Saarbrücker Informatiker machen Computer-Bilder realistisch

Interaktive Darstellung eines Autoscheinwerfers mit komplexen Spiegelungen und Reflexionen mit Hilfe von Ray-Tracing. Heutige Graphiktechnologie kann solche Effekte gar nicht berechnen. Foto: Prof. Philipp Slusallek, Universität des Saarlandes und inTrace GmbH

Von detailgetreuen Computer-Prototypen bis hin zum Computerspiel: Eine neue Technologie, die an der Saar-Uni entwickelt wurde, ermöglicht fotorealistische Computergraphik.

Obwohl erst Anfang letzten Jahres als Spin-off des Lehrstuhls für Computergraphik von Prof. Dr.-Ing. Philipp Slusallek und einigen Mitarbeitern gegründet, zählt die Firma inTrace GmbH heute bereits Großkonzerne wie Volkwagen, Audi und EADS/Airbus zu ihren Kunden und kooperiert mit bedeutenden US-Firmen wie Boeing, Intel und SGI. So wurde erst im letzten Monat ein Großauftrag für die Graphiktechnologie des neuen VW-Visualisierungszentrums in Wolfsburg erfolgreich abgeschlossen.

Das VW-Visualisierungszentrum, in dem das Top-Management seine virtuellen Design-Reviews durchführt, wurde weltweit erstmalig mit der neuen „Echtzeit-Ray-Tracing“-Technologie der Firma inTrace ausgestattet. Diese Technologie erlaubt es den Entscheidern von VW an Hand von interaktiv auf dem Computer erzeugten fotorealistischen Bildern das Design von neuen Automodellen schon in sehr frühem Stadium zu beurteilen, ohne dass erst zeitraubend teure 1:1-Modelle gebaut werden müssen. Dabei ist die Bildqualität der in Originalgröße dargestellten 3D-Modelle gegenüber früheren Lösungen so gut, dass es für das Management heute kein zurück mehr zu der alten Technik gibt. Statt dessen denkt VW über den Bau ähnlicher Zentren in China und an anderen Standorten des Konzerns nach. Inzwischen hat sich das auch bei der Konkurrenz herumgesprochen, so dass auch BMW, Daimler Chrysler und einige Zulieferer konkret über einen Einsatz der neuen Technologie aus dem Saarland nachdenken.

Die Produkte der Firma inTrace gehen auf die Forschungsergebnisse des Lehrstuhls für Computergraphik an der Universität des Saarlandes zurück. Als Prof. Slusallek 1999 von der Stanford University nach Saarbrücken wechselte, machte er es sich zur zentralen Aufgabe, die Technik des Ray-Tracings schneller zu machen: Diese schon seit 20 Jahren für ihre herausragende Bildqualität bekannte Methode lief sehr viel langsamer als die heute bei PCs übliche Rasterisierungstechnik und war so nicht marktfähig.

Seitdem hat sich Ray-Tracing zu einem ernsten Konkurrenten heutiger Graphiktechnologie entwickelt. Schon frühzeitig konnte die Geschwindigkeit um den Faktor 30 erhöht werden. Zusätzlich kann die Leistung durch das Zusammenschalten vieler PC fast beliebig gesteigert werden. So setzt VW zum Beispiel 39 Dual-Prozessor-PCs in seinem Visualisierungszentrum ein, um die dort notwendige Leistung zu erreichen. Allerdings ist man in den Forschungslabors von Prof. Slusallek schon viel weiter: Dort laufen die ersten Prototypen von neuartigen Graphikprozessoren (RPUs: Ray-Processing-Units), die noch höhere Leistungen auf einem einzigen kleinen und billigen Chip konzentrieren und so die neue Technologie auch für den Massenmarkt tauglich machen sollen.

Ray-Tracing kann aber nicht nur zur fotorealistischen Darstellung von Autos benutzt werden. Die Forscher um Prof. Slusallek nutzen diese Technologie bereits heute auch für die Visualisierung von medizinischen Volumendaten, für die interaktive Simulation von komplexen Beleuchtungsszenarien in beliebigen 3D-Szenen, für die Darstellung extrem großer Modelle wie einer kompletten Boeing 777 (Bildmaterial im Internet, s.u.). Die neue Technik ermöglicht auch ganz neue Arten von Computerspielen, die deutlich realistischer und interaktiver sein werden. Darüber hinaus gibt es auch eine ganze Reihe an Ray-Tracing-Anwendungen außerhalb der Computergraphik, die in Kooperation mit anderen Forschungsinstituten untersucht werden.

Die Firma inTrace ist nur ein Beispiel für die Innovationskraft der Saarbrücker Informatik. Gerade durch die enge Verzahnung der gesamten Innovationskette von der Grundlagenforschung über angewandte Forschung und Prototypenentwicklung bis hin zur kommerziellen Umsetzung können die in Deutschland oft beklagten Innovationshürden überwunden werden. Dazu haben sich die zahlreichen Forschungsinstitute rund um den Saarbrücker Campus kürzlich zu dem „Kompetenzzentrum Informatik Saarland“ unter Leitung von Prof. Slusallek zusammengeschlossen. Interessierten Firmen kann so die ganze Palette innovativer Informatikforschung aus einer Hand angeboten werden. Erste Kooperationsgespräche mit Firmen wie IBM und Volkwagen bestätigen diese neue Strategie. Ganz nebenbei entstehen so natürlich auch hochqualifizierte Arbeitsplätze im Saarland.

Veranstaltungen zur neuen „Echtzeit-Ray-Tracing“-Technologie

Zum Thema „Realtime-Ray-Tracing für industrielle Anwendungen“ wird am 18. November 2004 auf dem Campus ein Industrieseminar stattfinden. Nähere Informationen unter http://graphics.cs.uni-sb.de/Seminare

Das neue Ray-Tracing wird auch im Zentrum einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung zum Thema Computergraphik stehen, zu der Professor Slusallek am 6. Dezember 2004 um 16 Uhr in Gebäude 45, Hörsaal 2 auf dem Saarbrücker Campus einlädt. Mitdiskutieren werden unter anderem der Chief Scientist von Nvidia, dem weltgrößten Hersteller von (traditionellen) Graphikchips, David Kirk, und Peter Shirley von der University of Utah.

Sie haben Fragen? Dann setzen Sie sich bitte in Verbindung mit Prof. Philipp Slusallek Tel. (06 81) 3 02-38 31 oder Email: slusallek@cs.uni-sb.de

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Claudia Ehrlich idw

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