zu erschließen.

Holz weist wegen des optimierten Aufbaus in Bezug auf die Anforderungen des Lebewesens Baum anisotrope Eigenschaften auf, das heißt, die mechanisch-technologischen Eigenschaften in den verschiedenen Beanspruchungsrichtungen – längs, radial und tangential zur Stammrichtung – sind unterschiedlich groß. Holz reagiert auf die umgebenden Feuchtebedingungen durch Volumensveränderungen und behält relativ konstante Eigenschaften bis zu einem Temperaturbereich von rund 75 °C. Auf Grund seines strukturellen Aufbaues ist weiterhin von einer unterschiedlichen Härte der einzelnen Holzarten auszugehen.

Einheimische Holzart für Umformwerkzeuge geeignet

Auf Grund des für den Einsatz in Umformverfahren erforderlichen Einsatzprofiles und der genannten generellen Eigenschaften von Holz bietet sich die (einheimische) Holzart Robinie (lat.: Robinia pseudoacacia) besonders für eine Verwendung an. Diese ursprünglich aus Amerika stammende Baum- und Holzart ist mittlerweile in Europa, insbesondere in Ungarn und der Slowakei, aber auch in den östlichen Teilen Österreichs bestandsbildend.

Robinienholz besitzt, bei einem bestmöglichen Verhältnis der Eigenschaften in Faserlängs- beziehungsweise -querrichtung, exzellente Steifigkeits- und Festigkeitskenngrößen, welche für den beabsichtigten Einsatzzweck neben der sehr großen Härte von essenzieller Wichtigkeit sind. Nebenbei sei erwähnt, dass Robinienholz über eine sehr hohe Dauerhaftigkeit verfügt, wodurch auch die Verwendung in besonders feuchtebeanspruchten Bereichen ohne besondere Vorkehrungen möglich ist.

Stahlstempel zum Umformen wird durch Robinienholz ersetzt

Um das Verhalten dieses Werkstoffes unter Lasteinwirkung analysieren zu können, wurde ein Konzept für die ersten Blechumformversuche erarbeitet. Ziel dieser Versuche war es, die möglichen Grenzen in Bezug auf die Ausformbarkeit kleinster Radien zu ermitteln sowie Aussagen über den Oberflächenverschleiß und die Standfestigkeit des Werkzeuges nach einer bestimmten Hubzahl treffen zu können. Dazu wurde eine Geometrie gewählt, die sowohl kleine wie auch große Radien aufweist und des Weiteren eine geeignete Ziehtiefe besitzt.

Als erstes Testwerkzeug wurde ein bereits bestehendes Prototypen- und Versuchswerkzeugs gewählt, bei dem der Stahlstempel durch einen aus Robinie gefertigten Stempel substituiert und die Matrize aus Stahl belassen wurde. Als Halbzeuge für die Fertigung des Stempels kamen Blöcke aus orthogonal zu ihrer Faserrichtung angeordneten 4,5 mm dicken Robinienfurnieren zum Einsatz. Hierdurch wurde eine bestmögliche Homogenisierung der mechanischen Eigenschaften erreicht.

Spezielle Verarbeitung hält Materialspannung gering

Um die Eigenspannungen des Grundmaterials möglichst niedrig zu halten, kamen gedämpfte Robinienfurniere zum Einsatz. Die Verklebung erfolgte mit einem handelsüblichen PU-Klebstoff. Mit einer Bearbeitungszeit von drei Stunden wurde die gesamte Stempelgeometrie auf einer Holzbearbeitungs-CNC-Fräsmaschine aus dem vorbereiteten Robinienblock gefertigt.

Im Vergleich dazu würde man für die Bearbeitung eines solchen Stempels aus Stahl zirka zwei Arbeitstage benötigen. Mittels Epoxydharz wurden auf der Unterseite des Stempels Gewindebuchsen verklebt, um zum einen eine genaue Positionierung im Tiefziehwerkzeug zu ermöglichen und zum anderen ein mögliches Verrutschen oder Abheben des Stempels zu verhindern.

Hohe Oberflächenqualität bei konventionellem Tiefziehstahl

Als umzuformender Werkstoff wurde ein konventioneller Tiefziehstahl mit einer mittleren Festigkeit von etwa 280 MPa gewählt. Durch eine Versuchsreihe mit 200 umgeformten Bauteilen konnte die grundsätzliche Machbarkeit des Verfahrens nachgewiesen werden. Hervorzuheben ist die hohe Oberflächenqualität der Bauteile, so dass dieses Verfahren insbesondere für Außenhautbauteile geeignet erscheint.

Ein erhöhter Verschleiß zeigt sich in Bereichen von kleinen Radien (3 bis 5 mm), da hier die zulässigen Flächenpressungen des Holzwerkstoffs überschritten werden. Ein Lösungsansatz besteht in der Verwendung von Stahleinsätzen in diesen hochbeanspruchten Werkzeugbereichen.

Falten führen zu Abdrücken im Umformwerkzeug

Ein weiterer hoher Belastungsfall ergibt sich durch die Ausbildung von Falten 2-ter Ordnung. Diese Falten führten zu Abdrücken im Holzwerkstoff. Auch dieses könnte durch den Einsatz von Stahlinlets verhindert werden, sofern sich Falten 2-ter Ordnung nicht grundsätzlich durch die Auslegung der Ankonstruktion bei Strukturbauteilen verhindern lassen. In den großflächigen Bereichen konnte ein sehr gutes Ergebnis in Bezug auf Oberflächenqualität erzielt werden.

Speziell im Bereich der kleinen Serien bietet diese Art der Werkzeugtechnik für großflächige Bauteile zahlreiche Vorteile. Daher wird die Zusammenarbeit der beiden Institute auf diesem Gebiet in Zukunft noch stärker forciert, um das beschriebene Verfahren stetig weiterzuentwickeln.

Literatur:

[1] Republik Österreich, Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft: „Nachhaltige Landwirtschaft in Österreich – Österreichischer Waldbericht 2008“. Wien, 2008, S. 29.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ralf Kolleck ist Leiter des Instituts Tools & Forming, Member of Frank Stronach Institute an der TU Graz; Dipl.-Ing. Christian Koroschetz ist dort wissenschaftlicher Assistent, 8010 Graz (Österreich), Univ.-Prof. Dipl.-Ing. Dr. techn. Gerhard Schickhofer ist Leiter des Instituts für Holzbau und Holztechnologie an der TU Graz, Dipl.-Ing. Manfred Augustin ist dort wissenschaftlicher Assistent.

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