Neuer LOEWE-Schwerpunkt: Kommunikationsregeln für das Internet-Zeitalter

Handy, E-Mail und Internet haben die Kommunikation revolutioniert: Richtig eingesetzt machen sie die Kommunikation effizienter und eröffnen eine Vielfalt neuer Anwendungen. Auf der anderen Seite kann das „Always Online“ auch zu der Gefahr der Überlastung führen.

Der Stressreport 2012 der Bundesanstalt für Arbeitsschutz zeichnet auf, dass inzwischen eine Mehrheit der Beschäftigten im Beruf häufig zu Multitasking gezwungen ist. Im März 2012 legte der DGB eine Studie vor, nach der mehr als ein Viertel der Arbeitnehmer auch in der Freizeit für den Arbeitgeber erreichbar ist. Die Psychologie, die Soziologie, die Wirtschaft und inzwischen auch die Politik suchen nach Konzepten, wie der entstehende psychische Druck zu mindern ist.

Nun macht sich ein Verbund von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus Informatik, Informationstechnik, Psychologie sowie Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Universitäten Kassel und Darmstadt mit dem Projekt „Always Online?“ daran, den Schattenseiten der neuen Kommunikationstechniken zu begegnen, um Innovationen zu ermöglichen. Das Ziel ist insbesondere ein neues Kommunikationsparadigma: Regeln, wer wann wie was und wie viel kommunizieren oder aufnehmen sollte. Flankierend sollen technische Lösungen entwickelt werden, die beispielsweise – ähnlich einem E-Mail-Spamfilter – bestimmte Informationen je nach Zeit und Kontext gar nicht mehr an den Empfänger heranlassen.

Das Land Hessen richtet für das Projekt „Always Online? – ein neues Kommunikationsparadigma für die Kommunikationsgesellschaft“ einen LOEWE-Schwerpunkt mit Sprecherrolle in Kassel ein und unterstützt das Vorhaben für zunächst drei Jahre mit rund 4,1 Millionen Euro. Das gab das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst gestern in Wiesbaden bekannt.

„Die Einrichtung des LOEWE-Schwerpunktes ermöglicht es uns, interdisziplinär Ursachen und Rahmenbedingungen des neuen Kommunikationsverhaltens zu analysieren und ein technisch, rechtlich und nicht zuletzt psychologisch tragfähiges Paradigma zu entwickeln, wie die neuen Kommunikationsmöglichkeiten sinnvoll einzusetzen sind“, erklärte Prof. Dr. Klaus David, Leiter des Fachgebiets Kommunikationstechnik an der Universität Kassel und Koordinator des Projekts. Er verweist auf Volkswagen: Der VW-Betriebstrat setzte kürzlich durch, dass der Konzern künftig nach Feierabend keine Mails mehr an die Smartphones von Mitarbeitern verschickt.

„Das Beispiel zeigt: Der Bedarf an solchen Regeln ist groß und steigt. Wir hoffen, dass sich unser Konzept durchsetzt und in der Gesellschaft zu einer Verhaltensänderung beiträgt, die die Gefahr der Kommunikations-Überlastung minimiert.“ Die zu entwickelnden Empfehlungen sollen zunächst für Wissensarbeiter gelten, langfristig auf weitere Zielgruppen ausgeweitet werden und zukünftige technische Entwicklungen aufgreifen.

„Die hohe Verbreitung und schnelle Innovationen moderner Informations- und Kommunikations-technik, insbesondere des Internets und des Mobilfunks, prägen die moderne Informationsgesellschaft nachhaltig“, umschreibt David die Ausgangslage. „Die Technik ermöglicht eine jederzeitige Kommunikationsbereitschaft unabhängig von Ort und Zeit. Für die Möglichkeit der Informationsaufnahme gilt ebenfalls: any information, anywhere, anytime.“ Die herkömmlichen sozialen Regeln der Kommunikation gelten im modernen Kommunikations- und Informationszeitalter nicht mehr, so David. Die Trennung zwischen Beruflichem und Privatem werde zunehmend aufgehoben, sowohl räumlich als auch zeitlich.

Das Projekt „Always Online?“ startet zum 1. Januar 2014. Die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und ihre Fachgebiete sind im Einzelnen: Prof. Dr. Ralf Steinmetz und Dr. Doreen Böhnstedt (Multimedia-Kommunikation, TU Darmstadt), Prof. Dr. Klaus David (Kommunikationstechnik, Universität Kassel), Prof. Dr. Alexander Roßnagel und Dr. jur. Silke Jandt (Öffentliches Recht, Umwelt- und Technikrecht, Universität Kassel), Prof. Dr. Sandra Ohly (Wirtschaftspsychologie, Universität Kassel), Prof. Dr. Ruth Stock-Homburg (Marketing und Personalmanagement, TU Darmstadt), Prof. Dr. Arno Wacker (Angewandte Informationssicherheit, Universität Kassel).

Die Universität Kassel ist bislang an vier LOEWE-Schwerpunkten beteiligt: den Projekten ELCH (Elektronen-Dynamik chiraler Systeme), VENUS (Informationstechnik-Gestaltung), Cocoon (kooperative Sensorkommunikation) und IPF (integrative Pilzforschung). Die Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz – kurz LOEWE – ist ein Programm, mit dem das Land Hessen seit 2008 die Forschungslandschaft stärkt und herausragende wissenschaftliche Verbundvorhaben fördert.

Info
Prof. Dr. Klaus David
Universität Kassel
Fachgebiet Kommunikationstechnik
Tel.: +49 561 804-6314
Mobil: 0170 2901 602
E-Mail: klaus.david@comtec.eecs.uni-kassel.de

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Sebastian Mense idw

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