Bewegungen auf den Grund gehen
Ob Sprint zur Straßenbahn oder Griff zum Kugelschreiber: Im Gehirn sind Aktivitäten, die mit Muskelbewegungen einhergehen, bestimmten Bereichen zugeordnet. Wo diese Areale genau liegen, verrieten bisher nur elektrische Reizungen des Gehirns oder experimentelle Aufgaben, die häufig unnatürlich waren. Ein Freiburger Forscherteam hat nun erstmals die Hirnoberfläche durch Messungen während alltäglicher Bewegungen kartiert.
Insbesondere die Behandlung von Epilepsiepatientinnen und -patienten erfordert es, Hirnbereiche zu bestimmten Fähigkeiten genau zuzuordnen und krankhaft veränderte Regionen zu erkennen. Denn in schweren Fällen muss zur Behandlung Nervengewebe entfernt werden.
Bisher haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Orte auf der Hirnoberfläche zur Kartierung typischerweise elektrisch gereizt und beobachtet, welche Empfindung oder Reaktionen dies auslöst. Oder Patienten mussten bestimmte Bewegungen viele Male ausführen, um die dazugehörigen Gehirnantworten festzustellen. Doch diese Methoden erfordern, dass der Patient kooperiert und sich den Ärzten differenziert mitteilt – eine Voraussetzung, die Kleinkinder oder Menschen mit geschädigtem Gehirn nicht erfüllen können.
Ein Forschungsteam um Dr. Tonio Ball vom Exzellenzcluster BrainLinks-BrainTools und dem Bernstein Center der Universität Freiburg beschreiben in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift NeuroImage, dass auch die Aktivität des Gehirns bei alltäglichen Bewegungen die Position der Bereiche für die Steuerung von Armen und Beinen zuverlässig verrät. Die Wissenschaftler werteten hierzu die Daten von Epilepsiepatienten aus, die vor einer Operation Elektroden eingesetzt bekommen hatten. Anhand von Videoaufnahmen protokollierte das Team die Bewegungen der Patienten und suchte im Datenstrom, der an der Hirnoberfläche gewonnen wurde, nach gleichzeitig auftretenden Signalen einer bestimmten Schwingungsfrequenz. So gelang ihnen eine ebenso zuverlässige Kartierung der Hirnoberfläche für Bewegungen der Arme und Beine, wie sie die herkömmliche Methode mit experimentellen Aufgaben erzielt.
Das Team aus Freiburg erhofft sich von der Methode neue Erkenntnisse über die Bewegungssteuerung im Gehirn, denn nun können vielfältigste Verhaltensweisen untersucht werden und nicht bloß solche, die in Experimenten abgefragt werden. Nicht zuletzt, erklären die Forscherinnen und Forscher, wird diese neue Form der Signalanalyse der Entwicklung von Schnittstellen zwischen Gehirn und Maschinen dienen, die im Alltag funktionstauglich sein sollen.
Originalveröffentlichung
Ruescher J., Iljina O., Altenmüller D.-M., Aertsen A., Schulze-Bonhage A., Ball, T. (2013) Somatotopic mapping of natural upper- and lower-extremity movements and speech production with high gamma electrocorticography. NeuroImage 81, 164–177.
Kontakt:
Dr. Gunnar Grah
Wissenschaftskommunikator für BrainLinks-BrainTools
und Bernstein Center Freiburg
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg
Tel.: 0761/203-67722
E-Mail: grah@brainlinks-braintools.uni-freiburg.de
Media Contact
Alle Nachrichten aus der Kategorie: Informationstechnologie
Neuerungen und Entwicklungen auf den Gebieten der Informations- und Datenverarbeitung sowie der dafür benötigten Hardware finden Sie hier zusammengefasst.
Unter anderem erhalten Sie Informationen aus den Teilbereichen: IT-Dienstleistungen, IT-Architektur, IT-Management und Telekommunikation.
Neueste Beiträge
Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft
Forschende an der ETH Zürich haben Bakterien im Labor so herangezüchtet, dass sie Methanol effizient verwerten können. Jetzt lässt sich der Stoffwechsel dieser Bakterien anzapfen, um wertvolle Produkte herzustellen, die…
Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren
Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…
Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht
Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…