Elektrosensibilität: Überempfindlichkeit oder reales Krankheitsphänomen?


Neue Untersuchung des bekannten Wittener Strahlenexperten Prof. Eduard David belegt psychologische Komponente von Elektrosensibilität

Handys, Mobilfunkbasisstationen,Hochspannungsfreileitungen, Bildschirme: die meisten Menschen sind sowohl zuhause als auch am Arbeitsplatz von vielfältigen elektrischen und magnetischen Strahlenquellen umgeben. Eine wachsende Anzahl von Menschen glaubt, besonders empfindlich auf elektromagnetische Felder zu reagieren: sie leiden unter verschiedenen Symptomen, die sie dieser subjektiv empfundenen sogenannten Elektrosensibilität zuschreiben. Eine Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) vom Herbst 2001 zeigt beispielsweise, dass knapp 6 % der befragten Bundesbürger sich in ihrer Gesundheit durch die elektromagnetischen Felder des Mobilfunks beeinträchtigt fühlen.
Hinsichtlich der Intensität dieser selbst diagnostizierten sog. Elektrosensibilität gibt es zudem ein Nord-Süd-Gefälle: in Skandinavien beobachtet man einen relativ hohen Anteil, während in den südeuropäischen Ländern Italien und Spanien ihr Vorkommen relativ gering ist.
Das Forscherteam der Fakultät für Medizin der Universität Witten/Herdecke um den bekannten Elektrosmog-Experten Prof. Eduard David hat in eigenen Versuchsreihen neue Erkenntnisse zum Phänomen der sog. Elektrosensibilität gesammelt und in einer Studie zusammengestellt. Das Team hat nach messbaren Zusammenhängen zwischen der Spürbarkeit elektromagnetischer Felder und bestimmten gesundheitlichen Beeinträchtigungen wie Allergien, Schlafstörungen, Depressionen, Herzbeschwerden, Erschöpfung etc., die häufig mit diesem Phänomen in Verbindung gebracht werden, gesucht. Dazu wurden in einem Doppelblindversuch eine Gruppe sogenannter Elektrosensibler und eine Gruppe von Teilnehmern, die sich als unempfindlich bezeichneten, einem schwachen magnetischen 50-Hz-Feld einer Flussdichte von 10 Mikrotesla ausgesetzt.
Zum Vergleich: das normale Magnetfeld der Erde beträgt 40 Mikrotesla (Gleichfeld), der deutsche Grenzwert für Magnetfelder liegt bei 100 Mikrotesla bei einer Frequenz von 50 Hz, das Magnetfeld eines Elektromotors direkt am Anker beläuft sich auf immerhin 1200 Mikrotesla (50 Hz).
Im obengenannten Versuch wurden die Magnetfelder ohne Wissen der Teilnehmer in bestimmten Abständen ein- und ausgeschaltet. Die Probanden sollten angeben, wann sie glaubten, dass das Magnetfeld gerade eingeschaltet sei und wann nicht. Das Ergebnis überrascht: die Trefferquote der Kontrollgruppe unterschied sich nicht signifikant von derjenigen der sogenannten Elektrosensiblen.
Betrachtet man allerdings nur die richtigen Antworten bei „Feld ein“, so lag die Trefferquote bei den sog. Elektrosensiblen wesentlich höher als bei der normalen Kontrollgruppe – für David eher Ausdruck einer bestimmten Erwartungshaltung. Daraus ergibt sich: „Wenn sie ein Feld erwarten, fühlen sich die sog. Elektrosensiblen krank“, erklärt der Elektropathologe. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass bisherige naturwissenschaftliche Methoden nicht fein genug sind, um kleinste physikalisch messbare Reaktionen im menschlichen Körper aufzudecken.
Um hier zu aussagekräftigeren Ergebnissen zu kommen, kooperiert seine Arbeitsgruppe mit der Münchener Selbsthilfegruppe für allgemein Umwelterkrankte, in der sich eine große Anzahl sog. Elektrosensibler befindet. Weitere Versuchsreihen sind geplant.

(Die Studie ist veröffentlicht in: Umweltmedizin in Forschung und Praxis, Nr. 7/2002, S. 7-16)

Kontakt: Prof. Dr. med. Eduard David, Tel.: 02302/669-221, e-mail: eduardd@uni-wh.de; Dr. med. Jörg Reißenweber, Tel.: 02302/669-301, E-Mail: joergr@uni-wh.de; Dipl.-Biol. Andreas Wojtysiak, Tel.: 02302/669 347, E-mail: wojty@uni-wh.de;

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Christiane Bensch idw

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