Europas Verwaltungen werden vernetzt

EU-Projekt InfoCitizen

Das EU-Projekt InfoCitizen schafft die Voraussetzungen, um die öffentlichen Verwaltungen europaweit miteinander zu verbinden. Jetzt geht der Prototyp der neu geschaffenen Plattform ans Netz: Erstmals in der europäischen Geschichte werden Gemeinden in Italien, Spanien, Griechenland, Portugal und Deutschland Dokumente über das Internet austauschen.
An der Entwicklung der Software sind 11 Partner aus fünf Ländern beteiligt, die Federführung liegt beim Institut für Wirtschaftsinformatik der Saar-Uni (Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer).

Der freie Personenverkehr ist 1993 mit dem Vertrag von Maastricht in den EG-Vertrag aufgenommen worden. Heute können Bürger der EU zwar ohne Grenzkontrolle von Norwegen nach Portugal reisen, jedoch verlangen ihnen bürokratische und administrative Regelungen nach wie vor einiges ab. Ob Umzug oder Hochzeit über Landesgrenzen hinweg: Zahlreiche Behördengänge sind zu erledigen – und die benötigten Dokumente müssen vom Bürger selbst von einer Behörde zur anderen transportiert werden.

Das ist teuer und aufwändig, könnte sich aber schon bald ändern: Im September 2001 gestartet, hat das EU-Projekt „InfoCitizen“ nun die Voraussetzungen dafür geschaffen, Dokumente zwischen öffentlichen Verwaltungen digital auszutauschen, und zwar über nationale Grenzen und vertikale Verwaltungsebenen hinweg (kommunal, regional, national). In Zukunft wird es also sowohl für Bürger als auch für Unternehmen möglich sein, sich in Behördenfragen nur noch an eine einzige Anlaufstelle zu wenden – statt an viele.

Was bringt „InfoCitizen“? Ein Beispiel:

Ein Mann aus Schmelz (Deutschland) und eine Frau aus Thessaloniki (Griechenland) wollen heiraten – in Thessaloniki. Die Geburtsurkunde aus Schmelz wird bei der Anmeldung zur Hochzeit automatisch als XML-Dokument elektronisch beantragt und übermittelt. Nach der Hochzeit senden die griechischen Behörden automatisch eine Heiratsurkunde per Internet an das Standesamt in Schmelz – um Änderungen im Familienbuch vornehmen zu können. Das spart Zeit und Geld. Außerdem können Fehler reduziert werden.

Eines der größten Hindernisse auf dem Weg zur vernetzten Verwaltung war die Tatsache, dass in den Bürostuben unterschiedlichste Systeme verwendet werden, die nicht miteinander kommunizieren können. Aus diesem Grund wurde zunächst eine Interoperabilitätsplattform entwickelt. Sie basiert auf der Multi-Agenten-Technologie, zur Standardisierung der Dokumente wurde XML (Extensible Markup Language) verwendet.

In den nächsten Monaten wird nun der Prototyp der Plattform getestet: Die an dem Projekt beteiligten Gemeinden von Colleferro (Italien), Tres Cantos (Spanien) und Schmelz (Deutschland) sowie die Präfektur von Thessaloniki (Griechenland) werden miteinander vernetzt und können dann erstmals in der europäischen Geschichte standardisierte Dokumente über das Internet austauschen. In der Testphase beteiligen sich am Dokumentenaustausch außerdem das Institut für Wirtschaftsinformatik der Saar-Uni und die Fachrichtung Informatik der Universität Minho (Portugal).

Bei der Konzeption der InfoCitizen Architektur und der Entwicklung des Prototypen wurden Geschäftsprozesse aus verschiedenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung berücksichtigt. So wurden jeweils aus dem Melde-, Standes- und Sozialwesen sowie der Buchung von öffentlichen Dienstleistungen Prozessabläufe erhoben und der Konzeption zu Grunde gelegt. Für die Umsetzung in der Pilotphase wurden aus dem Melde- und Standeswesen Geschäftsprozesse ausgewählt, die aufgrund ihrer Interaktionsintensität eine ganzheitliche Analyse der Kooperation zwischen den Behörden ermöglichen.

InfoCitizen wird von einem Konsortium aus 11 Partnern durchgeführt, die Federführung liegt bei dem von Prof. Dr. Dr. h.c. mult. August-Wilhelm Scheer geleiteten Institut für Wirtschaftsinformatik (IWi) der Saar-Uni. Forschungspartner sind, neben dem IWi, die Universität von Minho in Portugal, das griechische Informatics and Telematics Institute sowie das United Nations Thessaloniki Centre for Public Service; die Tochterorganisation der Vereinten Nationen ist zusätzlich mit der Verbreitung der in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse beauftragt. Die Entwicklung des Prototypen wird von drei Industriepartnern durchgeführt: die Software-Unternehmen Engineering (Italien), Ibermatica (Spanien) und ALTEC (Griechenland).

Von der Europäischen Union, deren erklärtes Ziel die Förderung der innereuropäischen Mobilität ist, wird „InfoCitizen“ mit mehr als zwei Millionen Euro gefördert. Das Projekt dauert noch bis zum 31. August 2003. Die Ergebnisse sollen auch für weitere Projekte verwendet werden.

Kontakt:
Institut für Wirtschaftsinformatik im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz / Saarbrücken, Dirk Werth, Tel. (0681) 302-5236, Fax: (0681) 302-3696, E-Mail: werth@iwi.uni-sb.de

Media Contact

Hochschul- Presseteam idw

Weitere Informationen:

http://www.infocitizen.org

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