Technologische und rechtliche Hürden: Noch kein E-Voting auf europäischer Ebene möglich

Eine Betrachtung lohnt dennoch, da E-Voting lang-fristig die klassische Papierwahl ergänzen könnte. Die Vor- und Nachteile der Online-Stimmabgabe diskutierten Experten auf einem Workshop im Rahmen des E-Democracy-Projekts, ein weiterer Workshop zum Thema E-Participation findet am 26. Mai 2011 im Europäischen Parlament in Brüssel statt, Anmeldungen sind bis 19. Mai möglich.

Wie kann das Internet zur Entwicklung einer europäischen Öffentlichkeit beitragen? Wie können Einrichtungen davon profitieren, ihre Prozesse mit Hilfe des Internets für eine breitere Öffentlichkeit zugänglich zu machen? Kann das E-Voting die Wahlbeteiligung erhöhen? Diese und andere Fragen werden im Projekt „E-Democracy: Technical possibilities of the use of electronic voting and other Internet tools in European elections“ im Auftrag des Europäischen Parlaments beantwortet.

An dem Projekt sind das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI, das Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse des Karlsruher Instituts für Technologie sowie das Institut für Technikfolgen-Abschätzung in Wien beteiligt.“Unser Ziel ist es, Entscheidern Informationen über die Potenziale von E-Democracy in Europa zu geben“, sagt Dr. Bernd Beckert, Projektleiter am Fraunhofer ISI.

Die Beteiligung an den Wahlen zum Europäischen Parlament ist mit durchgehend unter 50 Prozent sehr gering. Die Verantwortlichen sind daher grundsätzlich offen für neue Möglichkeiten, diese zu erhöhen. Vor allem von jungen Leuten, die besonders selten ins Wahllokal gehen, wird erwartet, dass sie die Möglichkeit nutzen, über das Internet zu wählen. Dies könnte, so die Vorstellung der Befürworter von E-Voting, mal eben schnell zwischen der Aktualisierung des Facebook-Profils und dem Ansehen eines Clips bei YouTube geschehen.

Für die Befürworter ist E-Voting in Zeiten von Web 2.0 ein logischer Schritt: „Wir haben bereits E-Commerce, E-Education, E-Administration – warum sollten wir nicht auch unsere Parlamente über das Internet wählen?“, so Beckert. Aufgrund der zeitlichen und räumlichen Flexibilität könnte E-Voting eine Alternative zur Briefwahl werden. Zudem bietet es die Möglichkeit, ein zur anstehenden Entscheidung passendes Informationsangebot zur Verfügung zu stellen, etwa durch die Verlinkung zu Homepages des Kandidaten. Weiterhin könnte es die Effizienz, Geschwindigkeit und Genauigkeit der Stimmabgabe und -auszählung erhöhen und so Kosten sparen.

Gegner von E-Voting lassen dieses Argument jedoch nicht gelten: „Natürlich ist E-Voting nicht das Gleiche wie E-Commerce. Wahlen sind ein essenzieller Teil der Demokratie, und wenn ihre Gültigkeit bedroht ist, muss auf E-Voting verzichtet werden“, betont Beckert. Cyber-Attacken auf Online-Wahlen haben weitreichendere Konsequenzen als etwa Hackerangriffe auf Online-Shops – im Zweifelsfall werden ganze Wahlen ungültig und nicht nur einzelne Kaufvorgänge. Zudem gibt es derzeit noch keine technische Lösung, die beabsichtigte Fälschungen und unbeabsichtigte Fehler ausschließt. So ist beispielsweise aufgrund der unkontrollierten Wahlumgebung – zu Hause statt im Wahllokal – ein möglicher Stimmenverkauf nicht nachvollziehbar. Solange es keine verbreiteten digitalen Signaturen gibt, ist E-Voting zudem deutlich komplizierter als eine Papierwahl, da es multiple Identifizierungsprozesse braucht. Außerdem werden alle ausgeschlossen, die keinen Internetzugang haben.

Zusammenfassend zeigten sich Experten und Teilnehmer des Workshops sehr skeptisch hinsichtlich der Möglichkeit, E-Voting auf europäischer Ebene einzuführen – vor allem im Hinblick auf die technischen und rechtlichen Voraussetzungen, die für bindende Wahlen übers Internet nicht ausreichen: Die meisten europäischen Länder können derzeit keine allgemeine, freie und anonyme Wahl sowie eine transparente und sichere Stimmzählung über E-Voting-Systeme garantieren.

Der nächste Workshop beschäftigt sich mit dem Thema E-Participation. Er findet am 26. Mai 2011 im Europäischen Parlament in Brüssel statt. Die Teilnahme ist kostenlos, es ist aber eine Registrierung nötig. Bis zum 19. Mai können sich Interessierte mit Name, Geburtstag, Nationalität und Wohnort mit einer E-Mail an Kerstin.Goos@isi.fraunhofer.de anmelden. Weitere Informationen gibt es unter

http://www.isi.fraunhofer.de/isi-de/t/projekte/bb-stoa-e-democracy.php.

Das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI analysiert die Rahmenbedingungen von Innovationen. Wir erforschen die kurz- und langfristigen Entwicklungen von Innovationsprozessen und die gesellschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien und Dienstleistungen. Auf dieser Grundlage stellen wir unseren Auftraggebern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft Handlungsempfehlungen und Perspektiven für wichtige Entscheidungen zur Verfügung. Unsere Expertise liegt in der breiten wissenschaftlichen Kompetenz sowie einem interdisziplinären und systemischen Forschungsansatz.

Media Contact

Katja Rische Fraunhofer-Institut

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