Neun Einrichtungen gründen virtuelles Institut zur Stratosphärenforschung

Warum steigt der Anteil des Wasserdampfs in der Stratosphäre langfristig, und welchen Einfluss hat dies auf das weltweite Klima und die Ozonschicht? Warum laufen die verantwortlichen Prozesse in verschiedenen Regionen und zu verschiedenen Jahreszeiten unterschiedlich ab? So einfach diese Fragen formuliert sind, so kompliziert ist die Materie. Kompliziert und wichtig genug für Umweltforscher in ganz Deutschland, von Bremerhaven über Jülich bis Karlsruhe. „Gemeinsam geht’s besser“, dachten sich die Wissenschaftler aus insgesamt vier Helmholtz-Zentren und fünf Universitäten und gründeten ein virtuelles Zentrum Tropische Tropopausenregion, kurz: ZTT. Mit der geballten Expertise und einem breiten Spektrum von Geräten und Methoden wollen die Forscher eine internationale Spitzenstellung erreichen. Erstes gemeinsames Projekt: die in diesen Tagen beginnende TROCCINOX-Kampagne im Süden Brasiliens.

Für das virtuelle Institut ist kein neues Gebäude nötig, die Wissenschaftler müssen nicht umziehen und werden sich auch nicht täglich im Labor oder bei Feldexperimenten begegnen. Im virtuellen Institut bündeln die beteiligten Forschergruppen ihre unterschiedlichen Kompetenzen, um die verschiedenen Mess- und Modellstrategien im Rahmen einer längerfristigen Zusammenarbeit zu integrieren und die Fragen von verschiedenen Seiten her zu beleuchten. Dazu planen und bearbeiten sie die Forschungsarbeiten nun gemeinsam, sei es mit Feldmessungen, Laborexperimenten, Modellstudien, Messflügen und der Nutzung von Satellitendaten. Der Aufbau von virtuellen Instituten wird derzeit durch die Helmholtz-Gemeinschaft besonders gefördert.

Wissenschaftliches Ziel der vereinbarten Untersuchungen ist die Aufklärung verschiedener Umwandlungs- und Transportprozesse im Bereich der Tropopause, die bei mittleren Breiten bei etwa 10 km und am Äquator in 16 km Höhe liegt. Diese Grenzschicht zwischen Troposphäre und Stratosphäre spielt eine äußerst wichtige Rolle im Klimasystem. Wichtige Fragen erläutert Prof. Dr. Martin Riese, Direktor am Institut für Chemie und Dynamik der Geosphäre im Forschungszentrum Jülich: „Wie werden die Luftmassen von dort in die Stratosphäre bis in 40 Kilometer Höhe transportiert? Wie entstehen Zirren aus feinsten Eisteilchen bestehende Federwolken in höheren Luftschichten , und welchen Einfluss haben dabei sehr feine Schwebpartikel in der Luft, so genannte Aerosole?“ Die zugrunde liegenden Mechanismen sind zum Teil noch unverstanden, erst recht, wenn organische Substanzen und anorganische Adsorbate, beispielsweise Salpetersäure (HNO3), im Spiel sind. Eine weitere Frage: Ist der Transport in die Stratosphäre in bestimmten Regionen der Tropen möglicherweise über Mikronesien besonders effektiv, oder ist dieser Austausch über allen tropischen Gebieten gleichmäßig?

Atmosphärenforschung braucht große fliegende Messeinrichtungen. Diese sind bei einigen der Partner vorhanden oder stehen über nahe stehende Organisationen zur Verfügung. Dazu gehören das russische Höhenforschungsflugzeug „Geophysica“ sowie die „Falcon“ des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Messungen von Ballonen, Schiffen und vom Boden aus werden das Feldmessprogramm ergänzen. Eiswolken- und Luftprobensammler sind ebenso Elemente der gemeinsamen Aktivitäten wie die Auswertung von Daten des weltweit größten Umwelt-Satelliten ENVISAT durch die Forschungszentren Karlsruhe und Jülich und die Universitäten Bremen und Heidelberg. Sie werden ergänzt durch Laborexperimente in der Karlsruher Atmosphären-Simulationskammer AIDA. Eingebunden in die Aktivitäten des ZTT ist auch die in diesen Tagen beginnende TROCCINOX-Kampagne (Tropical Convection, Cirrus and Nitrogen Oxides Experiment), ein EU-Projekt, bei dem die Höhenflugzeuge „Geophysica M55“ und „Falcon E-20“ zu einer Messkampagne vom Süden Brasiliens aus starten. Die Wissenschaftler wollen umfangreiche Messungen in der Nähe von tropischen Gewittern durchführen und insbesondere die Menge an Stickoxiden bestimmen, die dabei entsteht. Der Jülicher Wissenschaftler Dr. Cornelius Schiller und seine Kollegen haben sich Anfang der Woche auf den Weg nach Brasilien gemacht. Die Flugzeuge sind schon am Montag in Recife eingetroffen.

Das gemeinsame virtuelle Zentrum wird durch Prof. Riese vom Forschungszentrum Jülich koordiniert. Ziele und Maßnahmen werden in regelmäßigen Abständen von einem Programm-Komitee festgelegt, dem je ein Vertreter der beteiligten Einrichtungen angehört. Für die Einbindung in europäische Messkampagnen sorgt Dr. Schiller, der bereits ein weiteres Messprojekt im tropischen Teil Australiens Ende des Jahres plant. Ebenfalls unter Jülicher Leitung steht der Teilbereich „Atmosphären-Modellierung“.

Die Partner des Zentrums Tropische Tropopausenregion:

Forschungszentrum Jülich GmbH Stiftung Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. Forschungszentrum Karlsruhe Universität Bremen Johann Wolfgang Goethe Universität Frankfurt Universität Heidelberg Johannes Gutenberg Universität Mainz Bergische Universität Wuppertal

Media Contact

Peter Schäfer Forschungszentrum Jülich GmbH

Weitere Informationen:

http://www.fz-juelich.de

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