Künstliche Schnurrbarthaare als High-Tech-Sensoren

Nachgebildete Schnurrbarthaare sollen Roboter der Zukunft noch sensibler machen. Forscher der Northwestern University in Evanston/Illinois haben solche artifiziellen Schnurrbarthaare aus Federstahl nachgebaut, berichtet das Wissenschaftsmagazin Nature. In Zukunft sollen Roboter damit ausgestattet werden, um noch genauere Daten zu sammeln – etwa bei der Erkundung fremder Planeten, in der Tiefsee oder gar im Inneren von Pipelines.

Joseph Solomon und Mitra Hartmann haben sich die Rattenschnurrbärte genauer angesehen und festgestellt, dass diese die dreidimensionale Form von Objekten erfassen können. „Die mysteriöse Koordinate war jene der Abmessungserfassung“, meint die Biomechanikerin Hartmann. Wenn die Ratten Oberflächen abtasten, drehen sie die einzelnen Schnurrbarthaare so lange, bis sie irgendwo anstoßen. Dadurch sind sie in der Lage, die genaue Position von Gegenständen zu erfassen. Die Seehundbarthaare funktionieren etwas anders, da sie auf Strömungsveränderungen reagieren. Beide Barthaare arbeiten allerdings nach dem gleichen Prinzip, nämlich, dass die Haare bei Auftauchen eines Gegenstandes gebogen werden, weil Kräfte auf diese Sensoren wirken.

In den Versuchen konnten die Wissenschaftler feststellen, wie exakt diese Sensoren bei den Tieren funktionieren. Die künstlichen Barthaare der Ratte waren vier unterschiedlich lange Drähte aus Federstahl, die am Ende mit Dehnungsmesser versehen waren. In ersten Tests erwiesen sich diese als optimal geeignet, die tatsächliche Form des Objekts festzustellen. Für die Untersuchung der Strömungshärchen veränderten die Wissenschaftler die Versuchsanordnung. Dabei wurden je vier Kunststoffbarthaare versetzt an zwei verschiedenen Balken befestigt. Als Luft über die künstlichen Barthaare geblasen wurde, konnten sie die Strömungsgeschwindigkeit mithilfe der Dehnungsmesser genau errechnen. Die Forscher vermuten, dass die Veränderungen des Biegemoments in der Natur das Vibrationssystem der Barthaare ergänzt, mit dem Tiere die Beschaffenheit von Oberflächen wahrnehmen. In weiterer Folge sollen die künstlichen Barthaare so verfeinert werden, dass man Strömungen auch in 3D darstellen kann. Diese Anwendungen würden sich optimal dafür eignen, um Blockaden in Pipelines schnell aufzuspüren.

„Diese Idee ist hervorragend“, meint der Bioniker Rudolf Bannasch von der TU-Berlin und wissenschaftlicher Koordinator des Bionik-Kompetenznetzes Biokon im pressetext-Gespräch. Er sei als Polarforscher vor einigen Jahren auf die Idee gekommen, sich die Barthaare einer Weddell-Robbe genauer anzusehen, die blind, aber wohl genährt war. „Bei der Betrachtung dieser Barthaare, so genannter Vibrissen – so heißen die Sinus-, Tast- oder Schnurrhaare – konnten wir bis zu 5.000 Nervenendungen entdecken“, so der Forscher. Bei der Verwendung einer solchen Vibrisse in einem Plattenspieler anstelle einer Nadel, konnte der Forscher bei verschiedenen Geschwindigkeiten variierende Töne feststellen. „Andere Wissenschaftler wie etwa der Neurobiologe und Zoologe Guido Denhardt von der Universität Bochum haben die taktilen Fähigkeiten von Robben weiter untersucht.“

Die Tasthaare der Robben sind so sensibel, dass sie damit Wasserbewegungen von weniger als einem Tausendstel Millimeter wahrnehmen können, kam Denhardt zum Schluss. Bannasch hatte die Idee diese Sensoren in Dehnmessstreifen durch das Wasser zu ziehen. „Dabei konnten wir feinste Wirbelströme über große Distanzen hinweg verfolgen.“ Diese Technologie wurde bereits von russischen U-Booten genutzt, um Schiffe oder andere U-Boote verfolgen zu können.

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Wolfgang Weitlaner pressetext.austria

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