Flohkrebse in dunklen Höhlen, Schalenvielfalt bei Muscheln und Pilze im Bernstein

Wie haben sich Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere in und an der Erdkruste im Verlauf der Evolution entwickelt? Mit Entstehung, Ausmaß und Diversität von Leben in der Tiefsee, der kontinentalen Kruste und in Höhlen befassen sich Wissenschaftler am interdisziplinären Courant Forschungszentrum „Geobiologie“ der Universität Göttingen.

Um neue Einblicke in die Gesteins- und Mineralbildung durch organische Verbindungen zu erhalten, untersuchen sie molekulare Prozesse und die biologische Vielfalt der in den Gesteinen lebenden Organismen. Dafür entwickeln sie auch neue Analysemethoden zum Erkennen von organischen Verbindungen in Sedimenten und Gesteinen. Das Courant Forschungszentrum wird am Freitag, 16. Oktober 2009, mit einem Symposium offiziell eröffnet. Die aus Mitteln der Exzellenzinitiative finanzierten Courant Forschungszentren umfassen jeweils mehrere Nachwuchsforschergruppen und sind auf neue Themen konzentriert, für deren Bearbeitung der Wissenschaftsstandort Göttingen spezifische Vorteile bietet.

Die Symbiose von Tieren und Bakterien in dunklen Lebensräumen untersuchen Wissenschaftler der Nachwuchsforschergruppe „Geomikrobiologie und Biosignatur in der Tiefen Biosphäre“. In den Frasassi-Höhlen in der italienischen Region Marken produzieren schwefeloxidierende Bakterien der Gattung Thiothrix mit Hilfe chemischer Energie die Nahrung, die das Höhlen-Ökosystem speist. „Die dort entdeckte Symbiose des Süßwasserflohkrebses Niphargus mit Thiothrix-Bakterien ist erdgeschichtlich noch jung. Dies ermöglicht uns, dieses weit verbreitete Phänomen in seiner Entstehung und frühen Entwicklung zu erforschen“, so Juniorprofessorin Dr. Sharmishtha Dattagupta, die die Nachwuchsforschergruppe leitet. Nach ihrem Studium in Indien wechselte sie für ihre Promotion in die USA an die Pennsylvania State University. Nach rund sieben Jahren Forschungstätigkeit an dieser Hochschule wurde sie im Sommer 2008 an die Universität Göttingen berufen.

Mit der Vielfalt vielzelliger Tiere wie Wasserschnecken und Muscheln im frühen Kambrium vor rund 540 Millionen Jahren befasst sich die Nachwuchsforschergruppe „Evolution der Metazoen“ unter der Leitung von Dr. Daniel J. Jackson. Das Forscherteam untersucht die molekularen Entwicklungswege und biochemischen Reaktionen, die zur Schalenvielfalt der Schnecken und Muscheln geführt haben. Dabei kombinieren sie molekularbiologische Untersuchungen an der Süßwasserschnecke Lymnaea stagnalis, dem tropischen Seeohr Abalone (Haliotis asinina) und der Südsee-Perlmuschel Pinctada maxima mit Genomdaten der Metazoen aus Internet-Datenbanken. Dr. Jackson wurde im Herbst des vergangenen Jahres auf eine Juniorprofessur an der Universität Göttingen berufen. Zuvor lehrte und forschte der Biologe an der University of Queensland in Australien.

Die dritte Nachwuchsforschergruppe am Courant Forschungszentrum befasst sich mit verschiedenen Landpflanzen der Erdgeschichte und deren Umwelt. Eine besondere Rolle spielen dabei Bernsteineinschlüsse als einzigartiges naturgeschichtliches Archiv. Die Wissenschaftler durchsuchen fossile Harze aus aller Welt nach Einschlüssen von Pilzen, Algen und Moospflanzen sowie Resten höherer Pflanzen und erhoffen sich so umfassende Einblicke in die Lebenswelt von Wäldern seit dem Erdmittelalter. Unter anderem wollen sie Wechselbeziehungen von höheren Landpflanzen mit Mikroorganismen und Tieren erforschen. Privatdozent Dr. Alexander Schmidt leitet seit Juli 2008 die Nachwuchsforschergruppe „Evolution der Landpflanzen und Entwicklung der terrestrischen Ökosysteme“. Der Biologe wechselte vom Museum für Naturkunde der Humboldt-Universität zu Berlin an die Georgia Augusta.

Im Rahmen des Symposiums „Development of Early Life and Organic-matter-controlled Rock- and Mineral-forming Processes“ präsentieren die Leiter der Nachwuchsgruppen ihre Forschungsvorhaben. Prof. Dr. Joachim Reitner, Leiter des Courant Forschungszentrums, stellt moderne Konzepte geobiologischer Forschung vor; darüber hinaus präsentieren Wissenschaftler aus Kiel, Münster und dem französischen Dijon ihre Forschung. Zur Eröffnung des Symposiums sprechen außerdem Universitäts-Vizepräsidentin Prof. Dr. Hiltraud Casper-Hehne und Prof. Dr. Sharon Webb, Dekanin der Fakultät für Geowissenschaften und Geographie.

Hinweis an die Redaktionen:
Das Symposium zur offiziellen Eröffnung des Courant Forschungszentrums findet am Freitag, 16. Oktober 2009, im Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen, Goldschmidtstraße 3-5, Hörsaal MN14, statt. Beginn ist um 14 Uhr. Die Tagungssprache ist Englisch. Journalisten sind zur Teilnahme herzlich eingeladen. Gesprächs- und Interviewwünsche bitte vorab bei Prof. Dr. Joachim Reitner anmelden.
Kontaktadresse:
Prof. Dr. Joachim Reitner
Georg-August-Universität Göttingen
Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
Abteilung Geobiologie
Goldschmidtstraße 3-5, 37077 Göttingen
Telefon (0551) 39-7950, Fax (0551) 39-7918
E-Mail: jreitne@gwdg.de

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Dr. Bernd Ebeling idw

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