Starke Bauempfehlung für Dresdner Hochfeldlabor

Leibniz-Institute mit dem Großgeräte-Votum des Wissenschaftsrates zufrieden – Hans-Olaf Henkel kritisiert Ost-West-Schieflage bei der Forschungsinfrastruktur

Berlin/Dresden. Das Dresdner Hochfeldlabor ist „ohne Vorbehalt förderungswürdig“. Sein Bau sollte „rasch in Angriff genommen werden“. Das ist das Ergebnis einer Begutachtung, die der Wissenschaftsrat heute in Berlin vorstellte. Unter neun geplanten Großgeräten für die naturwissenschaftliche Grundlagenforschung erhielt das gemeinsame Vorhaben von zwei Leibniz-Instituten, der Technischen Universität Dresden und zwei Max-Planck-Instituten die beste Beurteilung. „In Dresden knallen bestimmt schon die Sektkorken“, freut sich Leibniz-Präsident Hans-Olaf Henkel. Das Votum sei ein klarer Beweis für die Exzellenz des Wissenschaftsstandortes Dresden und der wissenschaftlichen Leistungsfähigkeit der Leibniz-Gemeinschaft insgesamt.

Das Hochfeldlabor soll auf dem Gelände des Forschungszentrums Rossendorf (FZR), der mit 620 Mitarbeitern größten Leibniz-Einrichtung, direkt neben dem Ende 2001 in Betrieb gegangenen Elektronenbeschleuniger ELBE entstehen. „Wir erwarten nach den Worten jetzt Taten. Die Pläne sind seit drei Jahren reif für die Umsetzung“, macht sich Frank Pobell, Wissenschaftlicher Direktor des FZR, für einen zügigen Baubeginn stark. Spätestens Ende 2005 könnten die Wissenschaftler dann gepulste Magnetfelder mit bislang noch nicht erreichten Feldstärken erzeugen.

Von der Kombination beider Anlagen versprechen sich die Physiker weltweit einmalige Experimentiermöglichkeiten. So liefert ein an ELBE angeschlossener so genannter Freie-Elektronen-Laser (FEL) durchstimmbares Infrarotlicht mit Wellenlängen zwischen 5 und 150 Mikrometern. „Die damit mögliche Infrarotspektroskopie in hohen Magnetfeldern eröffnet ganz neue Horizonte für die Untersuchung von Halbleitern, magnetischen Materialien oder Hochtemperatur-Supraleitern“, freut sich Pobell. Eine kleine Testanlage für das Hochfeldlabor ist am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) seit 2000 erfolgreich in Betrieb.

Beim angepeilten Spitzenwert der Feldstärke von 100 Tesla, dem Zwei-Millionenfachen des Erdmagnetfeldes, müssen die Drähte in den Magnetspulen Zugkräfte von mehreren Tonnen aushalten. Doch in Dresden neu entwickelte hochfeste Materialien werden eine Pulsdauer von etwa zehn Millisekunden, bei 60 Tesla sogar von etwa einer Sekunde ermöglichen. „Das bietet den Physikern genug Zeit für ausgefeilte Experimente. Damit tritt das Dresdner Hochfeldlabor in Konkurrenz zu den führenden Anlagen in Los Alamos, Toulouse, Nijmegen und Tokio“, erläutert Pobell.

Mit einer Investitionssumme von 23 Millionen Euro ist das Hochfeldlabor das preiswerteste der neun Vorhaben. Der Bau des in Hamburg geplanten TESLA-Linearbeschleunigers etwa soll mit knapp 4 Milliarden Euro mehr als das Hundertfünfzigfache dieser Summe verschlingen.

Auch an einem weiteren Leibniz-Institut, der Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für Synchrotronstrahlung (BESSY), ist man mit dem Ergebnis der Begutachtung des eigenen Projektes eines Freie-Elektronen-Lasers für weiche Röntgenstrahlung außerordentlich zufrieden. „Wir fühlen uns ermutigt, unsere Arbeiten weiterzuführen und werden wie geplant den ’Technischen Design Report’ als Basis für den eigentlichen Förderantrag noch 2003 vorlegen“, sagen Eberhard Jaeschke und Wolfgang Eberhardt, die Geschäftsführer von BESSY, „der Wissenschaftsrat sieht es als möglich an, dass bei einer zügigen Weiterarbeit am technischen Konzept für den angestrebten Spektralbereich eine bedeutende, im europäischen Wettbewerb führende Forschungsinfrastruktur entstehen kann.“ Noch im Jahre 2008 könnte der FEL erstmals Licht millionenfach heller als das der existierenden Synchrotronstrahlungsquellen liefern und für Anwendungen wie die Untersuchung der Dynamik in biologischen Systemen, der Fabrikation von Nanomaterialien, der Femtochemie und der Umweltanalytik zur Verfügung stehen.

Die Freude ist dennoch nicht ungetrübt. Unter den Großgeräten, mit deren Baubeginn nach den nun vorliegenden Empfehlungen in Kürze sicher gerechnet werden kann, hat allein das Hochfeldlabor seinen Standort in Ostdeutschland. „Hier wird wieder einmal die Chance verschenkt, sinnvolle Strukturpolitik zu betreiben“, ärgert sich Leibniz-Präsident Hans-Olaf Henkel, „dabei sind Forschungsinvestitionen auf Dauer der einzige Weg, die neuen Länder wirtschaftlich auf die Beine zu bringen.“ Ein Votum zugunsten der Europäischen Spallationsquelle ESS und des möglichen Standortes Halle/Leipzig wäre, so Henkel, wegweisend gewesen. Zumal die regionale Verteilung der Großgeräte eine deutliche Schieflage habe. Diese Einschätzung bestätigt auch Henkels Amtsvorgänger Pobell: „Ich habe mich dafür stark gemacht, dass mit der ESS das erste richtige Großgerät nach Ostdeutschland kommt.“ Die Neutronenquelle hat ein Investitionsvolumen von geschätzten 1,5 Milliarden Euro.

Rückfragen:
Dr. Frank Stäudner
Tel./Fax 030/20 60 49 -42 / -55
Mail staudner@wgl.de

FZR, IFW und BESSY gehören zu den 79 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung in der Wissenschaftsgemeinschaft Gottfried Wilhelm Leibniz. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute beschäftigen rund 12.000 Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 820 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert, interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Ländern gemeinsam gefördert. Näheres unter: http://www.wgl.de.

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