Second Life: Mit Avataren "schnuppern"

Virtuelle Welten faszinieren immer mehr Nutzer, allen voran die sich seit 1999 im Internet immer weiter entwickelnde 3D-Welt Second Life des US-Softwarehauses Linden Lab. Mittlerweile geben sich etwa neun Millionen Nutzer – darunter circa zehn Prozent Deutsche – eine virtuelle Identität.

Durchschnittlich bis zu 50.000 Nutzer sind rund um die Uhr in der Second-Life-Welt aktiv unterwegs. Als so genannter Avatar, einer künstlichen Person in der 3D-Welt, kauft sich der registrierte Nutzer beispielsweise Produkte in virtuellen Flaniermeilen oder nimmt an Partys teil.

„Kein Wunder, dass immer mehr Firmen wie Adidas, BMW, IBM oder Sony ihre Marketingaktivitäten auf diese virtuelle Parallelwelt ausdehnen“, schätzt Prof. Dr. Cornelia Zanger, Inhaberin der Professur Marketing und Handelsbetriebslehre der TU Chemnitz, ein. Die Marketingexpertin fragte sich jedoch, welche Wirkungen virtuelle Events wie Produktpräsentationen im Vergleich zum wirklichen Leben erzielen und ob die Marketingaktivitäten in Second Life die Lifekommunikation ersetzen können.

Eine Marktforschungsstudie brachte nun erste Ergebnisse ans Licht. Gemeinsam mit der Hamburger Eventagentur Vitamin-e Events & Emotions GmbH untersuchten Chemnitzer Wissenschaftler am Beispiel einer Parfümpräsentation der Marke „Paco Rabanne“, welche Wirkungen Veranstaltungen in Second Life im Vergleich zu Events im realen Leben erzielen. Die Idee, diesen Markenauftritt einmal wissenschaftlich unter die Lupe zu nehmen, hatten der Agenturmitarbeiter Sven Hildebrand, der an der TU Chemnitz berufsbegleitend „Eventmarketing“ studiert, sowie seine Studiengangsleiterin Prof. Zanger.

Für den Launch des neuen Herrenduftes „Paco Rabanne BlackXS“, der sich an eine junge, trendorientierte und aktive Zielgruppe richtet, startete Mitte des Jahres eine einzigartige Online- und Offline-Crossmediakampagne durch die Hamburger Eventagentur Vitamin-e im Auftrag der Parfum Distribution Hamburg GmbH. Am 12. Mai 2007 wurden sechs reale Orte – Hamburg, Berlin, Düsseldorf, München, Frankfurt und Wien – sowie das „Apfelland“, die größte deutsche Gemeinschaft in Second Life, mittels Satellitenübertragung und 3D-Projektion zu einer Partygemeinschaft verbunden. „Um den neuen Duft auch für die Partygäste in Second Life erlebbar zu machen, konnten die virtuellen Gäste in Berlin, Hamburg und München eine Duftprobe per Expresslieferung ordern. Diese wurde dann innerhalb von 20 Minuten an die Heimatadresse in der realen Welt geliefert“, berichtet Prof. Zanger.

Mit diesen simultan stattfindenden Partys bot sich zum ersten Mal die Gelegenheit, die Wirkung von virtuellen im Vergleich zu realen Events wissenschaftlich zu untersuchen. Dazu entwarfen die Chemnitzer Marketingexperten der TU ein aufwendiges Befragungsdesign. „Befragt wurde an drei zeitlichen Messpunkten – vor, während und nach dem Event – sowohl in der realen als auch in der virtuellen Welt“, berichtet Zanger. Die Befragung in Second Life erfolgte durch virtuelle Hostessen, die die Probanden auf einen Onlinefragebogen verwiesen. Als Anreiz für die Teilnahme an der Vorbefragung erhielten die Befragten eine Einladung für die „Paco Rabanne Night of BlackXS“ in der Diskothek „Big Apple“ in Second Life. Um die Probanden für eine Nachbefragung zu erreichen, wurden während der Vor- und Eventbefragungen in den sechs Großstädten und in Second Life die Kontaktdaten aufgenommen. Insgesamt konnten 1.149 auswertbare Fragebogen gewonnen werden.

Prof. Zanger stellte bei deren Auswertung eine klare Zielgruppendifferenzierung nach dem Alter bei sonst gleicher Interessenlage (Musik, Sport, Mode) fest. Während in Second Life die bis 20-Jährigen und die über 30-Jährigen deutlich besser erreicht wurden, war die Gruppe der 21- bis 30-Jährigen beim realen Event präsent. „Dieses Ergebnis spricht bereits für einen sich gegenseitig ergänzenden Einsatz des Eventmarketings in der realen und virtuellen Welt“, sagt Prof. Zanger. Die Gründe für die Teilnahme der Probanden am realen Event seien die gleichen wie beim virtuellen Event – nämlich „nette Leute kennen zu lernen“ und „Freunde zu treffen“. Während vor der Party die Marke „Paco Rabanne“ den Interessenten für den realen Event zu 72,4 Prozent bekannt war, kannten nur 17,4 Prozent der Befragten in Second Life diese Marke. „Insofern konnte der virtuelle Event zunächst die Markenbekanntheit für die Zielgruppe in Second Life erhöhen“, schätzt die Marketingprofessorin ein.

Die Untersuchung zeigte unter anderem auch, dass Second Life Emotionalisierungspotenziale hat – selbst für ein Produkt wie Parfüm, das in besonderem Maße des Geruchssinnes bedarf. Der Vergleich zwischen den Eventteilnehmern in Second Life, die während des Events eine Duftprobe erhielten und denen, die das neue Parfüm nicht testen konnten, zeigte jedoch, dass das Konzept des verbundenen Einsatzes von realem und virtuellem Event für die Zukunft besonders erfolgversprechend eingeschätzt werden kann. „Die Kopplung der Events in beiden Welten gepaart mit einer realen Erlebnismöglichkeit für die Second-Life-Nutzer führt zu einer deutlich klareren und positiveren Wahrnehmung der Marke in voneinander unterscheidbaren Ziel- bzw. Altersgruppen“, resümiert Prof. Zanger.

Weitere Informationen gibt Prof. Dr. Cornelia Zanger, Professorin für Marketing und Handelsbetriebslehre der TU Chemnitz, Telefon 0371/531-10030, E-Mail cornelia.zanger@wirtschaft.tu-chemnitz.de

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Mario Steinebach idw

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