BACS haucht Robotern Wahrnehmung ein

Menschen und Roboter agieren in gemeinsamer Umgebung. Das Bayes Theorem hilft die Wahrnehmung von Lebewesen besser zu verstehen und optimale künstliche Wahrnehmungssysteme zu realisieren. Bild: BACS

Das Tübinger Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik ist Partner in dem bis 2010 laufenden Integrierten Forschungsprojekt BACS (Bayesian Approach to Cognitive Systems), das durch die Europäische Kommission mit 7,5 Mio. Euro gefördert wird. In diesem Projekt untersuchen Forscher, inwieweit das Bayes Theorem auch auf künstliche Wahrnehmungssysteme anwendbar ist, die komplexe Aufgaben in natürlicher Umgebung übernehmen. Das Bayes Theorem ist Grundlage für rationales Urteilsvermögen, wenn nur unsichere und unvollständige Informationen verfügbar sind.

Wir sitzen im Fußballstadion und entdecken dort in der 10. Reihe unseren Nachbarn. Wir erkennen ihn mühelos, obwohl er nur Sonnenbrille und Cap in seinen Clubfarben trägt. Solche Erkennungsprozesse funktionieren dadurch, dass unser Gehirn die Information von unseren Sinnesorganen aufnimmt und in einer hochkomplexen Wahrnehmungsleistung verarbeitet. Das Einordnen von Dingen (Kategorisierung) scheint eine wesentliche Charakteristik menschlicher Intelligenz zu sein, doch Robotern bereitet dieses heute noch ‚Kopfzerbrechen’. Wo dem Roboter Wissen um eine vordefinierte Umgebung fehlt, also eine vorprogrammierte Steuerung nicht möglich ist, versagt er meist kläglich. Gerade ein autonomer, situationsbezogen handelnder Roboter könnte aber dem Menschen hilfreich sein.

Dies ist das Thema von BACS (Bayesian Approach to Cognitive Systems), einem mit 7,5 Mio. Euro dotierten „Integrierten Projekt“ im 6. Forschungsrahmenprogramm der Europäischen Kommission. Im BACS-Projekt arbeiten Grundlagen- und Industrieforscher gemeinsam an künstlichen Wahrnehmungssystemen, die im Alltag komplexe Aufgaben übernehmen könnten. Grundlage dafür ist das so genannte Theorem von Bayes. Der nach Thomas Bayes, einem im 18. Jahrhundert lebenden englischen Mathematiker und presbyterianischen Pfarrer, benannte mathematische Satz zeigt Möglichkeiten auf, mit bedingter Wahrscheinlichkeit zu rechnen. Er ist die Grundlage für rationales Urteilsvermögen, wenn nur unsichere und unvollständige Informationen verfügbar sind. Das Bayes Theorem ist auf alle Fragen des Lernens aus Erfahrung anwendbar. In der 50 Monate dauernden BACS-Kooperation nutzen es die zehn Projektpartner, um neuronale Funktionen und kognitive Vorgänge zu modellieren. Damit wollen sie die Wahrnehmung von Lebewesen besser verstehen, bestehende Lernalgorithmen optimieren und künstliche Wahrnehmungssysteme realisieren.

Die wissenschaftliche Arbeit in BACS rückt Roboter in Griffnähe, die mit lückenhaften Angaben umzugehen wissen, ihre Umgebung analysieren, Wissen situationsbezogen akquirieren, Daten interpretieren und – gemeinsam mit dem Menschen – Entscheidungen treffen können. Eine konkrete Umsetzung mit Marktpotenzial wäre ein Fahrerassistent für Personen- und Lastwagen, der mit Kontrollfunktionen und Fahrstrategien Lenkern wie Fußgängern mehr Sicherheit bieten würde.

Ein weiteres Thema sind dreidimensionale Modelle für sicherheitskritische Anwendungen, wie etwa die Überwachung von Strukturveränderungen in Gebäuden, Steilhängen oder Bergbauminen oder sicherheitsrelevanten Infrastrukturelementen wie die Überwachung von Starkstromleitungen. Auf Bayes basierende Berechnungsmodelle erschließen der europäischen Industrie Technologievorteile, sowohl für Großunternehmen, etwa in der Auto- und Mobiltelefon-Branche, als auch für kleine und mittlere Unternehmen, die in Nischenmärkten wie medizinische Betreuung, Inspektion und Überwachung erfolgreich aktiv sind.

Aufgabe der beteiligten Max-Planck-Forscher ist es, künstliche Wahrnehmungssysteme und Modelle zur Gesichts- und Körperbewegung zu entwerfen, die auf Wahrnehmungsexperimenten mit Versuchspersonen basieren. Die Entwicklung neuer 3D-Animationstechnologien soll dabei helfen zu verstehen, wie Menschen die Gesichtsmimik erkennen und in der non-verbalen Kommunikation mit künstlichen animierten Gesprächspartnern, beispielsweise in Auskunftssystemen, anwenden können. Weiterhin sollen künstlich animierte Gesichtsspiegelbilder zur Erforschung der Selbstwahrnehmung entwickelt und ihr Einsatz für Rehabilitationsprogramme in Kliniken erprobt werden.

Das Projekt umfasst zehn Partner aus Deutschland, der Schweiz, Frankreich und Portugal. Es wird durch Prof. Siegwart von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich koordiniert. Der Projektanteil der Abteilung für Kognitive Humanpsychophysik unter der Leitung von Prof. Heinrich Bülthoff am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik beträgt 850.000 Euro.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Dr.-Ing. Cristóbal Curio
Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik, Tübingen
Tel.: 07071 601-605
E-Mail: Cristobal.Curio@tuebingen.mpg.de

Media Contact

Dr. Andreas Trepte Max-Planck-Gesellschaft

Weitere Informationen:

http://www.mpg.de

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