Mehr als eine intelligente Suchmaschine

Jochen Seufert


„Alert-System“ erkennt Themen in Multimedia-Daten

Mercator-Universität präsentiert neue Software auf der Hannover Messe

Gleich mit drei Exponaten ist die Gerhard-Mercator-Univer­sität Duisburg diesmal auf der weltgrößten Industriemesse, der Hannover Messe (23.-28. April), vertreten. Der Erdgasre­former zur netzunabhängigen Stromversorgung aus der Brennstoffzellentechnologie und das „intelligente“ Stö­rungsfrühwarnsystem TELIS gehörten bereits im letzten Jahr zu den Exponaten. Erstmals in Hannvover präsentiert wird eine Software, die ungeahnte Möglichkeiten der In­formationsbeschaffung bzw. -filterung eröffnet. Denn mit dem „Alert-System“ lassen sich nicht nur Internetseiten durchsuchen, sondern auch Radio- und TV-Sendungen be­obachten, auswerten und archivieren.

Das Fachgebiet Technische Informatik (Fachbereich Elektrotech­nik) der Duisburger Hochschule beschäftigt sich mit Sprach- und Bilderkennung. Besonderes Interesse gilt dabei den zwei großen Anwendungsbereichen „Mensch-Maschine-Kommunikation“ und „Intelligente Multimedia-Informationsverarbeitung“. Viele Projek­te haben die Wissenschaftler unter der Leitung von Prof. Gerhard Rigoll bereits realisiert. Jetzt haben sie ein einzigartiges System zur automatischen Themenerkennung in Multimedia-Daten ent­wickelt. Das „alert system for selective dissemination of multi­media information“, kurz Alert-System, hilft dem Nutzer, aus dem übergroßen und oft unüberschaubaren Informationspool von Radio, Fernsehen und Internet die für ihn relevanten Aussagen herauszufiltern und weiterzuverarbeiten. 

Computer analysiert Sendungen

Noch geschieht die Informationsgewinnung aus TV- und Radiosen­dungen auf klassischem Wege: Ein Mensch sieht, hört, liest und wertet aus. Das ist enorm zeitaufwändig und für eine Firma, die beispielsweise die Konkurrenz beobachten oder ihre Medienprä­senz dokumentieren lassen möchte, auch sehr teuer. Beim Alert-System wird durch die automatische Analyse des Computers nicht nur Zeit und Geld gespart, sondern es können sogar gleichzeitig mehrere Programme rund um die Uhr beobachtet werden.

Doch wie funktioniert „Alert“? Beispiel TV-Nachrichtensendung: Alles, was gesagt wird, sei es vom Nachrichtensprecher, Reporter oder Interviewten, wird durch die automatische Spracherkennung in Text umgewandelt. Themen und Schlüsselwörter werden dabei erkannt und in einer Liste gespeichert. Die speziellen Interessen des Nutzers, die dieser per Schlüsselwörter definieren kann,

werden mit den registrierten Themen und Schlüsselwörtern aus der Sendung verglichen. Gefundene Übereinstimmungen werden angezeigt und dem Benutzer automatisch mitgeteilt (=alert). Da das System Themengrenzen wie auch die verschiedenen Teile einer Sendung (Moderation, Reportage etc.) erkennen kann, werden keine unnötigen oder gar unerwünschten Informationen versendet.

Für die Umwandlung von Sprache in Text wurde die Alert-Soft­ware gründlich trainiert. Aus Zeitungstexten, Audio- und Video-Material wurden bislang rund 350 Millionen Wörter verarbeitet. Ganz fehlerfrei ist der automatisch gewonnene Text nicht, und das wird sich in absehbarer Zeit auch nicht ändern. Denn Musiküberlagerungen oder starke Hintergrundgeräusche bei Reportagen führen zu Ungenauigkeiten bei der Textumwandlung.

Deshalb haben die Duisburger Wissenschaftler Methoden entwic­kelt, die weit über die herkömmliche Suche nach Schlüsselwörtern hinausgehen und einen inhaltsorientierten Zugriff ermöglichen. So wird man in Zukunft nach Radio- und Filmbeiträgen, etwa zum Thema „Ölpreis“, suchen können und dabei auch solche Ergeb­nisse erhalten, die ‑ ohne dass das Wort überhaupt auftaucht ‑ thematisch passen. Das Alert-System liest sozusagen zwischen den Zeilen.

„Alert“ ist dreisprachig

Sollte „Alert“ irgendwann marktreif sein (das System lässt sich auf jedem handelsüblichen PC installieren), könnte es vielfältig einge­setzt werden: bei der Medienanalyse, beim sogenannten Beobach­ten (Monitoring) tagesaktueller Informationen, aber auch bei be­ruflichen oder privaten Recherchen in großen Film- und Nachrich­tenarchiven. Und das alles in drei Sprachen, denn die Uni Duisburg entwickelt das System seit März letzten Jahres zusammen mit Partnern aus Deutschland, Frankreich und Portugal. Auch die EU hängt finanziell mit drin: rund 1,5 Mio Euro Fördergelder kommen aus Brüssel.

Das Projekt läuft noch bis Mitte 2002, aber schon jetzt versuchen die Wissenschaftler es auszuweiten. Die Voraussetzungen dazu haben sie bereits mit anderen Forschungsprojekten geschaffen. Etwa mit der Gesichtserkennung. So könnte „Alert“ darauf pro­grammiert werden, Personen in Filmen und Bildern zu registrieren und per Suchbefehl auch zu finden. Viele weitere interessante An­wendungen sind denkbar.

Das Alert-System wird während der Hannover-Messe auf dem Ge­meinschaftsstand „Forschungsland NRW“, Halle 18, Stand M12, präsentiert. Weitere Info im Internet unter http://alert.uni-duis­burg.de

Kontakt: Prof. Dr. Gerhard Rigoll, Tel 0203/ 379-4221, und Andre­as Kosmala, Tel. 0203/ 379-4223.

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