Neuer Chip zeigt Mindesthaltbarkeit abhängig von Zeit und Temperatur an

Ein Mindesthaltbarkeitsdatum auf einer Verpackung, das klingt nicht revolutionär. Die elektronische Variante gibt dem Verbraucher jedoch wesentlich genauere Auskunft als ein aufgedruckter Stempel: Sie berücksichtig neben der Lagerzeit auch die Temperatur. Wird die Kühlkette beim Transport unterbrochen, sieht der Kunde bislang nichts von diesem Verstoß, zumindest nicht im Supermarkt. Erst nach dem Öffnen der Verpackung könnte eine böse Überraschung auf ihn warten.

Das elektronische Mindesthaltbarkeitsdatum – ein Plastikchip mit dem Namen „PolyTaksys“ – reagiert auf Änderungen der Lagertemperatur und passt seine Anzeige an. Der Kunde könnte also bereits im Supermarkt erkennen, wenn ein Produkt nicht mehr ganz frisch ist, auch wenn es rein rechnerisch noch haltbar sein sollte.

„Das Schöne an PolyTaksys ist, dass es ohne Batterie funktioniert. Es ist auch nicht teuer: Die Herstellungskosten würden bei entsprechender Stückzahl bei einem bis zu fünf Cent pro Chip liegen“, so Prof. Knoll. „PolyTaksys“ ist eine physikalisch-chemische Uhr. Das System basiert auf einem elektrisch leitfähigen Polymer, das seine Farbe ändert – abhängig von der Zeit, die seit der Systemaktivierung verstrichen ist, und der Temperatur.

Gestartet wird „PolyTaksys“, indem der Plastikstreifen vor dem Aufkleben auf die Verpackung an der Unterseite befeuchtet wird. „In einer organo-elektronischen Schicht wandert dann eine so genannte Dotierungsfront mit einer Geschwindigkeit von einigen Nanometern pro Sekunde“, erklärt Prof. Knoll. Die wandernde Front wird durch die „Wanderung“ von positiven oder negativen Ladungen durch die Schicht, also durch Oxidations- oder Reduktionsprozesse, verursacht. Mit der Front ändern sich die Materialeigenschaften, was durch das Wachsen eines farbigen Balkens sichtbar wird.

Der Mechanismus beruht auf einer speziellen Form der Diffusion, die eine scharfe Farbfront erzeugt. Normalerweise sind die Grenzen bei einer Diffusion eher verwaschen. Da der physikalische Effekt der Diffusion temperaturabhängig ist und sich bei höherer Temperatur verstärkt, läuft die „PolyTaksys“-Uhr dann schneller. Prof. Knoll sagt: „Der Effekt ist völlig neu. Ich habe ihn 'Dotierungsfrontmigration' genannt.“

Der Prozess kann für verschiedene Varianten der Anzeige des Haltbarkeitsdatums genutzt werden. Variante eins: Ein Balken gibt an, wie frisch das Produkt ist. Je länger der Balken wird, desto näher rückt das Ablaufdatum. Wenn er die 100-Prozent-Marke erreicht, wird die Haltbarkeitsgrenze überschritten. „Ich finde auch die Ampel-Variante toll, bei der nacheinander Farbpunkte angezeigt werden – Grün für 'frisch', Gelb für 'bald abgelaufen' und Rot für 'Finger weg'“, sagt Prof. Knoll augenzwinkernd.

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen Schriftzug erscheinen zu lassen, der vor einem abgelaufenen Produkt warnt. Eine zusätzliche Option ist die Verknüpfung der Frischeanzeige mit einem „RFID“-Transponder („Radio Frequency Identification“). Dann könnten mittels eines Lesegeräts auf elektromagnetischem Weg noch weitere Informationen übermittelt werden. Zum Beispiel könnten abgelaufene Lebensmittel ein Warnsignal auslösen, wenn Angestellte im Supermarkt auf der Suche nach verdorbenen Waren mit dem Lesegerät am Kühlregal vorbeigehen. Oder an der Kasse könnte ein Alarm erklingen, wenn ein Kunde ein nicht mehr frisches Produkt auf das Band legt.

Ursprünglich war „PolyTaksys“ eine Erfindung, die als Anschauungsobjekt gedacht war. „Ich wollte den Studierenden in einer Lehrveranstaltung ein neues Beispiel für den Weg von der Grundlagenforschung zur Anwendung vorstellen“, so Prof. Knoll, der „PolyTaksys“ in seinem Labor selbst realisiert hat. „Dann hat sich sehr schnell der Nutzen der neuen Erfindung gezeigt. Jetzt arbeiten auch Diplomanden und Doktoranden an dem Projekt“.

„PolyTaksys“ gehört zu den Gewinnern des Wettbewerbs „Transfer.NRW:PreSeed“, der vom Innovationsministerium zur Förderung des Transfers zwischen Wissenschaft und Wirtschaft ausgeschrieben worden war. „Der Laborprototyp steht, und Interesse aus der Wirtschaft gibt es auch bereits“, sagt Prof. Knoll. Jetzt muss der Chip noch industriell produziert werden. Dann könnte er vielleicht schon bald den Kunden im Supermarkt begegnen.

Media Contact

Dr. Christina Heimken idw

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