Erhöhtes Kollisionsrisiko von Satelliten durch chinesischen Anti-Satelliten-Test

China hat am 11. Januar 2007 eine Anti-Satelliten-Waffe im Weltraum getestet. Das Ziel des Tests war die Zerstörung eines im Jahr 1999 gestarteten chinesischen Wettersatelliten mit der Bezeichnung FENGYUN 1C, der sich in ca. 850 Kilometern Höhe auf einer polaren Umlaufbahn befand.

Die Anzahl der vom amerikanischen Radar entdeckten Trümmer des chinesischen Anti-Satelliten ist beträchtlich. Zur Abschätzung der Auswirkung auf die Weltraummüllumgebung wurden vom Institut für Luft- und Raumfahrtsysteme (ILR) der Technischen Universität Braunschweig Berechnungen, aufgrund der vom amerikanischen Radar gemachten Beobachtungen durchgeführt. Fazit: Durch die Zerstörung des Satelliten ergibt sich ein deutlich erhöhtes Kollisionsrisiko für Satellitenmissionen.

Wie stark ist die Trümmeranzahl im Weltraum durch den Anti-Satelliten-Test gestiegen?

Die Chinesen haben den Satelliten laut Medienberichten mit einer bodengestützten Rakete über China zerstört. Es wurden zahlreiche Trümmerstücke beobachtet, die als Weltraummüll gefährlich werden können. Das amerikanische SPACE SURVEILLANCE NETWORK hat innerhalb von zwei Wochen nach der Zerstörung des chinesischen Satelliten mehr als 500 Trümmerstücke beobachtet. Dabei lassen sich von der Erde aus nur Objekte erfassen, deren Durchmesser größer als zehn Zentimeter ist. Die Bahnhöhen der beobachteten Trümmerstücke reichen in niedrigere sowie höhere Bahnbereiche hinein (Abbildung 1) und führen dort für Satellitenmissionen zu einem erhöhten Kollisionsrisiko. Die Auswirkung des Anti-Satelliten-Tests auf die gesamte Weltraummüllpopulation kann mit Simulationsrechnungen abgeschätzt werden.

Zu diesem Zweck hat das ILR im Auftrag der ESA eine Software entwickelt, mit der sich die Verteilung der entstandenen Trümmer auf Erdumlaufbahnen simulieren und deren Anteil an der Gesamtpopulation bestimmen lassen. Die Software mit der Bezeichnung POEM (Program for Orbital Debris Environment Modelling) dient zur Simulation einzelner „Weltraummüll-Erzeugungsereignisse“. Die durch POEM generierten Datenbanken bilden den wissenschaftlichen Kern des ESA-Weltraumüllmodells MASTER (Meteoroid and Space Debris Terrestrial Environment Reference). POEM verfügt über eine detaillierte Modellvorstellung der Freisetzung und der zeitlichen Entwicklung einzelner Quellen von Weltraummüll seit Beginn der Raumfahrtaktivitäten.

Mit POEM wurde die Belastung des Anti-Satelliten-Tests bei der Weltraummüllpopulation bestimmt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Zerstörung des chinesischen Satelliten in einer Bahnhöhe von 850 Kilometern bei den einen Zentimeter großen Trümmerstücken zu etwa 28 Prozent zur bereits vorhandenen Weltraummüllpopulation beigetragen hat. Um diesen Prozentsatz wird das Kollisionsrisiko in der nahen Zukunft für Satellitenmissionen in dieser Bahnhöhe ansteigen. Längerfristig wird zwar ein Teil der kleineren Trümmerstücke durch die Restreibung der Atmosphäre abgebremst und danach verglühen. Ein erheblicher Teil der Trümmer, die größer als einen Zentimeter sind, werden für lange Zeit im Weltraum verbleiben (Abbildung 2).

Warum sollten Anti-Satelliten-Tests zukünftig vermieden werden?

Der Anti-Satelliten-Test wurde in einer Bahnhöhe, die von vielen Erdbeobachtungssatelliten genutzt wird, durchgeführt. „Die Wahrscheinlichkeit der Zerstörung eines Satelliten durch Weltraummülleinschläge ist noch nicht dramatisch“, so Carsten Wiedemann vom ILF, „aber in etwa von 900 Kilometern Höhe ist die Trümmerdichte inzwischen so hoch, dass in den nächsten Jahrzehnten ein „Kettenreaktionseffekt“ einsetzen könnte. Trümmerstücke kollidieren dann untereinander und erzeugen dadurch neue Trümmer, so dass die Anzahl der Objekte stetig weiter steigt. Deshalb muss das Freisetzen weiterer Trümmer in diesen Bahnhöhen unbedingt vermieden werden. Hinzu kommt, dass in der Nähe von 900 Kilometern Höhe etwa 30 ausgediente russische Kernreaktoren auf „Friedhofsumlaufbahnen“ fliegen, deren Radioaktivität dort in den nächsten Jahrhunderten abklingen soll. Wenn der Kettenreaktionseffekt einsetzt, könnten diese Reaktoren als Kollisionspartner zur Verfügung stehen und auseinander brechen. Geringe Mengen freiwerdender radioaktiver Trümmer könnten dann eventuell früher in die Erdatmosphäre eintreten, als dies ursprünglich vorgesehen war.“

Kontakt:
Sebastian Stabroth, Tel.: 0531/391-9972, E.Mail: s.stabroth@tu-braunschweig.de
Carsten Wiedemann, Tel.: 0531/391-9970, E-Mail: c.wiedemann@tu-braunschweig.de
Michael Oswald, Tel.: 0531/391-9974, E-Mail: m.oswald@tu-braunschweig.de

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Ulrike Rolf idw

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