Menschen im Umgang mit statistischen Infos schlecht gerüstet

Kognitionspsychologe beschreibt Fehlschlüsse in „Das Einmaleins der Skepsis“

Fehlschlüsse und falsche Interpretationen von statistischen Informationen können fatale Folgen haben: Für die eigene Gesundheit, die eigene Freiheit oder auch das Bankkonto. Diese These belegt der Kognitionspsychologe Gerd Gigerenzer vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in seinem neuen Buch „Das Einmaleins der Skepsis“. Das Buch wurde von „Bild der Wissenschaft“ zum Wissenschaftsbuch des Jahres 2002 gewählt.

Im Lauf der Evolution haben sich bei Menschen bestimmte Denkmuster und Routinen ausgebildet. Diese führen oft schnell und mit wenig Aufwand zu guten Ergebnissen, so Gigerenzer. Menschen sollten sich aber nicht immer auf diese an sich erfolgreichen Denkgewohnheiten verlassen. Gerade für den Umgang mit statistischen Informationen sei der Mensch offenbar nicht gut gerüstet. Zu welchen groben Missverständnissen und Fehlschlüssen es häufig kommen kann, zeigt Gigerenzer an aktuellen Beispielen wie der Diskussion um das Brustkrebs-Screening, der AIDS-Diagnostik, aber auch der DNA-Analyse in der Rechtssprechung und anderen Lebensfeldern. Gezeigt wird dies nicht nur bei Laien. Nachweislich scheitern auch Medizinern, Juristen, Psychologen und Finanzexperten.

Am Beispiel Brustkrebs zeigt Gigerenzer, wie ein informierter Umgang mit unsicheren Ergebnissen zu mehr Gelassenheit und Lebensqualität führen kann. Entgegen landläufiger Annahmen liegt die Wahrscheinlichkeit, dass eine 40-jährige Frau Brustkrebs hat, bei etwa einem Prozent. Ein Krebsherd wird mit 90-prozentiger Sicherheit durch eine Mammografie erkannt. Von den weitaus zahlreicheren nicht an Brustkrebs erkrankten Frauen werden jedoch auch neun Prozent einen falsch-positiven Befund erhalten. Gigerenzer befragte nun Ärzte, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Frau mit einem positiven Mammografie-Befund tatsächlich Brustkrebs hat. Die meisten Ärzte nannten eine Wahrscheinlichkeit im Bereich von 90 Prozent. Doch die tatsächliche Wahrscheinlichkeit ist nur zehn Prozent. Dies lässt sich am Beispiel von 1.000 Frauen schnell demonstrieren: Zehn Frauen von den 1.000 haben Brustkrebs und 990 nicht. Von den zehn krebskranken Frauen erhalten neun ein positives Mammogramm, von den 990 anderen Frauen testen jedoch 89 (neun Prozent) falsch positiv. Insgesamt bekommen damit 98 Frauen einen positiven Befund, doch nur neun davon sind tatsächlich krebskrank, somit weniger als zehn Prozent.

Alle Menschen können auch ohne formale Mathematikausbildung lernen, mit unsicheren Informationen richtig umzugehen, erklärt Gigerenzer. Allerdings müssen Menschen diese Informationen in einer Art gegeben werden, die von Natur aus gut verstanden werden: Anstatt von abstrakten Wahrscheinlichkeiten in Prozentangaben zu reden, sollte man sich lieber die betroffenen Menschen vorstellen, die zu bestimmten Gruppen gehören, wie in dem oben genannten Mammografie-Beispiel. Denn in diesen Kategorien können Menschen offenbar wesentlich klarer denken.

Die Zahlenblindheit der Mehrheit wird auch kommerziell ausgenutzt, sagt Gigerenzer. Als Beispiel nennt Gigerenzer Pharmahersteller. Sie würden ihre Produkte z.B. gerne mit Angaben zur „relativen Risikoverminderung“ bewerben. Senkt z.B. ein Medikament die Sterberate von ursprünglich sechs von 1.000 Personen auf vier von 1.000, so hat sich das Sterberisiko durch die Einnahme dieser Tabletten um 33,3 Prozent verringert. In absoluten Zahlen heißt dies: Durch das Medikament bleiben nur zwei von 1.000 mehr am Leben als ohne Behandlung. Die absolute Verringerung des Risikos ist demnach nur 0,2 Prozent.

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Sandra Standhartinger, pressetext.deutschland

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