Blitzlicht treibt Computerentwicklung voran

Die blauen Hügel veranschaulichen die Energielandschaft eines Halbleiters. Elektronen werden von einem Tal in ein anderes Tal beschleunigt (gelborange). (Illustration: Fabian Langer, Uni Regensburg; die Abbildung darf nur im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die hier angezeigte wissenschaftliche Veröffentlichung verwendet werden.)

Schneller schalten: Kurze Lichtblitze eignen sich dazu, den raschen Wechsel zwischen zwei Energiezuständen in einem Halbleiter zu kontrollieren – womit eine Voraussetzung erfüllt ist, um automatische Rechenoperationen auszuführen, die erheblich schneller vonstattengehen als mit herkömmlicher Elektronik. Zu diesem Resultat kommen Physiker aus Regensburg, Marburg und Ann Arbor in den USA aufgrund von Laserexperimenten und theoretischen Untersuchungen. Die Forschungsgruppe berichtet über ihre Ergebnisse im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Computer bestehen aus Bauteilen, die auf der Bewegung von Elektronen basieren; der Elektronentransport kommt durch das Anlegen einer elektrischen Spannung zustande. Lange Zeit wurde der Ruf nach verbesserten Leistungen mit höheren Taktraten und einer fortschreitenden Miniaturisierung der Bauteile beantwortet. „Eine weitere Verkleinerung und Beschleunigung stößt jedoch an fundamentale Grenzen“, sagt der Marburger Physiker Dr. Peter Hawkins, einer der Erstautoren des Aufsatzes.

„Einen Ausweg eröffnet die Kontrolle von Elektronenbewegung durch das elektrische Feld einer Lichtwelle“, führt Fabian Langer von der Universität Regensburg aus, der sich mit Hawkins die Erstautorenschaft teilt:

Extrem kurze Lichtblitze sind in der Lage, die Bewegung von Elektronen auf einer ultra-kurzen Zeitskala zu manipulieren und zu steuern. Dies erlaubt eine millionenfach schnellere Steuerung von elektrischen Strömen, mit der sich die Beschränkungen konventioneller Elektronik überwinden lassen.

Das Team um Professor Dr. Stephan W. Koch von der Philipps-Universität Marburg, Professor Dr. Mackillo Kira aus Ann Arbor sowie den Professoren Dr. Jaroslav Fabian, Dr. Christian Schüller, Dr. Tobias Korn und Dr. Rupert Huber von der Universität Regensburg ging nun daran, einen solchen Prozess in einem neuartigen Halbleitermaterial zu untersuchen. Dieses besteht aus einer einzigen Schicht von Wolfram-Atomen, die auf beiden Seiten von Selen-Atomen umgeben ist.

Ein schwacher Lichtpuls genügt, um Elektronen in diesem hauchdünnen Halbleiter zu zwei unterschiedlichen, voneinander getrennten Energiezuständen anzuregen, die Fachleute als Täler bezeichnen. Wählt man die Einstellung der Lichtquelle geschickt, so lassen sich die beiden Täler getrennt voneinander anregen, wobei Elektronen gezielt nur in einem der beiden Täler entstehen.

„Die beiden Täler unterscheiden sich durch eine quantenphysikalische Eigenschaft, nämlich ihren Pseudospin“, erläutert der Marburger Physiker Dr. Ulrich Huttner, der an der wissenschaftlichen Veröffentlichung beteiligt ist.

Um diese Phänomene irgendwann zum Rechnen verwenden zu können, muss man den Wechsel von einem Zustand zum anderen unter Kontrolle bringen. Das ist den Physikern jetzt gelungen. Zu diesem Zweck bestrahlten die Regensburger Experimentatoren das hauchdünne Material zunächst mit kurzen, starken Lichtpulsen, um Elektronen zwischen den beiden Energietälern zu transportieren.

Dabei kommt es zu kurzen Lichtblitzen, die Rückschlüsse darauf zulassen, in welchem Tal sich das Elektron befindet. Für die Analyse kombinierten die Physiker aus Marburg und Ann Arbor verschiedene Methoden der Theoretischen Physik: Sie berechneten einerseits die Eigenschaften des Halbleiters und griffen andererseits auf Modelle der Quantenmechanik zurück, um die Prozesse im Inneren des Materials zu beschreiben.

Die Untersuchungen bestätigten, dass die auftretenden Effekte tatsächlich auf einer Änderung des Pseudospins beruhen, die durch ein sehr starkes Lichtfeld verursacht wird. „Wir zeigen mit unseren Untersuchungen erstmals, dass man den Pseudospin in kürzesten Zeitintervallen durch Lichtwellen ändern kann“, schreiben die Autoren.

„Solch ein Schalt-Prozess könnte in Zukunft ein wichtiger Baustein im Gebiet der Lichtwellen-Elektronik sein“, vermuten die Verfasser. „Das Zusammenspiel von experimenteller und theoretischer Physik stellt einen ganzen Besteckkasten neuartiger Instrumente bereit, wie sie für die künftige Quanteninformationstechnologie benötigt werden.“

Die Arbeitsgruppen aus Regensburg, Marburg und Ann Arbor kooperieren bereits seit geraumer Zeit miteinander, um Experiment und Theorie zu kombinieren. Professor Dr. Stephan Koch lehrt Theoretische Halbleiterphysik an der Philipps-Universität. Er ist Träger des Leibniz-Preises der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des höchst dotierten Wissenschaftspreises im deutschsprachigen Raum, und gehört mit seiner Arbeitsgruppe dem Marburger Sonderforschungsbereich 1083 der Deutschen Forschungsgemeinschaft zum Thema „Innere Grenzflächen“ an.

Professor Dr. Rupert Huber leitet das Institut für Experimentelle und Angewandte Physik der Universität Regensburg. Er erhielt im Jahr 2012 einen „ERC Starting Grant“ des Europäischen Forschungsrates.

Die wissenschaftliche Arbeit, die der Veröffentlichung zugrunde liegt, wurde vom Europäischen Forschungsrat und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziell gefördert, unter anderem durch deren Sonderforschungsbereiche 1083 und 1277 sowie das Graduiertenkolleg 1570.

Originalveröffentlichung: Fabian Langer, Peter W. Hawkins & al.: Lightwave valleytronics in a monolayer of tungsten diselenide, Nature 2018

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Stephan W. Koch,
Philipps-Universität Marburg
Arbeitsgruppe Theoretische Halbleiterphysik
Tel.: 06421 28-21336
E-Mail: stephan.w.koch@physik.uni-marburg.de

Professor Dr. Rupert Huber,
Universität Regensburg
Arbeitsgruppe Ultraschnelle Quantenphysik und Photonik
Tel.: 0941 943-2070, -2071
E-Mail: rupert.huber@physik.uni-regensburg.de

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Johannes Scholten idw - Informationsdienst Wissenschaft

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