Wissenschaftler kritisieren Klimamodelle

Statistische Methoden ohne exakte Messdaten nicht möglich

H I N T E R G R U N D – In Mitteleuropa gibt es zurzeit kein wichtigeres Thema als das Wetter. Dabei kommen Berufspolitikern und Medienleuten allerdings die Begriffe „Klima“ oder „Klimakatastrophe“ viel leichter über die Lippen als der Begriff „Wetterextrem“. Um ein solches handelte es sich bei den durch das Tief „Ilse“ ausgelösten sturzbachartigen Regenfällen in Norditalien, Österreich, Süddeutschland, Tschechien und Ostdeutschland, meinen Klimaforscher.

Der Hamburger Atmosphärenphysiker Ehrhard Rasche warnt vor einer Überinterpretation der Klimamodelle, die den IPCC-Berichten und dem Kyoto-Protokoll zugrunde liegen: „Viele der das Klima bestimmenden Prozesse sind nicht genau genug bekannt, um realistisch in Modellen nachvollzogen zu werden.“ Deshalb, so Raschke weiter, müssten erst einmal die wichtigsten Klimamodelle mithilfe statistischer Methoden auf den Grad ihrer Übereinstimmung mit Messdaten überprüft werden. Die Jahrhundertflut mit dem Klima in Zusammenhang zu bringen, sei insofern abwegig, als es sich dabei nicht um ein reales Geschehen, sondern um ein abgeleitetes statistisches Konstrukt handle.

Die World Meterorological Organization (WMO) definiert das Klima eines Standortes oder einer Region als 30-jährigen Mittelwert verschiedener Wetterparameter wie Temperatur, Niederschlagsmenge, Windgeschwindigkeit usw. Auch die sogenannten Klimamodelle beschäftigen sich nicht primär mit dem Klima und seinen Wandlungen, sondern mit dem Wetter beziehungsweise mit Wetter-Szenarien, denn bei ihnen handelt es sich um vielschichtige Erweiterungen komplexer Wetterprognosemodelle, die den täglichen Wetterberichten der audiovisuellen Massenmedien zugrunde liegen.

Das hat ein deutsch-israelisches Team theoretischer Physiker unter Leitung von Armin Bunde (Giessen) und Shlomo Havlin (Tel Aviv) getan. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden im Juli 2002 in der Fachzeitschrift Physical Review Letters (No. 89, 028501-1) unter dem Titel „Global Climate Models Violate caling of the Observed Atmosphere Variability“ veröffentlicht. Die ernüchternde Schlussfolgerung der Physiker: „Klimamodelle sind weit schlechter als ihr Ruf. Sie reproduzieren die Gesetzmäßigkeiten des Wetters längst nicht so wie erhofft.“ Demgegenüber hätten sich die bekannten Bauernregeln als viel zuverlässiger erwiesen, weil sie auf Jahrhunderte langer Erfahrung beruhen.

Eine solche Bauernregel, die „Siebenschläferregel“, hat sich auch in diesem Sommer bewahrheitet – und zwar in eindrucksvoller Weise. Am Siebenschläfertag, dem 27. Juni, der bei den Landwirten als einer der wichtigsten „Lostage“ gilt, entscheidet es sich, ob die Tiefdruckgebiete in den folgenden sieben, acht Wochen von der nordatlantischen Wetterküche auf einer nördlichen oder einer südlichen Bahn Richtung Ostsee ziehen. Entweder wird der Sommer dann auf den britischen Inseln und in Skandinavien oder in West- und Mitteleuropa verregnet.

Wird die Weiche, wie in diesem Jahr, Richtung Süden gestellt, weil den Tiefs der direkte Weg nach Osten durch Kaltluftmassen über der Nordsee versperrt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Tiefs die ansonsten im Sommer sehr seltene „Vb-Route“, das heißt den Umweg über Südfrankreich, den Golf von Genua und die Alpen zur Ostsee einschlagen. Auf dieser „Vb-Route“ zog das berüchtigte Höhentief „Ilse“. Es brachte den Urlaubern am Mittelmeer ungewöhnlich kühles Wetter, saugte über der warmen Meeresoberfläche riesige Mengen Wasserdampf auf, die dann auf dem Weg über die Alpen kondensierten und weiter nördlich als Wolkenbrüche niedergingen. Zur gleichen Zeit herrschten nördlich des Polarkreises Sonnenschein und hochsommerliche Temperaturen.

Die alten (und bewährten) Bauernregeln beruhen offenbar auf Langzeitkorrelationen im Wettergeschehen, der „Erhaltungsneigung“ des Wetters, die nach Ansicht von Armin Bunde dem mathematischen Potenzgesetz der Chaostheorie gehorcht. Mithilfe moderner statistischer Verfahren konnten Bunde und seine Mitarbeiter zeigen, dass dieser Zusammenhang für Wetterstationen in völlig verschiedenen Klimazonen gilt.

Das deutsch-israelische Team hat insgesamt sieben in Deutschland, in den USA, in Japan, Australien, England und Kanada erstellte Klimamodelle an Hand langer Temperaturreihen von 14 ausgewählten meteorologischer Messstationen in Europa, Nordamerika und Australien darauf überprüft, ob sie in der Lage sind, den Langzeitkorrelationen im Wettergeschehen Rechnung zu tragen. Dabei schnitt das Modell ECHAM4/OPYC3 des Hamburger Max Planck Instituts für Meteorologie am schlechtesten ab.

Trotzdem lassen sich die Hamburger Modellierer nicht von ihrem Weg abbringen. Mojib Latif vom Hamburger MPI musste zwar zugeben, dass der seit nunmehr zehn Jahren beobachtbare Trend zur Verstärkung der Sommerniederschläge der von seinem Institut prognostizierten tendenziellen Versteppung Mitteleuropas fundamental widerspricht. Aber immerhin hätten die Klimamodelle eine Häufung heftiger Niederschläge vorausgesagt. Und Joachim Schellnhuber, der Direktor des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der als Mitunterzeichner der Publikation von Bunde und Havlin urteilte: „Die Klimamodelle haben den Härtetest nicht bestanden“, lässt inzwischen durchblicken, er habe sich der Modellkritik nur angeschlossen, um eine Aufstockung der Finanzmittel für die Verbesserung der Klimamodelle zu erwirken.

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Edgar Gärtner pte.online

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