Neu in Heidelberg: Internet öffnet krebskranken Kindern ein Fenster zur Welt


Frei zugängliche Webseite ist das Aushängeschild des Projekts "Onko-Kids" an der Heidelberger Universitäts-Kinderklinik – Mit Hilfe einer Webkamera im Klassenzimmer kann der Kontakt zur eigenen Klasse auch visuell aufrechterhalten werden

Mit der Diagnose Krebs ändert sich das Leben eines Kindes und seiner Familie von einem Tag auf den anderen. Der Diagnose folgt in der Regel die sofortige Klinikeinweisung, das Kind verliert schlagartig seine gewohnte Umgebung und muss mit dem Klinikalltag fertig werden. Hier setzt ein neues Internet-Projekt an der Heidelberger Universitäts-Kinderklinik an. „Onko-Kids“ öffnet krebskranken Kindern ein Fenster zur Welt.

Oft zwei Jahre dauert die Therapie. Ein Chemotherapieblock folgt dem nächsten. Zwischendurch dürfen die Kinder immer mal wieder nach Hause, aber oft sind auch diese Wochen daheim mit Isolation verbunden: Sind die Blutwerte schlecht, muss jeder Kontakt möglichst vermieden werden, da das Immunsystem geschwächt und die Infektionsgefahr hoch ist. Ein normaler Schulbesuch ist nicht möglich. Die Kontakte zu Freunden und Klassenkameraden werden allmählich seltener und reißen oft ganz ab.

Dr. Heide Häberle, psychologische Projektberaterin von Onko-Kids, betreut seit vielen Jahren krebskranke Kinder und ihre Familien in der Kinderonkologie und weiß: „Ein intaktes soziales Umfeld, in erster Linie die Familie und die Schule, sind für die Bewältigung der Krankheit wichtig. Damit können wir auch langfristig Reintegrationsschwierigkeiten vermeiden und stärken das Selbstbewusstsein des kranken Kindes.“ Oft gehegte Befürchtungen vor neuen Medien treten gerade bei schwerkranken Kindern und Jugendlichen in den Hintergrund. Häberle: „Wir sollten alles nutzen, um sie der Normalität ihrer Lebenswelt wieder zuzuführen.“

Hier setzt „Onko-Kids“ an. Bereits während Erkrankung und Klinikaufenthalt wird jetzt via Internet der Kontakt der betroffenen Kinder und Jugendlichen zu Familie, Schule und Freunden aufrechterhalten. „Meine Freunde würden mich nie hier anrufen, aber ich treffe mich jeden Tag mit ihnen im Internet und dann chatten wir. Ohne Internet ist es sehr einsam auf Station, vor allem abends, wenn es leer wird oder am Wochenende, wenn viele entlassen werden.“ Für Jochen, 16 Jahre, ist diese Kontaktmöglichkeit so wichtig, dass er seinen eigenen Computer mitgebracht hat, solange die Station noch nicht am Netz war. Inzwischen betreut er den Chatroom der „Onko-Kids“ und hilft neuen Besuchern der Website, sich zurechtzufinden.

Die frei zugängliche Webseite ist das Aushängeschild der „Onko-Kids“. Hier treffen sich krebskranke Kinder und Jugendliche, aber auch betroffene Eltern, um Kontakte zu knüpfen, sich zu informieren und auch, um eigene Erlebnisse mit Krankheit und Therapie aufzuschreiben und so zu verarbeiten. Die Vernetzung mit der eigenen Klasse ist ein zweiter wichtiger Baustein des „Onko-Kids“-Projekts. Mit Hilfe einer Webcam im Klassenzimmer kann der Kontakt zur eigenen Klasse auch visuell aufrechterhalten werden. In Zusammenarbeit mit der Schule für Kranke entsteht ein pädagogisches Konzept, das hilft, den normalen Lehrplan auch während des Klinikaufenthaltes durchzuführen. „In meiner Klasse wollen meine Freunde eine Arbeitsgruppe bilden, so dass wir uns über Videokonferenzen direkt austauschen können“, sagt der 14-jährige Alex begeistert.

Pilotprojekt der Uni-Kinderklinik mit einem Gymnasium

Die Lehrerin und Medienbeauftragte der Heidelberger „Schule für Kranke“, Gisela Knebel, misst dem Heidelberger Pilotprojekt große praktische Bedeutung zu: „Wir haben hier eine Möglichkeit, die Kontakte unserer Kinder zur Schule aufrechtzuerhalten, was unsere Arbeit als Lehrer entscheidend erleichtert. Wir wollen diese Chance gern für alle unsere Kinder nutzen, aber die technische Umsetzung muss leicht und praktisch sein.“ In der Heidelberger Uni-Kinderklinik wird mit einem Bensheimer Gymnasium dieses Pilotprojekt zwischen einem krebskranken Schüler und seiner Klasse erstmals verwirklicht. „Mit diesem Projekt werden Computer nicht nur in die Schulen gebracht, sondern Schule wird für unsere Patienten überhaupt erst möglich“, betont Dr. Hauke Sieverts, medizinischer Berater von „Onko-Kids“.

Computer auf der Kinderkrebsstation – leider keine Selbstverständlichkeit, sondern Ausnahme. In der Heidelberger Kinderklinik sind mit Hilfe des Zentrums für Informationsmanagement (ZIM) inzwischen die technischen Voraussetzungen in vorbildlicher Weise geschaffen worden. Unabhängige Funkverbindungen bieten die ideale Voraussetzung. Klaus Staab, Leiter des ZIM: „Die PCs können an jedem beliebigen Ort auf Station benutzt werden. Auch die Kinder in den Isoliereinheiten, die ihre Zimmer oft tagelang nicht verlassen, können mit dem Internet verbunden werden.“ Das Funk-Netz basiert auf der gleichen Technik wie das schnurlose Telefon und verbindet die Vorteile der kostengünstigen Installation und der hohen Mobilität ohne störende Verkabelung.

Ein Server verbindet vorerst vier Laptops mit dem Internet. Es sollen noch mehr werden. Die Heidelberger Elterninitiative, die dieses Projekt finanziell und ideell erst ermöglicht hat, hofft auf weitere Spender. Gabriele Geib, die Vorsitzende des Heidelberger Elternvereins für krebskranke Kinder, selbst betroffene Mutter, gab den Anstoß für die Verwirklichung der „Onko-Kids“. „Uns fehlt noch ein Provider, der die Telefongebühren für den Internetzugang übernimmt, auf Dauer können wir Eltern die hohen Kosten nicht selbst aufbringen.“ Gabriele Geib betont, dass sie mit der Ermöglichung des Internet für krebskranke Kinder nicht einfach einem Zeittrend folgt. Die Initiative sei von den Jugendlichen ausgegangen.

Nur kindgerechte Inhalte können angeschaut werden

Jedes Kind, jeder Jugendliche in Heidelberg bekommt einen persönlichen Internetzugang mit altersgerecht gesteuerten Zugriffsrechten auf ausgewählte Internetseiten. Mit einem speziellen Kinderbrowser können nur kindgerechte Inhalte angeschaut werden. Sex und Gewalt, rechtsradikale Inhalte und unkontrollierte Chats können von den Kindern der Station nicht aufgerufen werden. Über die Auswahl und Eignung der Inhalte wacht Renate Sedlak, ausgebildete Medienpädagogin und Projektleiterin. Sie betreut auch die Webseite der „Onko-Kids“ und kümmert sich um die Einweisung der Kinder in die Nutzung des Internet. Nicht strikte Verbote, sondern Medienkompetenz ist gefragt, wenn die Kinder und Jugendlichen den selbstverantwortlichen Umgang mit dem Medium Internet lernen sollen.

Demnächst können die krebskranken Kinder mit einer eigens für sie entwickelten Software, die in Zusammenarbeit mit der Kinderonkologie der Universität Rostock entsteht, virtuelle Welten besuchen und selbst aktiv weiterentwickeln. Die Vernetzung mit anderen pädiatrisch-onkologischen Zentren bundesweit wird vorbereitet, denn der Kontakt zwischen Kindern und Jugendlichen mit schweren, zum Teil sehr seltenen Erkrankungen und der Austausch über die eigenen Erfahrungen leistet große Hilfe, spendet Trost und Mut.

Eine Arbeitsgruppe aus Ärzten und Schwestern, Psychologen und Lehrern, betroffenen Kindern, Jugendlichen und Eltern arbeitet gemeinsam an der Verwirklichung des Projekts „Onko-Kids“. Dr. Sieverts, ein erfahrender und internetbegeisterter Kinderonkologe betont: „Inwieweit dieses Konzept den Betroffen hilft und damit ein Instrument der psychosozialen Betreuung krebskranker Kinder sein kann, entscheiden letztlich die Kinder selbst – dadurch, wie sie dieses Angebot für sich nutzen oder nicht.“ Der Erfolg der Idee bei den Experten ist jedenfalls unbestritten: Die ersten Anfragen aus Österreich und der Schweiz sind bereits da.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website www.onko-kids.de

Rückfragen bitte an:
Renate Sedlak, M.A.
Universitätsklinikum Heidelberg
Abteilung Hämatologie/Onkologie/Immunologie der Kinderklinik
Im Neuenheimer Feld 151, 69120 Heidelberg
Tel. 06221 568379, Fax 565505
renate_sedlak@med.uni-heidelberg.de

oder:
Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317

Weitere Informationen finden Sie im WWW:

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Dr. Michael Schwarz idw

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