Schlankheitskur für digitale Videos

Zukünftig sollen nicht mehr nur Computernutzer von den schnellen DSL-Leitungen profitieren. Auch der Fernseher wird dadurch zum Multimedia-Gerät, denn im Handumdrehen lassen sich per Telefonkabel vor allem Videos auf den Bildschirm laden. Bislang sind die erforderlichen Datenmengen allerdings zu groß für eine Übertragung mit wirklich guter Bildqualität. Siemens-Forscher haben jetzt gemeinsam mit der Firma MainConcept ein System entwickelt, das neueste Videostandards verwendet, um die riesigen Bilddatenströme zu komprimieren.


Mobil telefonieren ist bereits so populär, dass inzwischen ein guter Teil des Telefonverkehrs in Deutschland nicht mehr vom Apparat zu Hause, sondern von unterwegs mit dem Handy geführt wird. Für die Telekommunikationsunternehmen ist dies ein guter Grund, nach neuen Nutzungsmöglichkeiten für das Festnetz zu suchen. Eine Technik, die sich bereits in den nächsten Jahren etablieren dürfte, sind die so genannten Home-Entertainment-Systeme. Die Idee: Der Fernseher wird mit Hilfe eines Zusatzgerätes, einer so genannten Set-Top-Box, an die Telefonleitung angeschlossen und wandelt sich zum Multifunktionsgerät. Ganz ohne Programmier- und Computerkenntnisse lassen sich per Fernbedienung Internetseiten aufrufen, Video-Telefonkonferenzen führen oder Videos abrufen. Vor allem Letzteres, die Video-on-Demand-Funktion (Video-auf-Wunsch), gilt als vielversprechend. Der Gang in die Videothek ist dann Schnee von gestern. Ein Tastendruck auf der Fernbedienung genügt, und schon lässt sich via Telefonleitung aus dem Internet der Lieblingsfilm auf die Mattscheibe holen. Abgerechnet wird die Videonutzung dann bequem mit der nächsten Telefonrechnung.

Bislang ist die Übertragung eines Videos allerdings problematisch. Nicht einmal die hohe Übertragungsleistung der DSL-Anschlüsse reicht aus, um die großen Bildmengen genügend schnell an den Fernseher zu übertragen und ein passables Bild zu erzeugen. Zwar existiert seit kurzem ein Kompressionsstandard (H.264 oder MPEG-4 AVC genannt), der die Datenmenge des digitalen Videos im Vergleich zu der beim digitalen Fernsehen (DVB) auf die Hälfte reduziert. Es ist bisher aber noch niemandem gelungen, den neuen Standard in ein funktionstüchtiges, DSL-taugliches Produkt zu verwandeln. Diesem Ziel sind Entwickler von Siemens Corporate Technology (CT) in München jetzt einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Gemeinsam mit der Aachener MainConcept AG entwickelten die Experten ein System, das Videobilder mit dem neuen Kompressionsstandard in platzsparende Datenpakete wandelt, diese effektiv via DSL-Leitung verschickt und am Fernseher schließlich in ein fließendes Videobild umsetzt.

Für gewöhnlich werden Videos mit dem etablierten MPEG-2 Verfahren übertragen – zum Beispiel beim neuen Digitalfernsehen vom Sender zur Zimmerantenne. Pro Sekunde saust dabei im Durchschnitt eine Datenmenge von 4 Megabit (Mbit) durch die Luft – das entspricht vier Millionen Bit. Zum Vergleich: Ein Buchstabe in einer E-Mail enthält gerade mal acht Bit. Die digitalen Fernsehkanäle bewältigen eine solche Datenrate spielend. Die DSL-Verbindung hingegen bringt es im Allgemeinen nur auf etwa 2 Mbit pro Sekunde. Ziel der Siemens-Forscher war es daher, unter dieser Grenze zu bleiben. Auch sie nutzen für ihre Übertragung letztlich den MPEG-2-Standard, allerdings nur als Vehikel. So besteht ein MPEG-2-Signal aus einem Transportstrom und einem Informationsstrom. Während sich in dem Informationsstrom die Audio- und Videodaten befinden, enthält der Transportstrom die Informationen über die Synchronisation der Audio- und Videodaten. Während der MPEG 2 Transportstrom unangetastet blieb, gelang es den Forschern innerhalb des Informationsstroms MPEG-2 durch H.264 zu ersetzen. „Zunächst haben wir existierende Software zur H.264-Komprimiererung gesucht und analysiert“, sagt Marcel Wagner, Projektleiter bei CT. Anschließend mussten sie einen MPEG-2-Transportstrom mit H.264-Video-Daten beladen – eine große Herausforderung. Das Problem: Die Datenmenge eines Videosignals ändert sich ständig. Bei bewegten Szenen etwa verändern sich zugleich viele Bildpunkte – die Datenmenge wird größer. Beim Standbild hingegen ist sie entsprechend gering. Wagner: „Unser Ziel war es, trotz dieser Schwankungen einen gleichmäßigen Datenstrom zu erzeugen, also die Daten gewissermaßen in gleich große Päckchen zu packen und in gleichmäßigen Abständen auf die Reise zu schicken. Das liefert derzeit keine andere Lösung auf dem Markt.“

Neben dem H.264-Know-how war es vor allem die einschlägige Erfahrung mit MPEG-2-Transportströmen, die den Entwicklern in Cooperation mit der MainConcept Codec Gruppe den entscheidenden Vorsprung vor anderen Unternehmen lieferte. Dieses Know-how macht es möglich, die Bild-Bits zeitlich ein wenig zu verschieben, ohne dass das menschliche Auge die Veränderung wahrnimmt. So lassen sich trotz schwankender Bilddatenmengen gleichmäßige Datenflüsse erzeugen, die sich über die schon existierende DSL-Infrastruktur ohne große Probleme übertragen lassen. Zusammen mit einer neuen Set-Top-Box, die von Siemens entwickelt wurde und den H.264-Standard decodieren kann, können die digitalen Informationen am Fernseher wieder zu einem flüssigen Bild zusammensetzt werden.

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Guido Weber idw

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