Deutsche Hochschulen im Urteil ausländischer Studierender oft nur Mittelmaß

Mannheimer Wirtschaftswissenschaftlerin untersucht in ihrer Dissertation die Attraktivität deutscher Hochschulen für ausländische Studierende – Vorschlag eines umfassenden Marketingkonzepts zur Imageverbesserung

Spätestens seit der Veröffentlichung der „Pisa-Studien“ vor einigen Wochen ist der Bildungsstandort Deutschland ins Gerede gekommen. Nicht nur die Ausbildung an den Schulen ist immer häufiger Gegenstand von Diskussionen. Eine Reihe von Indizien nähren die Befürchtung, dass ein Studium in Deutschland im Ausland an Attraktivität verloren hat. Wie es tatsächlich um das Image der deutschen Hochschulen bei ausländischen Studierenden bestellt ist, hat Dr. Stefanie Jensen jüngst an der Fakultät für Betriebswirtschaftslehre der Universität Mannheim in ihrer Dissertation empirisch untersucht. Das Ergebnis der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftlerin gibt Anlass zur Besorgnis und zum Handeln: In zahlreichen Punkten verteilen ausländische Studierende an deutsche Hochschule nur mittelmäßige Noten. „Ohne gezieltes Marketing könnte Deutschland schon bald die Chance vergeben haben, die künftige Bildungselite anderer Nationen auszubilden“, urteilt Jensen.

In der Rangliste der Bildungsexporteure rangiert Deutschland noch immer hinter den mit Abstand dominierenden USA und den britischen Inseln an dritter Stelle. „Dieses Ergebnis ist vor allem der großen Zahl von jungen Osteuropäern zu verdanken, die es zu einem Vollzeitstudium nach Deutschland zieht. Dagegen finden nur relativ wenige Personen aus dem wirtschaftlich boomenden südostasiatischen Becken und dem amerikanischen Kontinent den Weg zu uns. Und gerade in den technischen und naturwissenschaftlichen Fächern ist die Ausländerquote rückläufig“, relativiert Jensen dieses Ergebnis. In ihrer Untersuchung befragte sie zum einen ausländische Studierende der Betriebswirtschaftslehre an 21 deutschen Universitäten, zum anderen Studierende der Wirtschaftswissenschaften an US-amerikanischen, kolumbianischen, pakistanischen und französischen Hochschulen, die einen Auslandsaufenthalt planten. Als Determinanten der Attraktivität eines Studienlands identifizierte Jensen die Lebens- und Studienbedingungen im Gastland, die psychische Nähe zum Gastland, das wahrgenommene Risiko der Studienlandwahl, den Einfluss der Bezugsgruppe und das Landesimage.

Die Ergebnisse der Befragung zeigen deutlich, dass neben den Studienbedingungen besonders die Lebensbedingungen und die psychische Nähe im Gastland für ausländische Studierende von zentraler Bedeutung sind. Und gerade bei der Beurteilung dieser „weichen“ Faktoren schneidet Deutschland keineswegs optimal ab. Während in Deutschland studierende Ausländer neben der mangelnden Betreuung während des Studiums besonders die mit der Ausbildung verbundenen Kosten und die in der Bevölkerung wahrgenommene Ausländerfeindlichkeit bemängeln, bewerten die im Ausland Befragten Deutschland besonders in Bezug auf die physische Nähe, also den „Wohlfühlfaktor“, nur mäßig. „Diese Resultate verdeutlichen, dass eine Verbesserung ausschließlich direkt studienbezogener Aspekte eine geringere Auswirkung auf die wahrgenommene Attraktivität eines Studienlandes nach sich zieht als dies bei einer Veränderung der Rahmenfaktoren der Fall wäre“, erklärt Jensen.

In dem Gesamturteil beider befragter Gruppen erreicht das Studienland Deutschland keinen Spitzenplatz. In der Beliebtheitsskala der hierzulande Studierenden nimmt die Bundesrepublik Rang zwei ein, in der Gunst der im Ausland Befragten bleibt sogar nur Platz fünf. Bei letzterer Gruppe wird die Präferenz für englischsprachige Länder klar sichtbar. „Es lässt sich die Vermutung bestätigen, dass der Grad der Beherrschung der Gastlandsprache die wahrgenommene Attraktivität eines Studienorts beeinflusst“, so Jensen.

Daher ist auch das vermehrte Angebot fremdsprachiger Kurse für die Autorin ein Schlüssel zu einer Imageverbesserung, wenngleich sie einer ganzheitlichen und langfristig ausgerichteten Marketingkonzeption für den Hochschulstandort Deutschland den Vorzug vor punktuellen Maßnahmen gibt. „Dass Handlungsbedarf besteht, ist inzwischen nahezu allen Verantwortlichen klar. Das gilt vor allem für die Lebensqualität ausländischer Studierender und deren Betreuung“, fordert sie. Daneben sieht sie in dem Einsatz kommunikationspolitischer Instrumente wie Werbung oder Public Relations eine Chance, dem Hochschulstandort Deutschland mehr Attraktivität zu verleihen.


Stefanie Jensen: Ausländerstudium in Deutschland: die Attraktivität deutscher Hochschulen für ausländische Studierende, Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 2001.


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