EU-Projekt untersucht Auswirkungen von Umweltgiften auf das menschliche Hormonsystem

Schnecken vermännlichen, Frösche verweiblichen: Dass einige Umweltgifte den Hormonhaushalt von Tieren stören, ist inzwischen eindeutig nachgewiesen. Seit einigen Jahren mehren sich die Anzeichen, dass manche Substanzen auch das Hormonsystem des Menschen beeinflussen. Ein europaweites Forschungsprojekt unter Beteiligung der Universität Bonn untersucht die Effekte derartiger Umweltgifte auf Mensch und Tier. Besonderes Augenmerk gilt dabei etwaigen Auswirkungen auf den Sexualhormonhaushalt. Die EU fördert das Projekt „COMPRENDO“ mit knapp 4 Millionen Euro.

In COMPRENDO (comparative research on endocrine disrupters) kooperieren insgesamt 15 Arbeitsgruppen aus 8 europäischen Ländern. Professor Dr. Dietrich Klingmüller und Dr. Axel Alléra vom Bonner Institut für Klinische Biochemie, die das Großprojekt mitinitiiert haben, koordinieren die Untersuchungen, die sich mit dem Menschen bzw. menschlichem Gewebe befassen.

Tierexperimentell konnte bereits eindeutig gezeigt werden, dass bestimmte Umweltgifte zu schwersten Störungen führen können. So führen Tributylzinn und das Pilzgift Triphenylzinn bei Schnecken zu einer Vermännlichung – und das bereits bei Konzentrationen von 1,5 milliardstel Gramm pro Liter Wasser. Tributylzinn kommt zum Beispiel im Schutzanstrich von Schiffen vor und verhindert dort den Bewuchs mit Algen oder Muscheln; es ist aber auch in Gebrauchsgegenständen des täglichen Bedarfs wie Textilien, Frischhaltefolien, Farben, Schuhputzmitteln oder Windeln enthalten.

Auch beim Menschen mehren sich die alarmierenden Beobachtungen: Die Samenproduktion des Mannes geht seit Jahrzehnten erheblich zurück, Brust- und Hodenkrebs häufen sich, und neuere amerikanische Studien zeigen, dass Hypospadien, Missbildungen der Genitalien, ebenfalls häufiger werden. Über die Ursachen weiß man bislang noch wenig – eine Lücke, die COMPRENDO schließen helfen möchte.

Substanzen aus der Umwelt können das Hormonsystem stören, indem sie wie Hormone wirken oder indem sie den Auf- und Abbau der Hormone stören. Professor Klingmüller: „Unsere Arbeitsgruppe konnte bereits zeigen, dass bestimmte Schlüsselenzyme des menschlichen Hormonstoffwechsels durch Umweltgifte erheblich in ihrer Aktivität beeinflusst werden können. Das kann möglicherweise auch die genannten Schäden hervorrufen.“


Ansprechpartner für die Medien: Professor Dr. Dietrich Klingmüller, Institut für Klinische Biochemie der Universität Bonn, Tel.: 0228/287-6513 oder -6569, Fax: 0228/287-5028, E-Mail: d.klingmueller@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

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