Jeder Zuschauer sein eigener Programmdirektor


Das Menschenbild manch eines Medienkritikers scheint zynisch: Als sei der Zuschauer nur eine Marionette, die sich auf Knopfdruck steuern ließe von den im Fernsehen gezeigten Bildern. Aggression und Gewalt im Fernsehen produziere aggressive und gewalttätige Kinder, lautet die einfache Formel. Doch ganz so einfach sind die Zusammenhänge nicht, wie die Untersuchungen des Psychologen Prof. Dr. Hanko Bommert von der Universität Münster beweisen.

Der Inhaber eines Lehrstuhls für psychologische Diagnostik versucht, zwei Forschungsstränge, die in den vergangenen Jahren nebeneinander hergelaufen sind, miteinander zu verbinden. Kommunikationswissenschaftler haben den Zuschauer bereits seit langer Zeit im Blick. Doch ihnen gehe es in erster Linie darum, soziodemographische Merkmale der Zuschauer oder die Intensität des Fernsehkonsums zu erforschen. „Doch aus der Psychologie weiß man, dass Personen auf ein und denselben Sachverhalt unterschiedlich reagieren“, nutzt Prof. Bommert die Erkenntnisse seines Fachgebietes. Es reiche nicht, den Zuschauer auf Alter, Geschlecht und Bildung zu reduzieren, auch Aspekte der Persönlichkeit spielten beim Fernsehkonsum eine wichtige Rolle.

Aus verschiedenen Programmsparten wie Unterhaltung, Sport und Kultur wurden Ausschnitte gesammelt und Testpersonen vorgespielt. Mit standardisierten Verfahren wurden Persönlichkeitsmerkmale wie Aggressivität, Offenheit, Toleranz oder Depressivität der rund 500 Zuschauer diagnostiziert und mit ihren Reaktionen in Verbindung gesetzt. Dabei zeigt sich, „dass Persönlichkeitsmerkmale für die Wahrnehmung der Programminhalte wichtiger sind als soziodemographische oder Konsummerkmale“, erläutert der münstersche Psychologe.

Die Untersuchungsergebnisse haben durchaus praktische und nicht zu unterschätzende Konsequenzen: Das Credo der Werbewirtschaft, es reiche, mit einem Spot den Zuschauer so lange zu berieseln, bis dieser quasi willenlos nach der angepriesenen Marke greife, hat sich in Luft aufgelöst. „Der
Empfänger bestimmt, was er aufnimmt und wovon er sich beeinflussen lässt“, meint Prof. Bommert.

Im Augenblick erforscht der Psychologe mit seinem Team den Bereich des journalistischen Interviews. Er will herausfinden, wie diese aufgebaut sein müssen, damit sie das Interesse des Zuschauers finden und auch verstanden werden. Denn auch wenn ein Interview nach allen Regeln der journalistischen Kunst aufgebaut sei, so werde doch mitunter zu wenig berücksichtigt, welche Kenntnisse der Zuschauer habe oder welche Zielgruppe angesprochen werden solle. Dazu ermittelt er wiederum die Persönlichkeitsmerkmale seiner Testpersonen und setzt sie in Verbindung zu der Frage, ob ihnen ein Interview gefallen hat, was sie verstanden und behalten haben und was die Kriterien für Qualität sind. Noch laufen die Tests, doch ein Qualitätsmerkmal kristallisiert sich bereits heraus: Häufig wird bemängelt, dass Journalisten nicht genug nachhaken und nicht aggressiv genug nachfragen. Im nächsten Schritt will er dann die spezifischen Zusammenhänge zwischen Bewertung und Persönlichkeitsmerkmalen herausarbeiten. Als Endprodukt hofft Prof. Bommert, Empfehlungen für Journalisten abgeben zu können.

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Norbert Frie

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