Warum Reibung von der Zahl der Schichten abhängt

Einschichtiges Graphen, über das eine Siliziumspitze gleitet. Die verschiedenen Farben zeigen die unterschiedlichen Werte der Reibungskraft in der Kontaktfläche. Abbildung: Suzhi Li / KIT

Wenn Grenzflächen von Festkörpern sich berühren und gegeneinander bewegen, tritt Reibung auf. Energie wird dabei in Wärme umgewandelt, die ungenutzt verloren geht. Außerdem kommt es durch Reibung zu Abrieb und Verschleiß.

Um die Reibung bei metallischen Gleitelementen und hohen Kontaktdrücken zu vermindern, beispielsweise in Automobilen oder Industriemaschinen, werden als Festschmierstoffe häufig Stoffe mit lamellarer Struktur eingesetzt, deren Partikel leicht aufeinander gleiten.

Einer der gängigsten Festschmierstoffe ist Graphit, eine natürliche Erscheinungsform des Kohlenstoffs mit dreidimensionaler, geschichteter Struktur. Graphit besteht theoretisch aus mehreren, leicht versetzt übereinandergelegten Schichten von Graphen.

Bei Graphen handelt es sich um eine Modifikation des Kohlenstoffs mit zweidimensionaler Struktur: Es besteht aus nur einer Lage von Kohlenstoffatomen, die in Sechsecken wie Bienenwaben angeordnet sind. Graphen kommt in der Natur als isoliertes einschichtiges Material nicht vor, lässt sich aber über verschiedene Verfahren herstellen.

Experimente haben gezeigt, dass bei Kontakt mit einschichtigem Graphen eine stärkere Reibung auftritt als bei mehrschichtigem Graphen oder bei Graphit und dass die Reibungskraft bei fortwährendem Gleiten steigt. Die Gründe dafür waren bisher nicht geklärt.

Wissenschaftler am Institut für Angewandte Materialien (IAM) und am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT haben nun gemeinsam mit Forschern am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg, der Xi’an Jiaotong University/China, der Tsinghua University in Beijing/China, dem Massachusetts Institute of Technology/USA und der University of Pennsylvania/USA die Experimente in atomistischen Simulationen reproduziert und sind dabei zu neuen Erkenntnissen über die schichtenabhängige Reibung und den Anstieg der Reibungskraft bei Graphen gelangt. Die Ergebnisse stellen die Forscher in der Zeitschrift Nature vor.

Bei den Simulationen ließen die Wissenschaftler eine Siliziumspitze über Graphen gleiten, das auf einem amorphen, das heißt nicht kristallinen Siliziumsubstrat aufgebracht war. Bisherige Arbeiten hatten angenommen, dass die Reibung zwischen Grenzflächen von der echten Kontaktfläche abhängt – der Zahl der Atome in dem Bereich, in dem interatomare Kräfte wirken –, und hatten die stärkere Reibung bei einschichtigem Graphen auf die größere echte Kontaktfläche zurückgeführt. Wie die Wissenschaftler des KIT und ihre Kollegen nun feststellten, spielt nicht nur die echte Kontaktfläche eine Rolle, sondern auch die sich entwickelnde Kontaktqualität.

Das dünnere und weniger fest gefügte einschichtige Graphen tendiert aufgrund seiner größeren Flexibilität dazu, seine Konfiguration immer neu einzustellen. So haften die Kohlenstoffatome stärker an den Atomen der Siliziumspitze und zeigen eine größere Synchronizität in ihrem Haft-Gleit-Verhalten. Die Kontakte auf der atomaren Skala nehmen quantitativ – was die Fläche betrifft – und qualitativ – was die Reibungskraft betrifft – zu. „Mit unserem Konzept der sich entwickelnden Kontaktqualität lässt sich erklären, warum sich die Reibung bei Grenzflächen mit lockerer Struktur über die Zeit verändert“, erklärt Dr. Suzhi Li vom IAM – Computational Materials Science des KIT.

Suzhi Li, Qunyang Li, Robert W. Carpick, Peter Gumbsch, Xin Z. Liu, Xiangdong Ding, Jun Sun & Ju Li: The evolving quality of frictional contact with graphene. Nature, 2016. DOI: 10.1038/nature20135

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