Die nächste industrielle Revolution beginnt beim Engineering

Industrie 4.0: IT und Produktion verschmelzen.

Eine neue industrielle Revolution liegt in der Luft. In Zukunft soll in den Fabriken die gesamte Wertschöpfungskette elektronisch vernetzt und automatisiert werden. Diese intelligente „Industrie 4.0“ muss schon beim Planen der Produktionsprozesse entstehen.

Oft müssen im Engineering Experten aus ganz unterschiedlichen Fachbereichen flexibel aufeinander reagieren, von der Mechanik über die Elektrik bis zur Steuerungsprogrammierung. IT-Systeme der TU Wien verknüpfen diese Bereiche, helfen bei der Kommunikation, leiten wichtige Information an die nötigen Stellen weiter und warnen frühzeitig vor möglichen Problemen. 

Erst durch solche verbindenden Systeme wird es möglich, die unterschiedlichen Glieder einer Produktionskette nahtlos zu einem cyber-physischen System zusammenzuführen. In den Systemen der TU Wien wird das Engineering-Wissen auf nachvollziehbare Weise und für Maschinen verständlich gespeichert, inhaltliche Zusammenhänge werden sichtbar gemacht.

Dieses Wissen bleibt im laufenden Produktionsprozess verfügbar. So können die Prozesse auch nachträglich noch von Personen optimiert und angepasst werden, die beim ursprünglichen Planungsprozess vielleicht gar nicht dabei waren. 

Elektronische Hilfe für das Zusammenarbeiten 

„Stellen Sie sich vor, eine große industrielle Produktionsanlage wird entworfen“, sagt Prof. Stefan Biffl, Informatiker an der TU Wien. „Jemand dimensioniert eine Bodenplatte, die ein bestimmtes Gewicht aushält. Alle Beteiligten fügen Komponenten hinzu, doch wie kann man möglichst effizient bereits während des parallelen Entwurfsprozesses feststellen, ob das Gesamtgewicht überschritten wird?“ Bisher hat man zuerst oft mühsam Spezifikationen für Entwicklungs-Meilensteine ausverhandelt. „Die beteiligten Fachexperten arbeiten oft unabhängig vor sich hin, erst kurz vor Erreichen eines Meilensteins erkennt man dann, ob wesentliche Design-Vereinbarungen nicht eingehalten wurden – und durch das späte Erkennen verzögert sich dann der Fertigstellungstermin und erhöhen sich die Projektkosten“, sagt Stefan Biffl. 

In der Vergangenheit erfolgte das Engineering automatisierter Systeme für einzelne Fachbereiche wie Mechanik, Elektrik und Steuerungsprogrammierung getrennt und weitgehend unabhängig. Das führt an den Schnittstellen allerdings zu Ineffizienzen und erheblichen Risiken. Außerdem braucht man, um Daten aus dem laufenden Betrieb richtig einzuordnen, das Engineering-Wissen aus der Entwicklungsphase, insbesondere für flexible Produktionssysteme. Bisher war das nur möglich, indem man Pläne händisch analysierte und sich darauf verließ, dass alle Daten sauber dokumentiert sind.

„Selbst bei bestehenden, auf traditionelle Weise automatisierten Anlagen ist eine Integration des Engineerings wertvoll und wichtig“, erklärt Biffl. „Bei Industrie 4.0 Lösungen, an denen über die gesamte Lebensdauer des Systems hinweg immer wieder Änderungen vorgenommen werden, ist die Integration allerdings unabdingbar, da nur eine maschinell verarbeitbare, lebenslange Dokumentation aller Systeme eine Weiterentwicklung erlaubt.“ 

Um diese Probleme zu beheben erforscht und entwickelt das Christian-Doppler-Forschungslabor „CDL-Flex“ an der TU Wien seit 2010 den Automation Service Bus® und seine praktischen Anwendungen. Er erlaubt Anwendern, die gewohnten Computer-Werkzeuge zu verwenden, die in ihrem Fachbereich üblich sind, und trotzdem ihre Ergebnisse automatisiert an den Schnittstellen zu anderen Fachbereichen zur Verfügung zu stellen. 

Über das an der TU Wien entwickelte „Multi-Model-Dashboard“, das auf solcherart vernetzten Daten aufbaut, können wichtige Systembeschränkungen auch dann kontinuierlich überwacht werden, wenn eine Verletzung der Vorgaben erst durch die Zusammenführung von Informationen aus verschiedenen Fachbereichen erkannt werden kann. Gerade bei Industrie 4.0-Systemen gibt es immer wieder Änderungen, sodass herkömmliche Qualitätssicherungsmaßnahmen nicht ausreichen. Das Multi-Model-Dashboard kann die benötigte Kommunikation in der Planung und im Betrieb gewährleisten. 

Informationstechnologie als Kommunikationshilfe 

Es gab in der Praxis bereits Experimente mit automatisierten Computer-Agenten, die Planungsprozesse mit Hilfe künstlicher Intelligenz selbstständig übernehmen – doch war die Akzeptanz wegen der mangelnden Nachvollziehbarkeit des Ergebnisses durch Menschen bisher nicht ausreichend. „Der Mensch muss im Zentrum stehen und die wesentlichen Entscheidungen treffen, das wird sich auch in Zukunft nicht ändern“, ist Stefan Biffl überzeugt. „Unsere Software baut genau auf dem auf, was immer schon das Wichtigste am Zusammenarbeiten war: Miteinander zu reden. Der Automation Service Bus® und Anwendungen wie das Multi-Model Dashboard helfen uns aber dabei, diese Kommunikation strukturiert zu gestalten, keinen Kommunikationsschritt zu übersehen und die benötigten Informationen automatisiert zu übermitteln.“ 

Ein bisschen erinnert das an die mächtigen Exoskelette, die in Science-Fiction-Filmen Superkräfte verleihen: Der Mensch trifft die Entscheidungen und führt die Bewegungen aus, aber diese Bewegungen werden mit Hilfe der Technik stärker und mächtiger. Die Software-Lösungen der TU Wien liefern Projektteams Superkräfte für die Kommunikation bei technischen Großprojekten. 

Auf der kommenden SPS IPC DRIVES in Nürnberg zeigen Prof. Biffl und sein Team erstmals für ein breites Firmenpublikum Umsetzungen und Anwendungen des Multi-Model-Dashboards, die der Automation Service Bus® für die Planungsphase und die Betriebsphase von Industrie-4.0-Anlagen zur Verfügung stellt. 

Weitere Neuerungen, die von der TU Wien auf der SPS IPC Drives (Nürnberg, 25.-27.11.2014) in Halle1, auf Stand251 vorgestellt werden:

Ein praxiserprobtes Tool zur Beherrschung von Schwingungen in Antriebssträngen – Hardware und Methodik für die automatisierte Modellierung und Analyse sowie Online-Überwachung und Unterdrückung von Schwingungen in rotierenden Antrieben. Zu sehen ist erstmals ein hochdynamischer Prüfstand der TU Wien für die Vermessung der nichtlinearen Eigenschaften von Elastomerkupplungen. 

Eine bereits in Stückzahlen von zig-tausend im Alltagseinsatz befindliche sensorlose Regelung für Permanentmagnet-Synchronmotoren wird in einer neuen, nun lautlosen Ausführung präsentiert. Sie bringt höchstmögliches Drehmoment, auch aus dem Stillstand, sowie stufenlose und „ruckelfreie“ Drehzahlregelung ohne Drehgeber – etwa für Produktionsmaschinen, Kraftfahrzeuge, Lüftung und Klimatechnik sowie Medizintechnik. Diese Regelung ermöglicht höchste Energieeffizienz bei erhöhter Ausfallsicherheit und das bei reduzierten Produktions- sowie Wartungskosten. 

Rückfragehinweise: 

Zu wissenschaftlichen Fragen:

Prof. Stefan Biffl

Institut für Softwaretechnik

und Interaktive Systeme

Technische Universität Wien

Favoritenstraße 8-11, 1040 Wien

T: +43-1-58801-18810

stefan.biffl@tuwien.ac.at

Zum TU-Auftritt bei der Messe SPS:

Dipl.-Ing. Peter Heimerl

Forschungsmarketing

Technische Universität Wien

Karlsplatz 13, 1040 Wien

T: +43-664-605883320

forschungsmarketing@tuwien.ac.at

Media Contact

Dr. Florian Aigner Technische Universität Wien

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