Navigationssystem für Innenräume

Das aus mehreren Sensoren bestehende Gerät ermöglicht Benutzern punktgenaue Orientierung in Gebäuden, gleichzeitig kann es diese exakt kartographieren.

Künftig soll das System den Einsatz von Rettungskräften und Polizeieinheiten sicherer machen und Menschen mit Sehbehinderung als „Elektronischer Blindenhund“ zur Seite stehen.

Ob fest in Fahrzeugen verbaut oder in Smartphones integriert, Navigationsgeräte sind fester Bestandteil mobilen Lebens. „Was im Freien problemlos funktioniert, war in Innenräumen wegen fehlender Satellitenverbindungen bislang undenkbar“, sagt Professor Gert Trommer, Leiter des Instituts für Theoretische Elektrotechnik und Systemoptimierung (ITE).

Den ITE-Wissenschaftlern Christian Ascher und Christoph Keßler ist es nun gelungen, diese „Navigation Gap“ in Gebäuden zu überwinden. Dazu kombinierten die beiden Doktoranden bereits am ITE entwickelte Lösungen zur multisensoriellen Navigation mit einem neuartigen Fußsensor und optischen Sensoren, die die in Innenräumen fehlende Satellitenortung ersetzen.

Herzstück des Personennavigationsgeräts ist eine Inertialsensorik, die Daten eines Kompass sowie Höhen-, Rotations- und Beschleunigungsmessers mit den Informationen des am Schuh befestigten Fußsensors zusammenführt. Letzterer kann als eine Art „dreidimensionaler Schrittmesser“, Bewegungen im Raum exakt nachvollziehen.

„Die Inertialsensorik arbeitet im Grunde wie unser Innenohr“, erklärt Trommer. Und wie der menschliche Gleichgewichtssinn ist auch das neu entwickelte Navigationssystem auf optische Rückmeldungen zur Orientierung angewiesen. Dafür verfügt das am Oberkörper befestigte Gerät über eine Kamera und einen 240 Grad abdeckenden Laserscanner, die Entfernungen zu Gegenständen, Wänden und anderen Hindernissen berechnen. Durch den kontinuierlichen Abgleich der Daten erfasst das Navigationssystem die Position des Benutzers mit einer Langzeitgenauigkeit von rund 30 Zentimetern. Außerdem ermöglicht es, detaillierte Karten des betretenen Gebäudes anzufertigen. Die Positionsangabe kann dann wahlweise auf einem tragbaren Display, dem Bildschirm einer Leitzentrale oder über ein Blindenschrift-Interface angezeigt werden.

Die Wissenschaftler erwarten vielfältige Einsatzmöglichkeiten für ihre Neuentwicklung. So könnte das Navigationsgerät künftig die Arbeit von Feuerwehr oder Technischem Hilfswerk sicherer machen. Es ermöglicht nicht nur die Orientierung beispielsweise bei Rauchentwicklung, sondern kann durch die Kartierungsfunktion auch den Weg aus unbekannten Gebäuden weisen. Auch Einsatzkräfte der Polizei könnten durch die exakte Positionsbestimmung gezielter koordiniert werden. Darüber hinaus eröffnet das Navigationsgerät für blinde oder sehbehinderte Menschen neue Perspektiven: Kombiniert mit einem Braille-Schrift-Interface bietet sich die Nutzung als „elektronischer Blindenhund“ an.

In den kommenden Monaten wollen die Forscher ihren Prototyp in Zusammenarbeit mit dem Bundeskriminalamt Wiesbaden, dem Technischen Hilfswerk Mannheim und einer US-amerikanischen Blindenorganisation in der Praxis erproben und verbessern. Über Spezialanwendungen hinaus hat das ITE in Zukunft auch den Massenmarkt im Auge: „Dank ständig wachsender Rechenleistung mobiler Geräte und kostengünstigen Sensoren wird es möglich sein, das Fußgängernavi in handelsübliche Smartphones zu integrieren“, glaubt Trommer. Die Technik könnte schon in wenigen Jahren zu bezahlbaren Preisen beispielsweise die Orientierung in öffentlichen Gebäuden wie Bahnhöfen oder Tiefgaragen erleichtern.

Das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und staatliche Einrichtung des Landes Baden-Württemberg. Es nimmt sowohl die Mission einer Universität als auch die Mission eines nationalen Forschungszentrums in der Helmholtz-Gemeinschaft wahr. Das KIT verbindet die Aufgaben Forschung – Lehre – Innovation in einem Wissensdreieck.

Media Contact

Dr. Elisabeth Zuber-Knost idw

Weitere Informationen:

http://www.kit.edu

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie

Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.

Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer