Modellfabrik Industrie 4.0: Forschungs- und Trainingsplattform für Wissenschaft und Wirtschaft

Dem erfassten QR-Code entsprechend zeigt das Tablet an der Arbeitsstation die für den jeweiligen Arbeiter individuellen Aufgaben an. HTWG

Markus Schneider steckt eine laminierte Karte mit einem QR-Code in ein Lesegerät an einer Arbeitsstation. Sofort ändert sich das Bild auf dem Tablet darunter. Auf drei Fotos sind Arbeitsschritte beschrieben: „Stift hier einsetzen“, „auf Winkeleinstellung achten“, „Schaltlitze hier positionieren“, ist neben roten Pfeilen zu lesen.

Markus Schneider steht an einer Arbeitsstation in der Modellfabrik 4.0 der HTWG Hochschule Konstanz Technik, Wirtschaft und Gestaltung, in der die Montage eines Elektrogetriebemotors in 288 verschiedenen Varianten in realer Umgebung möglich ist. Mit Hilfe des QR-Codes auf seiner Karte sind seine individuellen Aufgaben, Kompetenzen und Rechte für die jeweilige Arbeitsstation erkennbar. Das heißt: Anderer Arbeiter, andere Aufgaben. Oder aber auch: Anderes Produkt, andere Aufgaben.

Die Modellfabrik zeigt eine innovative, effiziente Produktion sowie Möglichkeiten der Digitalisierung in der fertigenden Industrie auf. Dabei werden offene, dezentrale Automatisierungskomponenten eingesetzt, die die notwendige Synchronisation und Selbstoptimierung in den Mittelpunkt des Produktionsprozesses stellen. Das Ergebnis ist eine variantenreiche sowie kundenindividuelle Produktion – was als charakteristisch für die digitalisierte Produktion gilt.

„Die Produktion der Zukunft wird höchst individuell werden, Massenproduktion wird sich bei vielen Konsumgütern hin zur Einzelanfertigung verschieben“, erläutert Dr. Carsten Schleyer, Professor für Wertschöpfungssysteme, der mit Prof. Dr. Marcus Kurth die Modellfabrik 4.0 ins Leben gerufen hat. Die Arbeitswelt ist im Wandel. „Wir sprechen von ´Zukünften´ – man weiß nicht, wo es genau hingeht“, sagt Dr. Marcus Kurth, Professor für Automatisierungstechnik. Die Modellfabrik will Unternehmen unterstützen, indem sie sie zur Simulation der „Produktion 4.0“ einlädt. Aber auch zur kritischen Reflektion: „Rechnet sich der Einsatz der durch Digitalisierung möglichen Technologien? Wo ist er sinnvoll? Wo nicht?“, erläutert Prof. Kurth.

Die Modellfabrik ist eine hochschulübergreifende Einrichtung. „Unsere Wirtschaftsrechtler sind beim Patentrecht gefragt, die Gesundheitsinformatiker zur Gestaltung des Arbeitsplatzes, die Wirtschaftsethiker bei der Frage, ob wirklich alles sein darf, was möglich ist“, zählt Prof. Kurth auf. Auch die Design-Studiengänge und die Fakultäten Informatik sowie Elektrotechnik und Informationstechnik sind involviert.

Mit dem Aufbau einer vernetzten Musterfabrik erfolgt zukünftig eine interdisziplinäre Zusammenarbeit über die Campusgrenzen hinaus. Die HTWG führt das grenzüberschreitende Forschungscluster „KMUdigital“ der Internationalen Bodensee-Hochschule an. In dem IBH-Lab arbeiten Wissenschaftler von sieben Hochschulen aus der Schweiz, Österreich und Deutschland zusammen, um kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in der Bodenseeregion bei der Bewältigung, Umsetzung und Implementierung der industriellen Digitalisierung zu unterstützen.

Anknüpfungspunkte für die Forschung gibt es viele und diese zu nutzen, sei wichtig: „Ohne Forschung ist keine zukunftsträchtige Lehre möglich“, sagt Kurth. Davon profitieren wiederum Unternehmen. Der Technologietransfer zwischen der Hochschule und den Unternehmen ist Teil der Transferstrategie der HTWG, die sich als Innovationshub im südlichen Baden-Württemberg und der Bodenseeregion versteht.
Schleyer verortet die Modellfabrik zwischen großen Forschungsinstituten und Unternehmen:

„Für uns ist die Frage leitend: Was können Unternehmen innerhalb der großen übergeordneten Entwicklungen in den nächsten drei Jahren umsetzen?“ Das Konzept findet nicht nur im Bodenseeraum Unterstützung. Auch das baden-württembergische Staatsministerium fördert die Einrichtung finanziell als Teil des „Bodenseezentrum Innovation 4.0 (BZI 4.0)“.

Der Wandel in den Unternehmen ist mit erhöhtem Schulungsbedarf der Mitarbeiter verbunden. Im Sinne lebenslangen Lernens bietet die Modellfabrik ein festes Schulungsangebot und auf die jeweiligen Bedürfnisse zugeschnittene Workshops, so dass unterschiedliche Nutzergruppen die Modellfabrik als Trainingsplattform einsetzen können. Dank der Transportfähigkeit sind auch Inhouse-Schulungen möglich.

Mehr als 300 Vertreterinnen und Vertreter aus Kammern, Schulen, Wirtschaftsförderungen, Behörden und aus der Industrie aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und dem Fürstentum Liechtenstein waren zur Eröffnung des Labors gekommen. Bürgermeister Dr. Andreas Osner dankte in Vertretung des Konstanzer Oberbürgermeisters für die Initiative der HTWG: „Die Stadt Konstanz ist stolz darauf, dass die Hochschule die Wirtschaftsregion am Bodensee stärkt“, sagte er. Die Modellfabrik Industrie 4.0 sei ein „Leuchtturmprojekt für die Region“. Wie ein Leuchtturm biete sie Orientierung auf den Wegen zur Digitalisierung.

Projektpartner:
Prof. Dr. Ingo Fricker (Professor für Produktionsmanagement): Virtuelle Fabrikplanung und Lean Production
Prof. Dr. Marcus Kurth (Professor für Regelungs- und Systemtechnik): Automatisierungstechnik und Vernetzung
Prof. Dr. Carsten Schleyer (Professor für Wertschöpfungssysteme): Produktionsplanung und Produktion der Zukunft

Die Transferstrategie der HTWG Konstanz
Die Hochschule ist in Forschung und Entwicklung, Technologietransfer und Weiterbildung Partner für innovationsorientierte Unternehmen und leistungsbereite, kreative Menschen. Sie ist ein wesentlicher Teil der internationalen Wissenschafts- und Wirtschaftsregion Bodensee. Die Transferstrategie der HTWG positioniert die Hochschule als Innovationshub im südlichen Baden-Württemberg und der Bodenseeregion.

http://www.modellfabrikbodensee.de/
http://www.htwg-konstanz.de

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Anja Wischer idw - Informationsdienst Wissenschaft

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