Mit Funketiketten das Bestandsmanagement im Griff

Der aktive Funk-Clip zur Kennzeichnung von Waren lässt sich zum Beispiel an Schuhen befestigen. © Fraunhofer IZM<br>

Vom Cocktailkleid für die nächste Sommerparty über das Lieblingsparfüm bis hin zu Computerzubehör: Es gibt fast nichts, was man heute nicht auch im Internet kaufen kann. Viele Kunden schätzen die Möglichkeit, bequem vom heimischen Sofa aus auf Shoppingtour zu gehen, anstatt schwere Tüten quer durch die Stadt zu schleppen.

Kein Wunder also, dass neben den großen Online-Versandhäusern auch zunehmend Markenhersteller ihre Ware im Web zum Verkauf anbieten. Immer öfter arbeiten die Unternehmen dabei mit regionalen Fachhändlern zusammen. Davon profitieren beide Seiten: Der Hersteller spart sich Kosten und Aufwand für den Aufbau zusätzlicher Logistik-Strukturen, da der Händler vor Ort die online bestellte Ware ausliefert oder zur Abholung bereitstellt und Retoursendungen abwickelt. Der Händler erhält umgekehrt Zugang zum Online-Markt und kann so seinen Kundenkreis erweitern.

Die Verknüpfung von Einzel- und Online-Handel stellt allerdings hohe Anforderungen an das Bestandsmanagement: Entscheidend ist vor allem der Überblick, welche und wie viele Produkte aus dem Webshop tatsächlich vor Ort verfügbar sind. Sonst kann es leicht zu Doppelverkäufen kommen – wenn etwa ein Kunde im Webshop ein Kleidungsstück bestellt und ein anderer Kunde just im selben Moment das gleiche Teil im Laden anprobiert und es kaufen möchte. Um solche Situationen zu vermeiden, müsste der Händler dem Webshop einen Zugriff auf seine Warenwirtschaftssysteme gewähren, wozu jedoch nur die wenigsten bereit sein dürften. Darüber hinaus werden diese Daten in der Regel nur einmal täglich aktualisiert.

Software übernimmt Datenabgleich

Forscher des Fraunhofer-Instituts für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM arbeiten gemeinsam mit dem Logistikdienstleister gaxsys GmbH an einer einfachen und effektiven Alternative: »Wir statten die Produkte mit einem aktiven Funkmodul aus«, erklärt Stefan Seifert, Entwickler vom Fraunhofer IZM. »Auf diese Weise lässt sich jederzeit nachvollziehen, wie viele Produkte gerade vor Ort vorrätig und auch verfügbar sind«.

Der Funk-Clip besteht aus einem Gehäuse mit einem Funkmodul, einem Mikrocontroller, einem Akku und einem Mikro-Vibrationssensor und wird beim Einzelhandel direkt am Produkt befestigt. Auf dem Clip ist lediglich eine eindeutige Identifikationsnummer (ID) gespeichert. Das kann eine Artikelnummer oder auch eine beliebige Nummer sein, die dann über eine Software den Artikeldaten – bei einem Kleidungsstück etwa Typ, Farbe und Größe – zugeordnet wird. Ist der Clip beim Händler aktiviert, sendet das Funkmodul in regelmäßigen Abständen seine ID an einen zentralen Empfänger im Laden. Die Software gleicht den Bestand ab und sendet die Daten an den Webshop weiter. Auf diese Weise erhält der Händler eine ständig aktualisierte Übersicht über den verfügbaren Bestand.

Der Clou: Sobald das Kleidungsstück im Laden bewegt wird – etwa, weil ein Kunde es von der Stange nimmt, um es anzuprobieren – detektiert dies der Mikro-Vibrationssensor und schickt eine entsprechende Information an den Empfänger. »In diesem Fall hat der Kunde im Laden Vorrang und das Produkt wird im Webshop für einige Zeit gesperrt«, erläutert Seifert. Doppelverkäufe sind damit ausgeschlossen. Wurde die Ware verkauft, wird der Akku des Funk-Clips aufgeladen, und kann dann wieder einem neuen Artikel zugeordnet und daran befestigt werden. Dank des optimierten Energiemanagements erreicht der Funk-Clip derzeit bereits Betriebszeiten von bis zu neun Monaten – das ist in der Regel ausreichend für die Zeitspanne zwischen Wareneingang und Verkauf eines Produkts. Ein Nachladen ist dann nicht nötig.

Die Entwicklung der Berliner Forscher soll zukünftig innerhalb eines Gesamtkonzepts der gaxsys GmbH zum Einsatz kommen. Es unterstützt Einzelhändler bei allen relevanten Prozessschritten wie Erstellung, Betrieb und Pflege eines Webshops, Zahlungsabwicklung, Dokumentation bis hin zur Logistik. Derzeit liegt der Fokus der Projektpartner im Bekleidungsbereich: Demnächst werden 20 Funkmodule bei einem Bekleidungs-Einzelhändler auf ihre Alltagstauglichkeit getestet. Zukünftig sieht Seifert aber auch bei anderen Produkten – vorwiegend im hochpreisigen Segment – großes Potenzial. In Frage kommen beispielsweise Luxusgüter wie kostspielige Uhren und Schmuck.

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Stefan Seifert Fraunhofer Forschung Kompakt

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