Schlichten statt streiten

Eine neutrale Dritte erkennt häufig eher die Ursachen von Konflikten als die Beteiligten. Foto: Joachim Busch


Rechtswissenschaftler der Universität Münster untersuchen Möglichkeiten der Mediation

Bei einem Gerichtsverfahren gibt es immer Gewinner, aber immer auch Verlierer. Deshalb wird verstärkt versucht, bereits im Vorfeld durch Verhandlungen und Schlichtung ein für beide Konfliktparteien befriedigendes Ergebnis zu erzielen. Eine Konfliktbeilegung unter Mithilfe eines neutralen Dritten, Mediation genannt, bewährt sich bereits seit zehn Jahren vor allem bei familiären Auseinandersetzungen. Langsam erkennt auch die Wirtschaft das Potenzial dieses Verfahrens, das am Centrum für Verhandlungen und Mediation systematisch erforscht und gelehrt wird. Der Rechtswissenschaftler Prof. Dr. Horst Eidenmüller gründete es vor knapp einem Jahr an der Universität Münster.

„Der große Unterschied zwischen einer Mediation und einem Gerichtsverfahren liegt darin, dass die Beteiligten in einer Mediation selbst den Konflikt lösen müssen“, erläutert Eidenmüller. Dabei werden sie von einem neutralen Dritten, dem Mediator, unterstützt, der die Verhandlungen moderiert. Die Grundstrukturen der Mediation ähneln sich, doch die Variationen sind groß, je nachdem, ob es sich beispielsweise um einen Streit in der Familie oder einen Konflikt zwischen Wirtschaftsunternehmen handelt. Gemeinsam aber ist allen Schlichtungsversuchen, dass sich die Beteiligten freiwillig an einen Tisch setzen und bereit sind, nach einvernehmlichen Lösungsmöglichkeiten zu suchen.

„In einem Gerichtsverfahren geht es lediglich darum, Rechtsansprüche durchzusetzen“, erklärt Eidenmüller. „Im Zentrum einer Mediation steht demgegenüber der Versuch, die Interessen der Beteiligten zu erforschen und interessenbasierte Lösungen zu entwickeln.“ Häufig sei das Streitobjekt nur Anlass, um tiefergehende Konflikte auszutragen. Durch diese Orientierung am Interesse der beiden Parteien ließen sich in der Regel weitaus besser als in einem Gerichtsverfahren Lösungen finden, die für alle Beteiligten Vorteile bieten. Denn die Mediation ist immer auf den Konsens ausgerichtet, alle Beteiligten müssen das Ergebnis mittragen können.

Bei der Beilegung von Familienkonflikten hat sich Mediation bewährt. Wirtschaftsunternehmen dagegen erkennen erst seit wenigen Jahren ihr Potenzial. „Mediation hat immer noch einen leicht esoterischen Touch“, bedauert Eidenmüller. Dabei sei sie nicht nur meist deutlich preiswerter als ein Gang vor Gericht, auch indirekte Kosten wie Zeitaufwand oder Beziehungsschaden seien geringer. Um die Mediation bekannter zu machen, wird Prof. Eidenmüller im Mai 2001 zusammen mit der IHK Münster eine Tagung zur Mediation in der Wirtschaft veranstalten.

Auch wenn die Methode nicht ganz neu ist, gibt es bisher keinen Konsens darüber, wie ein Mediationsverfahren am besten abläuft. Dies zu untersuchen und damit auch die Ausbildung von Mediatoren weniger willkürlich als bisher zu machen, ist eine der Aufgaben des Zentrums für Verhandlungen und Mediation. Noch befindet es sich in seinen Anfängen, fehlt der intensive Kontakt zu anderen Disziplinen. Doch darauf legt Eidenmüller großen Wert. Vor allem mit Wirtschaftswissenschaftlern und Psychologen sucht er das Gespräch. „Ökonomen gehen davon aus, dass sich Menschen bei Konflikten grundsätzlich rational verhalten, während Kognitionspsychologen herausgefunden haben, dass wir in bestimmten Situationen systematisch irrational agieren. Deshalb ist es wichtig, diese unterschiedlichen Ansätze zusammenzuführen“, meint der Jurist. Derzeit laufen verschiedene Untersuchungen am Centrum. Eine Psychologin evaluiert den Erfolg von unterschiedlichen Verhandlungskonzepten, eine Juristin promoviert über die Streitbeilegung über elektronische Netze – ein Weg, der mit der rasanten Ausbreitung des e-Commerce immer wichtiger wird.

Auch die Ausbildung von Mediatoren gewinnt an Bedeutung. Denn inzwischen ist unter anderem in Nordrhein-Westfalen gesetzlich geregelt, dass bei einem Streitwert unter 1500 Mark erst ein Schlichter angerufen werden muss, bevor die Sache vor Gericht landet. Eine gesetzliche Regelung, die Eidenmüller mit zwiespältigen Gefühlen sieht: „Zur Mediation gehört es, dass alle Beteiligten freiwillig mitwirken. Es stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, sie nun zwingend vorzuschreiben. Auch wäre es fatal, wenn der Eindruck entstünde, Mediation eigne sich besonders oder gar nur für Bagatellestreitigkeiten." Auf jeden Fall sind kompetente, gut ausgebildete Mediatoren nun gefragter denn je. Dem trägt das Centrum mit Kursen für Studierende und andere Interessierte Rechnung.

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Brigitte Nussbaum idw

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