Materialkombination für Speicherbausteine ohne giftiges Blei

Kristallzüchter bauen gezielt Spannungen in hauchdünne Schichten ein. Das könnte den Weg zu bleifreien Elektronikbauteilen ebnen

Eine amerikanisch-deutsche Forschergruppe hat für eine neue Art von Speicherbausteinen eine Materialkombination erzeugt, die ohne das giftige Blei auskommt. Mit im Team waren zwei Wissenschaftler des Berliner Instituts für Kristallzüchtung (IKZ). Die Gruppe berichtet über ihre Arbeit in der heutigen Ausgabe von Science (5. November 2004).

Im Kern geht es darum, Kristallschichten gezielt zu „verspannen“, um damit ein höheres Maß an Ferroelektrizität zu erzeugen. Ferroelektrische Materialien besitzen ein permanentes elektrisches Dipolmoment, dessen Richtung durch ein elektrisches Feld geändert werden kann. Der Vorgang ist umkehrbar. Damit sind ferroelektrische Materialien Wunschkandidaten für Speicherelemente (RAM). Noch gibt es kaum ferromagnetische Speicher (FeRAM), doch das könnte sich bald ändern.

Bisher konnte die Ferroelektrizität am besten mit „PZT“ und davon abgeleiteten Mischkristallen ausgenutzt werden. Hinter dieser Abkürzung verbergen sich die Elemente Blei (Pb), Zirkon (Zr) und Titan (Ti). Aber Blei ist wegen seiner Giftigkeit ungeliebt und darf in der EU in Kürze nicht mehr in elektronischen Bauelementen und Geräten verwendet werden. Ein anderes ferroelektrisches Material ist Bariumtitanat (BaTiO3). Jedoch zeigen herkömmliche – also unverspannte – Kristalle aus diesem Material eine viel geringere Ferroelektrizität als PZT. Zudem verlieren sie ihre Polarisation schon bei relativ niedrigen Temperaturen.

Verspannt man aber solche Kristalle, so erhöht sich ihre Polarisation um mindestens 250 Prozent und bleibt bis fast fünfhundert Grad Celsius erhalten. Wie baut man solche Spannungen ein? „Man lässt eine dünne kristalline BaTiO3-Schicht auf einer Unterlage wachsen, deren Gitterkonstante ein wenig von der des Bariumtitanats abweicht“, erläutert Dr. Reinhard Uecker, einer der Koautoren aus dem IKZ. Die Gitterkonstante ist ein Maß dafür, welchen Abstand die Atome in einem Kristall voneinander haben. „Die dicke Unterlage versucht, der dünnen ferroelektrischen Schicht ihre Gitterkonstante aufzuzwingen“, sagt Uecker. Er und sein Kollege Dr. Peter Reiche haben das erforderliche Substrat realisiert. Es handelt sich um Gadoliniumscandat-Kristalle (GdScO3).

Die Substratkristalle wurden im IKZ gezüchtet und von der Berliner Firma CrysTec zu polierten Scheiben verarbeitet. Auf diesen Wafern wuchsen dann in den USA BaTiO3-Schichten: Sie wurden mittels Molekularstrahlepitaxie abgeschieden. Nachfolgende Messungen zeigten, dass die erwartete Verbesserung der ferroelektrischen Eigenschaften tatsächlich eintrat. Damit wird diese Materialkombination mit definiert verspannten BaTiO3-Schichten zu einem echten Kandidaten für bleifreie Speicherbauelemente, die auch noch bei relativ hohen Temperaturen arbeiten.

In naher Zukunft wird auch im IKZ mit der Abscheidung von dünnen Schichten ferroelektrischer bleifreier Materialien begonnen, allerdings mit Hilfe der MOCVD (Metal Organic Chemical Vapour Deposition). Damit besteht im IKZ die einzigartige Möglichkeit, optimale Kombinationen von geeigneten Oxidsubstraten und verspannten ferroelektrischen Schichten zu erzeugen und zur Entwicklung einer neuen Generation von bleifreien umweltfreundlichen Bauelementen beizutragen.

Ansprechpartner:
Dr. Reinhard Uecker, 030 / 6392-3021, Prof. Dr. Klaus Jacobs, 030 / 6392-3047

Das Institut für Kristallzüchtung (IKZ) züchtet, bearbeitet und charakterisiert Kristalle unter Einsatz zahlreicher unterschiedlicher Methoden. Zugleich entwickelt es Baugruppen für Kristallzüchtungsanlagen und befasst sich mit der numerischen Modellierung der Kristallzüchtung. Das Institut versteht sich als Kompetenzzentrum zu allen wesentlichen naturwissenschaftlichen und technischen Fragen, die die Züchtung und das Wachstum von Volumenkristallen betreffen. Das Institut nimmt eine Servicefunktion wahr, indem es Kristalle, Anlagen und Verfahren für Kooperationspartner und Auftraggeber entwickelt oder bereit stellt. Es ist Teil des Forschungsverbundes Berlin e.V. (FVB).

Im Forschungsverbund Berlin (FVB) sind acht natur-, umwelt- und lebenswissenschaftlich orientierte Institute zusammengeschlossen, die wissenschaftlich eigenständig sind, aber im Rahmen einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit gemeinsame Interessen wahrnehmen. Alle Institute des FVB gehören zur Leibniz- Gemeinschaft.

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