Rundum virtuell

Die digitale Litfaßsäule läd zum Eintauchen, Erleben und Gestalten in computersimulierte Welten ein. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Rechnerarchitektur und Softwaretechnik FIRST präsentieren das runde Display für zwei- oder dreidimensionale Bilder und Filme auf dem Gemeinschaftstand der CeBIT in Halle 9, Stand B36.


„Wir haben die Technologie aus dem dunklen Projektionsraum herausgeholt. Designer, Architekten und Ingenieure sind beim Modellieren virtueller Objekte nicht wie bisher von dreidimensionalen Bildern umgeben. Jetzt können sie die realitätsgetreue Nachbildung in die Säule hinein stellen, darum herumgehen und sie bearbeiten. So erhalten sie den Eindruck, ihr Werkstück sei ein Hologramm,“ erklärt Ivo Haulsen, Wissenschaftler am Fraunhofer FIRST.

In der digitalen Litfaßsäule steckt eine Weiterentwicklung der X-Rooms?-Technologie. Das neue Virtual-Reality-System läuft wie sein Vorgänger auf handelsüblichen PCs und ist auch für kleine und mittlere Unternehmen erschwinglich. Der Prototyp entstand in dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „LaserCave“. „Mit den X-Rooms? haben wir eine kostengünstige und hochwertige Variante zu den bis dahin aufwändigeren Caves entwickelt“, so der Forscher. Viele Unternehmen nutzen schon lange diese Simulationstechnologie für ihre Produktentwicklung. Ingenieure entwerfen Autos, Bühnenbildner testen Lichteinstellungen, Architekten präsentieren geplante Neubauten. Das ist weitaus kostengünstiger, als immer wieder neue Prototypen herzustellen und zu modifizieren.

Das neuartige Display ist für Werbe- und Präsentationszwecke konzipiert. Seine Form erinnert an die Berliner Litfaßsäulen vor 150 Jahren. Die High-Tech-Säule ist zwei Meter hoch und hat einen Durchmesser von 1,60 Meter. Die vielseitige virtuelle Vitrine kann zum Beispiel Autos, die es noch nicht gibt, auf Messen präsentieren, im Kino- und Theaterfoyer Filmtrailer oder Szenen einer Inszenierung zeigen oder eine antike Vase für eine Ausstellung nachbilden. Bewegte Bilder in leuchtenden Farben ziehen die Blicke der Passanten an und laden ein, in die bunte Welt einzutauchen. Durch eine versteckte Tür in der Litfaßäule verschwinden, wie Orson Wells in dem Filmklassiker der „Dritte Mann“, können sie allerdings nicht. Das Innenleben der Säule besteht aus einer Kombination bewährter Technik: Acht handelsübliche Projektoren und vier Spiegel für die Rückprojektion sind im unteren Teil eingebaut. Die semitransparente Sichtfläche für die Bilder ist um den oberen Teil der Säule gewickelt. Die Säule wird von fünf Standardrechnern mit ausgeklügelter Kalibrierungssoftware gesteuert.

Für dreidimensionale Präsentationen hält der Wissenschaftler stereoskopische Brillen bereit. „Der 3-D-Effekt wird über eine doppelte Projektion erzeugt. Von jedem Bild werden zwei farbig abgesetzte Varianten erzeugt, die dann wieder mit Hilfe der Spezialbrille zusammengesetzt werden und dem Betrachter den dreidimensionalen Eindruck vermitteln. Für dieses Verfahren benötigen wir insgesamt acht Projektoren, jeweils ein Viertelsegment der Säule wird von innen her von einem Projektorenpaar angestrahlt“, so Haulsen.

Gemeinsam mit der Berliner Firma Ideea haben die Forscher den Prototyp am FIRST in Berlin entwickelt. Der Kooperationspartner benutzt das System, um Messestände und Bühnenbauten zu konstruieren: Mit einem Personal Digital Assistant als Steuerinstrument und der 3-D-Brille auf der Nase kann der Aussteller schon im Vorfeld den geplanten Stand inspizieren. Auf diese Weise bleiben bleiben ihm böse Überraschungen beim realen Standaufbau im Messetrubel erspart. Er kann die kostenintensiven Aufbauten aus jeder Perspektive begutachten, über den zukünftigen Stand laufen, Ausschnitte größer oder kleiner zoomen oder im Handumdrehen die Farbgebung verändern. Ist der Standbauer „getrackt“, das heißt an ein Sender-Empfänger-System gekoppelt, fließen zusätzlich die Informationen über seine Blickrichtung die Bildberechnung ein. Dazu ist ein Sender an seiner Kleidung befestigt, der mithilfe eines magnetischen Felds seinen Standort an die Säule funkt. So kann das auf der Säule dargestellte Bild in Echtzeit auf die momentane Blickrichtung des Betrachters angepasst werden. Exakt ausgerichtete Toneinspielungen ergänzen die optische Illusion bei Bedarf.

„Uns ist es jetzt gelungen, das Bild um die ganze Säule herumzu- projizieren. Ursprünglich setzten sich die dreidimensionalen Darstellungen der Caves aus Projektionen auf gerade Flächen zusammen. Das Licht strahlt hier auf die Wände des begehbaren ’High-Tech-Würfels’. Im nächsten Schritt konnten wir Bilder ohne Verzerrungen auf gekrümmte Flächen werfen. Zum Beispiel entstehen bei Projektionen auf halbrunde Leinwände schiefe Bilder, die wir mit spezieller Software wieder gerade rücken“, beschreibt Haulsen die Entwick-lungsgeschichte. Ein Autokalibrierungssystem berechnet und korrigiert die Verzerrungen bei der 360-Grad-Projektion und fügt die Bilder exakt und schnell zusammen. Auch unregelmäßige Farbgebung, Helligkeit, ungewollte Überschneidungen und langwierige Feineinstellungen sind passé.

Die Wissenschaftler entwickeln die Technologie für variabel einsetzbare Leinwände in unterschiedlichen Formen weiter. Den Kundenwünschen sind scheinbar keine Grenzen gesetzt. Sowohl 3-D oder HDTV-Filme als auch Live Videos oder Dias können jetzt schon automatisch synchronisiert abgespielt werden.

Ansprechpartnerin:
Mirjam Kaplow
Telefon: 0 30 / 63 92-18 23, Fax: -18 05
mirjam.kaplow@first.fraunhofer.de

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Dr. Johannes Ehrlenspiel idw

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