3,8 Millionen Euro für die Herz-Kreislauf-Forschung

Mit rund 3,8 Millionen Euro wird die Deutsche Forschungsgemeinschaft in den Jahren 2002 bis 2004 den Sonderforschungsbereich 355 „Pathophysiologie der Herzinsuffizienz“ an der Uni Würzburg fördern. In dieser Einrichtung untersuchen Mediziner, Biologen und Physiker gemeinsam das Problem des chronischen Herzversagens. Diese fachübergreifende Kooperation ist in Deutschland einmalig.

Der Sonderforschungsbereich (SFB) 355 besteht seit neun Jahren. Im Juli 2001 wurde er von der Deutschen Forschungsgemeinschaft begutachtet, und in diesen Tagen wurde die finanzielle Förderung für weitere drei Jahre bewilligt. Sprecher des SFB ist Prof. Dr. Georg Ertl, Direktor der Medizinischen Klinik.

Es sind ganz unterschiedliche Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt, Herzklappenfehler und Herzmuskelentzündungen, die zum chronischen Herzversagen, der so genannten Herzinsuffizienz, führen. In den 90er Jahren trat das chronische Herzversagen in den westlichen Industrienationen immer häufiger auf und immer mehr Patienten starben daran.

Weil andere Erkrankungen des Herzens, wie der akute Herzinfarkt, heute sehr wirkungsvoll behandelt werden können, überleben Patienten mit schweren Herzschädigungen länger und erleben dann ein chronisches Herzversagen. Meist tritt das Leiden nicht unmittelbar im Zusammenhang mit der Grunderkrankung auf, sondern entwickelt sich schleichend aufgrund einer chronischen Überlastung des Herzmuskels. Bei schweren Symptomen – insbesondere Atemnot, Wasseransammlungen im Körper und Leistungseinschränkung – ist die Lebenserwartung hochgradig eingeschränkt und beträgt meist nur noch wenige Jahre.

Mitte der 80er Jahre wurde das Überleben der Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz erstmals medikamentös verbessert, was als großer Durchbruch in der Therapie gewertet wurde. Der Ansatz der Behandlung war es, das Herz durch gefäßerweiternde Medikamente mechanisch zu entlasten.

Es stellte sich jedoch heraus, dass in Abhängigkeit vom Wirkungsprinzip der Medikamente große Unterschiede in der Wirksamkeit bestanden. Es folgte eine fieberhafte Suche nach Wirkmechanismen und damit gleichzeitig nach der Pathophysiologie, also den Grundlagen der Entwicklung des chronischen Herzversagens. In diese Zeit, Anfang der 90er Jahre, fiel die Gründung des SFB 355.

Das Antragskonzept schloss von Anfang an diagnostische Methoden von der Grundlagenforschung bis zur klinischen Anwendung ein. So wurde eine enge Zusammenarbeit von medizinischen Instituten und Kliniken mit der Biophysik (Prof. Dr. Axel Haase) aufgebaut.

Die Untersuchungsmethoden im SFB entwickelten sich kontinuierlich hin zur Analyse von kleinsten Zellbausteinen und Strukturen, die für die Steuerung des Wachstums und der Funktion der Herz-, Gefäß- und Blutzellen verantwortlich sind. Hierfür werden in den vergangenen Jahren zunehmend genetisch veränderte Tiere eingesetzt, bei denen bestimmte Krankheiten imitiert oder bei denen die Funktionen eines einzelnen Gens und des von ihm kodierten Proteins untersucht werden. Dies ist nur dann möglich, wenn an diesen so genannten transgenen Tieren, bei denen es sich in der Regel um Mäuse handelt, eine präzise Diagnostik der Herz-Kreislauf-Funktion durchgeführt werden kann.

Die geringe Größe der Tiere und ihre hohe Herzschlagrate (600 pro Minute) machten erhebliche methodische Entwicklungen notwendig: „Die Technologie der Kernmagnetresonanz (NMR) erlaubt es uns heute, an kleinen Nagern nicht nur die Struktur des Herzens und die Herzwandbewegungen zu analysieren, sondern auch die Herzmuskeldurchblutung und den Herzstoffwechsel“, so Prof. Ertl. Im SFB 355 ist auf diese Weise die Untersuchung von Zellkulturen bis hin zu Patienten möglich.

Besonders fruchtbar für die Entwicklung von NMR-Methoden war einerseits die methodische Grundlagenforschung in der Biophysik, andererseits die Übertragung der Ergebnisse in Biologie und Medizin durch kooperative Arbeitsgruppen aus der Biophysik, der Radiologie und der Kardiologie. Diese national einmalige Symbiose stellt laut Prof. Ertl auch international ein hochrangiges Charakteristikum des SFB dar.

Typisch für den SFB 355 ist zudem die enge Verknüpfung von Arbeiten zur Gefäßbiologie und über Funktionsstörungen des Herzens. Im Vordergrund steht die Analyse der Endothelfaktoren: Das Endothel ist ein hoch spezialisierter Zellverbund, der alle Blutgefäße auskleidet und zusammen mit den Blutzellen für die Blutstillung und Wundheilung sorgt. So können die Zellen des Endothels Faktoren produzieren, welche die Herz-Kreislauf-Funktion wesentlich beeinflussen.

Eine wichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang das „Vasodilator-Stimulated-Phosphoprotein“ (VASP), das in der Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Ulrich Walter am Institut für Klinische Biochemie und Pathobiochemie weltweit führend bearbeitet wird. Störungen in diesem Protein können eine spezielle Form der Herzmuskelerkrankung mit Herzerweiterung hervorrufen. Fehlt das Protein ganz, dann funktionieren die für die Blutgerinnung wichtigen Blutplättchen nicht mehr richtig.

Am Institut für Pharmakologie und Toxikologie untersuchen die Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Martin Lohse Strukturen am Herzmuskel (Beta-1-Rezeptoren und Angiotensin-AT1-Rezeptoren), welche die Wirkungen von Stresshormonen des sympathischen Nervensystems, der Nebenniere und Niere vermitteln.

Die Entwicklung des SFB 355 hat sich an der Uni Würzburg auch strukturell niedergeschlagen: Es wurde ein Zentrum für kardiale Bildgebung gegründet, das eine Ringvorlesung betreut und weitere Aktivitäten koordiniert. Im Jahr 2000 entstand das Herz-Kreislaufzentrum der Universität Würzburg, das die Aufgaben von Patientenversorgung, Forschung, Lehre und Weiterbildung koordiniert. Unter anderem hat es sich dieses Zentrum zur Aufgabe gemacht, in Würzburg und Umgebung ein Netzwerk für Patienten mit chronischem Herzversagen zu bilden.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Georg Ertl, T (0931) 201-5300, Fax (0931) 201-5302, E-Mail: 
g.ertl@medizin.uni-wuerzburg.de

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Robert Emmerich idw

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