Hochaltrige und Demenz

Bundesministerin Bergmann stellt den Vierten Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland vor

„Risiken, Lebensqualität und Versorgung Hochaltriger – unter besonderer Berücksichtigung demenzieller Erkrankungen“ ist das Thema des Vierten Altenberichts, zu dem das Bundeskabinett heute eine Stellungnahme der Bundesregierung beschlossen hat. Der Anteil der Hochaltrigen an der Gesamtbevölkerung wächst. Der Vierte Altenbericht dokumentiert auf rund 350 Seiten im Auftrag der Bundesregierung erstmals die Lebenslagen von über 80-Jährigen in Deutschland. Ein Schwerpunkt des Berichts liegt auf Demenzerkrankungen von Hochaltrigen.

Mit dem Vierten Altenbericht legt die Bundesregierung einen Spezialbericht vor. Nach der Gesamtanalyse zur Lage der älteren Generation im Dritten Altenbericht ist dies bereits der zweite Altenbericht in dieser Legislaturperiode. Die Analyse wurde von einer interdisziplinär zusammengesetzten Sachverständigenkommission unter der Leitung von Prof. Dr. Siegfried Kanowski erstellt.

Zur Veröffentlichung des Vierten Altenberichts erklärt die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Dr. Christine Bergmann: „Der demographische Wandel kommt einer schleichenden Revolution gleich. Die Bevölkerungspyramide wird sich innerhalb von nur 100 Jahren komplett gewandelt haben. 1950 gab es etwa doppelt so viele Menschen unter 20 wie über 59 Jahren; im Jahr 2050 wird sich dieses Verhältnis genau umgekehrt haben. In fünfzig Jahren werden knapp acht Millionen Menschen 80 Jahre oder älter sein. Unsere Gesellschaft muss sich auf die wachsende Zahl Älterer und Hochaltriger einstellen – nicht nur auf neue medizinische Anforderungen, sondern auch auf neue soziale Herausforderungen. Ein neues Bild des Alters und ein neuer Umgang mit dem Alter sind erforderlich. Die Seniorenpolitik der Bundesregierung ist darauf ausgerichtet, dass ältere Menschen möglichst lange selbstständig bleiben können und den Schutz und die Hilfe erhalten, die sie brauchen.“

Insbesondere die Zahl der Hochaltrigen wird in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Gegenwärtig sind in Deutschland rund 2,9 Millionen Menschen 80 Jahre oder älter. In zwanzig Jahren werden es rund 5,1 Millionen oder 6,3 Prozent der Bevölkerung sein, in fünfzig Jahren 8 Millionen, das entspricht gut 11 Prozent der Bevölkerung. Hochaltrigkeit ist dabei überwiegend weiblich. Drei Viertel der über 85-Jährigen sind Frauen.

Bundesministerin Bergmann betont: „Alle Lebensphasen sind gleichwertig. Eine Geringschätzung des Alters und der Hochaltrigkeit darf es nicht geben. Die Bundesregierung hat mit einer Vielzahl von Gesetzen und Reformen die Weichen für den demographischen Wandel gestellt und die Rahmenbedingungen für eine alternde Gesellschaft gesetzt. Das Altenpflegegesetz, das die Altenpflegeausbildung bundeseinheitlich regelt, die Novellierung des Heimgesetzes, das Pflegequalitätssicherungs- und das Pflegeleistungsergänzungsgesetz sowie das Neunte Sozialgesetzbuch sind bedeutende Schritte auf diesem Weg. Die Bundesregierung hat sich damit bereits zentralen Empfehlungen der Kommission zur gesundheitlichen Versorgung Älterer angenommen.“

Zentrale Aussagen des Vierten Altenberichts

Dem Vierten Altenbericht liegt das Leitbild zugrunde, dass Menschen in allen Lebensabschnitten – also auch in der Hochaltrigkeit – Personen sind, die ein selbstständiges und selbstbestimmtes Leben führen. Das gilt grundsätzlich ebenso für demenziell erkrankte ältere Menschen.

Hochaltrige sind so verschieden und leben so verschieden wie Menschen anderer Altersgruppen auch. Das hohe Alter bietet kein einheitliches Bild. Es bestehen vielmehr große und mit dem Alter zunehmende Unterschiede hinsichtlich der Befindlichkeit, der psychischen und der körperlichen Gesundheit älterer und hochaltriger Menschen.

Hochaltrige haben ein hohes subjektives Wohlbefinden, obwohl sie eine Vielzahl von Belastungen bewältigen müssen. In keiner anderen Altersphase gibt es so viele Einschnitte in das soziale Netzwerk, sei es durch den Tod des Partners oder der Partnerin, von Familienangehörigen und von Freunden.

Gesundheit und Versorgungssystem

Im „dritten Lebensalter“ sind heute die meisten Menschen aktiv und gesund. Jenseits des 80. Lebensjahres hingegen wird der Anteil der Gesunden und Selbstständigen deutlich kleiner. Dies spiegelt sich u.a. in der Zahl derjenigen, die Leistungen der Pflegeversicherung beziehen: Von den 60- bis 64-Jährigen sind nur 1,6 Prozent pflegebedürftig, von den 80- bis 84-Jährigen bereits 38 Prozent und bei den über 90-Jährigen mehr als 60 Prozent. Frauen werden mit dem Alter stärker pflegebedürftig als Männer: Von den über 90-Jährigen sind zwei Drittel der Frauen gegenüber 42 Prozent der Männer pflegebedürftig.

Die Familie ist, so weit es sie gibt, nach wie vor der zentrale Ort für die soziale Einbindung sowie der emotionalen und praktischen Unterstützung Hochaltriger. Bei zwei von drei 70- bis 85-Jährigen wohnt ein Kind am gleichen Ort oder näher. Familien leisten in Deutschland den Großteil der Pflege. Fast 90 Prozent aller Pflegebedürftigen und chronisch Kranken in Privathaushalten werden von ihren Angehörigen betreut. Derzeit sind etwa 80 Prozent der pflegenden Angehörigen Frauen.

Die Kommission empfiehlt eine „Integrierte Beratung“, um die Übersichtlichkeit der vorhandenen Hilfeangebote im Pflege- und Gesundheitsbereich zu erhöhen. Das Modellprogramm „Altenhilfestrukturen der Zukunft“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt in der kommunalen Altenhilfe geeignete Wege auf, die Informations- und Beratungsmöglichkeiten für ältere Menschen, die Abstimmung bereits vorhandener Angebote, die Zusammenarbeit über Systemgrenzen hinweg sowie eine stärkere Verknüpfung von Altenhilfe und Rehabilitation zu optimieren. Von den 20 Projekten des Modellprogramms widmen sich dabei 8 der Versorgung Demenzerkrankter.

Demenz

Mit der steigenden Zahl Hochaltriger wächst die Anzahl der Demenzerkrankten. Bei den über 80-Jährigen ist heute jeder fünfte betroffen, bei den über 90-Jährigen jeder dritte. Insgesamt leiden Schätzungen zufolge über 900.000 Menschen an einer mittelschweren oder schweren Demenz, etwa zwei Drittel von ihnen an der Alzheimer Krankheit. In den nächsten Jahren ist mit einem Anstieg der Zahl Demenzerkrankter zu rechnen: Bis zum Jahr 2020 wird ihre Zahl von unter 1 Millionen auf ca. 1,4 Millionen steigen und weiter auf mehr als 2 Millionen bis zum Jahr 2050 anwachsen. Zwei Drittel der Menschen mit Demenzerkrankungen werden zu Hause von ihren Angehörigen versorgt. Für die Angehörigen stellt die Betreuung und Pflege von demenzerkrankten Familienmitgliedern oft eine große Herausforderung und Belastung dar.

Um die Selbstständigkeit und die Würde der Erkrankten zu erhalten, sind niedrigschwellige Angebote der Unterstützung von Angehörigen und Pflegenden notwendig, betont der Bericht. Die Bundesregierung unterstützt pflegende Angehörige von Demenzkranken. Ein zentrales Beratungsangebot, das „Alzheimer-Telefon“, wird von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft betrieben, die vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert wird. Ziel ist es, die Alltagskompetenz im Umgang mit Demenzerkrankten zu erhöhen.

Finanzielle Situation

Wie in anderen Altersgruppen bestehen auch bei Hochaltrigen Unterschiede bei Einkommen und Vermögen. Der Bericht konstatiert, dass die finanzielle Lage Hochaltriger nicht generell Anlass zur Besorgnis gibt. Jeder fünfte Hochbetagte verfügt allerdings über weniger als die Hälfte des Durchschnittseinkommens der Bevölkerung; bei den über 80-jährigen Frauen ist es jede vierte. Dies ist meist eine Folge niedrigen Einkommens während der Erwerbsphase.

Hochaltrige nehmen mit 1,4 Prozent (1999) relativ selten Sozialhilfe in Anspruch. Nach einer Heimunterbringung sind Hochaltrige jedoch häufig auf ergänzende Sozialhilfeleistungen angewiesen.

Wohnbedingungen

Hochaltrige wohnen mit zunehmendem Alter allein in ihrem Haushalt. Von den 70- bis unter 75-Jährigen sind es 31,8 Prozent, von den 75- bis unter 80-Jährigen 46 Prozent und von den über 80-Jährigen 60,1 Prozent. Sie müssen vielfach mit ungünstigen Wohnbedingungen zurechtkommen, die nicht auf Mobilitätseinschränkungen oder auf Hilfe- und Pflegebedarf ausgerichtet sind. Vorbeugende Maßnahmen der Wohnungsanpassung und der Wohnberatung können dazu beitragen, dass ältere Menschen selbst bei Hilfe- und Pflegebedürftigkeit in der eigenen Wohnung verbleiben können.

Die Bundesregierung hat mit dem Modellprojekt „Selbstbestimmt Wohnen im Alter“ hier wichtige Weichen gestellt: Im Modellprojekt wird gezeigt, wie der Wohnraum und das Wohnumfeld den besonderen Bedürfnissen des Alltags älterer Menschen angepasst sein müssen, z.B. mit praktisch einsetzbaren Hilfen und einer flexiblen Wohnungsgestaltung.

Bundesministerin Bergmann betont bei der Vorstellung des Vierten Altenberichts abschließend: „Die Bundesregierung unterstützt ausdrücklich das Anliegen der Sachverständigen, Menschen in hohem Alter möglichst weitgehende Selbstständigkeit, Unabhängigkeit und Würde zu bewahren.“

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