Insolvenzrecht auch für Staaten

Die Massenproteste und die politisch instabile Lage in Argentinien haben die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf die noch immer ausstehende Lösung der internationalen Schuldenkrise gelenkt. Ein viel diskutierter Lösungsvorschlag ist die Einführung eines Insolvenzrechts für Staaten. Die Begründung und mögliche Ausgestaltungen einer solchen Regelung werden auf einer fachübergreifenden Tagung diskutiert, die das Institut für Christliche Sozialwissenschaften der Universität Münster in Kooperation mit und in der Akademie „Franz Hitze Haus“ vom 17. bis 19. Januar 2002 veranstaltet. Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen wollen erörtern, wie Entschuldung aus philosophischer und theologischer Perspektive begründet und konkret mit Hilfe eines Insolvenzrechts für Staaten umgesetzt werden kann.

Vorbereitet wurde die Tagung von Projektmitarbeitern des Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, die mit einem von der VW-Stiftung geförderten Forschungsprojekt das Ziel der „Wirtschaftsethischen Beurteilung aktueller Lösungsstrategien zur Überwindung der Internationalen Schuldenkrise“ verfolgen. An dem Forschungsprojekt arbeiten unter Leitung von Prof. Dr. Dr. Karl Gabriel, Direktor der Instituts für Christliche Sozialwissenschaften, seit gut zwei Jahren der Wirtschaftswissenschaftler Dr. Martin Dabrowski, der Diplom-Theologe Andreas Fisch und der Philosoph und Theologe Dr. Christoph Lienkamp. Sie gehen unter anderem der Frage nach, ob die Institution des Insolvenzrechts, die bislang nur auf nationaler Ebene existiert, auch international auf verschuldete Länder angewendet werden kann. Dabei geht es den Forschern darum, fächerübergreifend die biblischen Forderungen nach Gerechtigkeit sowohl philosophisch zu begründen als auch in die Sprache der Wirtschaft zu übersetzen.

So bezieht Andreas Fisch aus der biblischen Option für die Armen die sozialethischen Argumente für ein Insolvenzrecht für Staaten, denn es seien die sozial Benachteiligten der jeweiligen Länder, die die Lasten der Verschuldung zu tragen hätten. Um die Verwirklichung eines Insolvenzrechtes für Staaten theoretisch zu begleiten müssen nach Ansicht von Christoph Lienkamp die herkömmlichen, vornehmlich auf die nationale Ebene bezogenen Gerechtigkeitstheorien, weiterentwickelt werden. Dass aber Entschuldung nicht allein ethisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll und notwendig ist, stellt Martin Dabrowski heraus, denn die grundsätzlich positive Integration möglichst vieler Staaten und Wirtschaftssubjekte in den Weltmarkt kann nur durch die Überwindung der internationalen Schuldenkrise erreicht werden. Nur durch einen konditionierten Schuldenerlass für hochverschuldete Länder ist nach Ansicht des Projektteams die dringend notwendige Verbesserung der Lebenssituation der armen Bevölkerung und eine eigenständige wirtschaftliche Entwicklung möglich.

Dabei zielt das interdisziplinäre Forschungsprojekt darauf ab, ethische Forderungen nicht unabhängig von der ökonomischen Diskussion zu erheben und gleichzeitig die ökonomische Sachlogik einer ethischen Beurteilung zu unterziehen. Dieser fächerübergreifende Ansatz war unter anderem dafür ausschlaggebend, dass die Volkswagen-Stiftung das Forschungsprojekt fördert. Auch der Fachkongress wird vom interdisziplinären Dialog geprägt sein. Die Veranstalter erwarten eine intensive Diskussion darüber, ob das Insolvenzrecht für Staaten eine angemessene Strategie zur Lösung der Schuldenkrise ist. „Von den vorliegenden Beiträgen erwarten wir die kritische Reflexion unserer Forschungsthese, dass das Insolvenzrecht für Staaten der erfolgversprechendste Ansatz zur Überwindung der internationalen Schuldenkrise und zur Verhinderung zukünftiger Schuldenkrisen ist“, betont Projektmitarbeiter Dr. Martin Dabrowski.

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Norbert Frie idw

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